Berliner Wirtschaft April 2023

chende Kompetenzen in Lesen, Schreiben, Rechnen. Wir haben unser Schulsystem verkommen lassen, und nun kriegen wir – nicht nur in Berlin – die Quittung dafür. Das wirft natürlich die Frage auf, was in Kita und Schule anders werden muss, damit sich das nachhaltig verändern kann. Mögliche Lösungsansätze lassen sich aber nicht in drei Sätzen formulieren. Aber ein wichtiger Punkt ist dabei, dass die Schulenmehr Freiheiten bekommen, den Unterricht so zu gestalten, dass ihre Schülerinnen und Schüler die wichtigsten Dinge auch lernen können. Mit Frontalunterricht im Stundentakt ist das nicht zu schaffen. Und: Alle Kinder müssen in die Kita! Unternehmen suchen händeringend Auszubildende und hören oft, dass sie auch schwächeren Bewerbern eine Chance geben sollen – für die aber in vielen Fällen die Berufsschule ein Pro- blem ist. Muss die Politik eine Reformdes Berufsschulsystems vorantreiben? Und gleichzeitig hätten viele Jugendliche gerne einen Ausbildungsplatz, finden aber keinen! Die beidenWelten der Unternehmen und der Jugendlichen liegen zunehmend weiter auseinander. Das Reden über „Mismatch“ oder Passungsprobleme verdeckt die tiefer liegenden Herausforderungen – hier braucht es eine fundierte, differenzierte und ehrliche Analyse und keine weiteren Oberflächenanalysen. Und ja, wir brauchen auch in den Berufsschulen Veränderungen, wo sich die veralteten Lehr- und Lernformen der allgemeinbildenden Schulen ebenso fortsetzenwie der Lehrermangel. Und wie in den anderen Schulenmüssenwir auch hier der zunehmenden Heterogenität gerecht werden. ■ Fachkräfte-Erklärung Die Forderungen der Berliner Wirtschaft: ihk.de/ berlin/fachkraefteluecke Der Fachkräftemangel hemmt die Wirtschaft in Berlin in zunehmendemMaße. Schon heute fehlen 90.000 Fachkräfte. Bis zum Jahr 2035 könnten 414.000 Stellen in Berlin unbesetzt bleiben. In einer gemeinsamen Erklärung fordern 19 Kammern und Verbände die Politik deshalb auf, Antworten auf den Berliner Fachkräftemangel in den Fokus politischen Handelns zu rücken und das Thema zentral zu steuern. Der Standort Berlin riskiert mit unbesetzten Stellen nicht nur Stilllegungen und Wegzüge von Betrieben, sondern auch, dass die kritische Infrastruktur und Versorgung der Bürgerinnen und Bürger nicht sichergestellt sind. Weichen, die daher heute beim Thema Fachkräfte nicht gestellt werden, ziehen morgen gravierende Folgen nach sich. Die Unternehmen gehen voran – unter anderemmit mehr Ausbildungsplätzen, Jobmessen für Geflüchtete, inklusiven Arbeitsplätzen und Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Weitere Potenziale lassen sich heben, wenn die politischen Entscheider gemeinsammit der Wirtschaft an Lösungen arbeiten und sie umsetzen. Gerade in den laufenden Koalitionsverhandlungenmüssen politische Hebel in Bewegung gesetzt werden – von Erleichterungen bei der Fachkräftezuwanderung über verbesserte Schulqualität und Berufsorientierung bis zu Anreizen für die Beschäftigung von Älteren. Und ja, auch das politische Megathema Neubau darf nicht unerwähnt bleiben – mehr neue Fachkräfte erfordern mehr neue Wohnungen! Zur Illustration: Zwei Drittel des Aufbaus der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung gehen seit 2019 auf Menschen ohne deutschen Pass zurück (81.906 von zusätzlichen 125.999 Beschäftigten). Migration ist schon heute zentral und sollte künftig noch stärker als Chance begriffen werden. Auf Bundesebene wird das entsprechende Gesetz aktuell novelliert (siehe Meldung auf S. 46). hart In einer gemeinsamen Erklärung fordern 19 Kammern und Verbände die Politik auf, endlich zu handeln Fachkräfte sichern! Dr. Dieter Dohmen hat vor 30 Jahren das FiBS Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie gegründet. Auch sonst engagiert er sich für das Thema, etwa im IHK-Ausschuss „Bildungsstarke Stadt“ 17% Zuwachs verbuchte die schulische Ausbildung in der Hauptstadt von 2009–2019 (Bund: plus ein Prozent). 10% Rückgang gab es bei den Ausbildungsverträgen in Berlin in den letzten 15 Jahren (Bund: 20 Prozent). FOTO: FIBS FORSCHUNGSINSTITUT AGENDA | Bildungspolitik | 12 Berliner Wirtschaft 04 | 2023

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