Berliner Wirtschaft Juni 2022

„Wir wollen Menschen aus dem Beruf sehen“ Wie erleben Schülerinnen und Schüler das Thema Berufsorientierung? Nachgefragt bei Gymnasiastin Jule Edzards von Michael Gneuss Berufen kommen. Ich hätte gern selbst von jeman- dem, der das beruflich macht, was ich auch machen möchte, gehört, wie der Alltag verläuft und was man bei der Arbeit konkret macht. Haben sich Firmen in Ihrer Schule vorgestellt? Nein, das habe ich nicht erlebt. Das würde ich aber sehr gut finden. Wir wollenMenschen aus demBeruf, der uns interessiert, direkt sehen. Allgemeine Infor- mationen lassen sich problemlos im Internet fin- den. Aber wenn die Informationen direkt von einem Unternehmen kommen, wird es sehr viel anschau- licher. Einen Betriebsbesuch würde ich auch span- nend finden. Vor längerer Zeit haben wir das mal gemacht, aber nur für ein paar Stunden. Welche Vorteile haben Ihrer Ansicht nach Studium und eine duale Ausbildung? Ich finde beides interessant. Den Vorteil eines Studiums sehe ich darin, dass man sich mehr auf sich selbst fokus- sieren kann und sich erst mal mit der Theorie beschäftigt. An einer dua- len Berufsausbildung gefällt mir, dass man gleich praktische Erfah- rungen sammelt. Aber auch ein dua- les Studium würde mich reizen, um Theorie und Praxis zu kombinieren. Wie denken Sie über die Berufschancen Ihrer Generation? Ich glaube, unsere Chancen, nach einemBewer- bungsgespräch genommen zu werden, sind sehr gut. Ich kannmir eigentlich nicht vorstellen, mal arbeits- los zu werden. Was ist Ihnen wichtig an einem Job? Ich möchte, dass mir mein Job Spaß macht. Das Gehalt spielt auch eine wichtige Rolle, schließlich muss man den Lebensunterhalt finanzieren. Aber ich würde meine Job-Wahl nicht in erster Linie darauf abstellen. Amwichtigsten ist mir, dass mich der Job erfüllt. Ich glaube, so sehen das sehr viele von uns. InwelchemFall ist Ihnen eine Firma sympathisch? Mich interessiert die Einstellung – Firmen sollten für Veränderungen bereit sein und zulassen, dass Mitar- beiter auchmal Dinge kritisieren. Ein gutes Arbeits- klima der Kollegen untereinander, aber auch imVer- hältnis zum Chef, ist mir ebenfalls wichtig. Und es geht mir darum, wofür die Firma steht. Wenn sie etwas verkörpert, wofür ich nicht stehe, dannwürde ich dort auch nicht anfangen wollen. ■ Jule Edzards geht in die 11. Klasse des Georg-­ Herwegh- Gymnasiums in Hermsdorf Viola Bösebeck, IHK-Ausbildungs- marketing Tel.: 030 / 315 10-835 viola.boesebeck@ berlin.ihk.de J ule Edzards will im nächsten Jahr ihr Abitur machen. Seit der 10. Klasse macht sie sich Gedanken über ihren späte- ren Beruf. Noch weiß sie nicht, ob sie zunächst studieren wird oder mit einer dualen Berufsausbildung begin- nenwill. Vorstellen kann sie sich beides. Vor allem interessiert sie sich für ein Psy- chologiestudium oder eine Ausbildung zur Tierpflegerin. Die Berufsorientierung in Schulen könnte noch besser werden, meint sie. Berliner Wirtschaft: In welcher Form hat Berufsorientierung in Ihrer bisherigen Schulzeit stattgefunden? Julle Edzards: Es gab mehrere Veranstaltungen, aber leider kein Praktikum. Das war für die 10. Klasse vorgesehen, fiel aber in die Zeit der Coro- na-Pandemie. Dafür hatten wir eine Ersatzleistung, die in einem langen Aufsatz bestand. Wir sollten über verschiedene Berufen schreiben, die wir gern aus- üben würden, und dafür auch Menschen intervie- wen, die in diesen Berufen arbeiten. Es gibt auch Veranstaltungen, die wir freiwillig besuchen können und die sichmit bestimmten Berufsfeldern beschäf- tigen – wie zumBeispiel Psychologie oder Medizin. Hätten Sie sich mehr Informationen gewünscht? Grundsätzlich ist das Angebot, das wir bekommen, ausreichend. Aber ich hätte mir gewünscht, dass wir mehr Menschen erleben können, die direkt aus den FOTO: PRIVAT 29 IHK BERLIN | BERLINER WIRTSCHAFT 06 | 2022 SCHWERPUNKT | Interview

RkJQdWJsaXNoZXIy ODUxMjI4