Berliner Wirtschaft Mai 2023

An elf Zukunftsorten entwickeln junge Unternehmen innovative Geschäftsmodelle – sie brauchen nur bessere Bedingungen von Christian Nestler Deep Tech: Große Chancen für Berlin Die neue Koalition hat es angekündigt: „Die Koalition wird Berlin zu einem international relevanten Zentrum für Deep Tech machen.“ Die politische Ambition ist da. Und wie steht es um die Voraussetzungen? Hat Berlin das Zeug, in die internationale Deep-Tech-Spitzenliga aufzusteigen? „Auf der Wissenschaftsseite ist Berlin international auf vielen Feldern mehr als konkurrenzfähig“, weiß Sonja Jost, Vizepräsidentin der IHK Berlin und Gründerin der DexLeChem GmbH. Deutlicher Nachholbedarf bestehe aber bei der Übersetzung dieser Stärke in ökonomische Erfolge. „Deep-Tech-Start-ups, die auch als Hightech-Gründungen bekannt sind, werden durch längere Entwicklungszeiten als normale Tech-Gründungen charakterisiert und besitzen regelmäßig besondere Anforderungen an In- frastruktur“, sagt die IHK-Vizepräsidentin, die auch darauf hinweist, dass die Stadt in der Vergangenheit mit solchen Gründungen sehr stiefmütterlich umgegangen sei. „So findet man praktisch kein einziges Labor zur Miete innerhalb des S-Bahn-Ringes und außerhalb auch nur extrem schwer.“ Wenn man international mitspielen wolle, sei das eine Katastrophe. Auch in puncto Geld gibt es Nachbesserungsbedarf. „Bestehende Finanzierungsinstrumente, die traditionell auf eine sehr schnelle Skalierung » Dr. Elisa Kieback ist Mitgründerin von T-knife, einem Start-up mit Sitz in Buch, das neuartige Immuntherapien gegen Krebs entwickelt Sonja Jost Gründerin DexLeChem und IHK-Vizepräsidentin Bestehende Finanzierungsinstrumente, die traditionell auf eine sehr schnelle Skalierung ausgelegt sind, passen nicht. ausgelegt sind, passen nicht“, kritisiert Sonja Jost und weist darauf hin, dass man bei Deep-Tech-Investments einen langen Atem benötige. „Es kann nicht sein, dass viele solcher jungen Unternehmen beinahe standardmäßig in sogenannte ,Unternehmen in Schwierigkeiten‘ transferiert werden, wenn sie Darlehen der Investitionsbank Berlin bekommen – nur weil sie nicht schnell genug ihre Verlustvorträge abbauen können, da sie noch immer in der Entwicklungsphase sind. Hier muss dringend etwas passieren!“ Als Start-up-Hub ist Berlin längst im europäischen Oberhaus etabliert und konkurriert regelmäßig mit Paris und London um die Spitzenplätze bei eingeworbenen Investments aus Venture Capital (VC). Der Großteil fließt dabei in E-Commerce und Fintech. Anders verhält es sich bei Science-Tech-Gründungen aus der Wissenschaft. Unicorns sucht man hier bisher vergeblich. Stattdessen findet man Hidden Champions mit B2B-Fokus. Im Berliner Stadtbild fallen sie noch nicht auf. Sie sitzen nicht in Kreuzberg oder Berlin-Mitte, sondern haben sich – zwangsläufig – an der Peripherie ansiedeln müssen: in Berliner Zukunftsorten wie Adlershof und Buch oder auch im Berliner Südwesten. In Buch etwa wurde T-knife als Spin-off des Max-Delbrück-Zentrums und der Charité gegründet. Das Biotech-Start-up entwickelt neuartige Immuntherapien gegen Krebs: Es bringt den T-Zellen von Patienten bei, solide Tumoren zu erkennen und zu bekämpfen. „An unserer technologischen Plattform gab es großes Interesse aus der Wirtschaft. Wir wollten aber sichergehen, dass die Technologie weiterentwickelt wird, und haben uns daher gegen eine Lizenzierung und für die Gründung entschieden“, erklärt Dr. Elisa Kieback, eine der Gründerinnen von T-knife. Profitiert habe man zu Beginn zwar von Fördermitteln ILLUSTRATION: GETTY IMAGES/FRANK RAMSPOTT FOTOS: DIE HOFFOTOGRAFEN GMBH, AMIN AKHTAR Standort | 11 Berliner Wirtschaft 05 | 2023

RkJQdWJsaXNoZXIy MTcxNDM4Mw==