Berliner Wirtschaft April 2021

Die fehlende Profitabilität macht junge Unterneh- men also von Investoren abhängig, die dadurch wiederum „eher insolvenzgefährdet“ sind, so Schade. Große Wachstumsambitionen von Start- ups, etwa Exits in Milliardenhöhe, tragen Sorge dafür, dass Gründer vermehrt externe Gelder von VC-Fonds oder Business Angels in Anspruch neh- men. Diese Entwicklung deckt sichmit einer Stu- die der KfW, die zu demSchluss kommt, dass sich der durchschnittliche Kapitaleinsatz bei Start-ups in den letzten Jahren „deutlich“ erhöht hat. Fehlende Vorausplanung der Gründer Kommt ein Deal zwischen Investor und Gründer nicht zustande, kann dies fatale Konsequenzen haben. So musste das Start-up Maister aufgrund einer geplatzten Finanzierung im vergangenen Jahr Insolvenz anmelden. Wie abhängig Start-ups von Fremdkapital sind, zeigt auch die Insolvenz der Discoeat-App, einer Rocket-Beteiligung. Die Firmengründer mussten 2019 Insolvenz anmel- den, nachdem eine Finanzierungsrunde platzte und sie zahlungsunfähig wurden. Ein solches Sze- nario hat auch das Start-up Tausendkind im ver- gangenen Jahr erlebt. Nach eigenen Angaben hat ein Geldgeber seine Zusage für eine neue Finan- zierungsrunde zurückgezogen, woraufhin der Berliner Kindermode-Versender einen Insolvenz- antrag stellen musste. Trotz steigender Umsätze schien dem Investor eine Finanzspritze kurz nach Ausbruch der Corona-Pandemie zu riskant. Dass eine Finanzierungsrunde platzt, kommt also vor. Entsprechend liegt es an den Gründern, gut vorauszuplanen. Denn wenn sie sich zu spät auf die Suche nach neuem Kapital begeben und das Fundraising dann etwas länger dauert als geplant, kann zwischendurch das Geld aus- gehen, warnt Insolvenzrechtsanwalt Schade. „Anschlussfinanzierungen stellen besonders in der Krise ein enormes Risiko dar“, sagt er, weil es bei Investoren eine Abwartehaltung geben kann oder sich Prioritäten verschieben. Nach Beginn der Corona-Pandemie zum Beispiel hatten sich viele Investoren zunächst auf ihr bestehendes Portfolio fokussiert und neue Investments auf die lange Bank geschoben. Schades Rat: Gründer sollten sich nicht auf einer vorhandenen Kapital- decke ausruhen undmit etwas Kapitalpuffer pla- nen. Dann bleibe selbst in Krisensituationen noch etwas Spielraum. Während Investoren Gelder investieren, sind Gründer maßgeblich für das Geschäftsmo- dell ihres Start-ups zuständig. „Typischerweise befassen sich Start-ups mit neuen, innovati- ven und mutigen Geschäftsmodellen, für die es noch keine Blaupausen gibt“, so Schade. Das sorge einerseits für ein erhöhtes Insolvenzrisiko. Ande- rerseits: „Aktuell fallen mir eher herkömmliche Geschäftsmodelle ein, die krisenbedrohter sind als moderne Start-ups“, so der Berliner Start-up- Anwalt. Wie gut ein Geschäftsmodell ist, zeige sich besonders in Krisenzeiten. Das Reisekosten-Start-up Circula hat die Corona-Krise beispielsweise gerade erst über- standen. Infolge der Pandemie hat das Jungun- ternehmen sein stark gebeuteltes Geschäftsmo- dell umgestellt. Den Firmengründern gelang es, ihr Unternehmen aus der Nische „Reisekosten“ ins breitere Geschäftsfeld „Spesen“ zu navigieren. Im Februar 2021 bestätigte eine Finanzierungsrunde in Höhe von 4,3 Mio. Euro, dass das Unternehmen erfolgreich auf die Pandemie reagiert hat. „Start-ups sind nicht per se insolvenzbe- drohter“, sagt Schade. Der Einzelhandel mit sei- nen herkömmlichen Geschäftsmodellen sei in einigen Bereichen zurzeit stärker von der Krise betroffen als Start-ups, die an modernen Liefer- modellen arbeiten. Start-ups brauchen Überzeugungskraft Tatsächlich ist in der Szene zurzeit viel los: Wäh- rend das öffentliche Leben vielerorts zurückge- fahren worden ist, profitieren Lieferdienste wie Gorillas, Flink oder Lieferando vom anhalten- den Lockdown. Der Zehn-Minuten-Lieferdienst Gorillas beispielsweise ist erst seit Anfang 2020 am Markt, zählt schon über 800 Mitarbeiter und könne laut eigenen Aussagen schon bald die Umsatzmarke von 100 Mio. Euro knacken. Ähnlich verhält es sich in Sachen Banking: Fintechs haben infolge der Corona-Pandemie deutlich an Zuwachs gewonnen, indem sie den Gang zur heimischen Bankfiliale obsolet gemacht haben. Im Rahmen großer Finanzierungsrun- den haben sie im vergangenen Jahr für Aufse- hen gesorgt. So sammelte der britische N26-Kon- kurrent Revolut ein Investment von 500Mio. Euro ein und der schwedische Zahlungsdienstleister Klarna 850 Mio. Euro. Schade hebt besonders hervor, dass Start-ups darauf achten sollten, Zusagen zu erfüllen und Investoren immer wieder von der Zukunftsträch- tigkeit des eigenen Geschäftsmodells zu überzeu- gen. „Dann, glaube ich, muss sich ein Start-up nicht mehr Sorgen machen als jedes andere Unternehmen.“ ■ Melina Hanisch, Start-up-Koordinatorin der IHK Tel.: 030 / 315 10-527 melina.hanisch@berlin. ihk.de Link zur Website der Gründerszene Die Ursprungsversion des Textes unter: gruenderszene.de Damit die Geschäfte gedeihen können, müssen Gründer ihr junges Unter- nehmen sorgsam pflegen. Dazu gehört auch, die Finanzierung immer im Blick zu haben ILLUSTRATION: GETTY IMAGES/ALF HIEMISCH; FOTO: FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG 61 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 04 | 2021 SERVICE | Gründerszene

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