Berliner Wirtschaft März 2021

55 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 03 | 2021 SERVICE | Gründerszene Tagesdosis darf einen bestimmten Wert nicht überschreiten. Deshalb sind die Anbieter sehr vor- sichtig mit den täglichen Mengen an CBD, die sie ihren Kunden empfehlen. Gibt es dennoch Ärger mit den Behörden, können sich die Firmen neu- erdings auf ein Urteil des EuGH vom November 2020 berufen, in demdas Recht auf freienWaren- verkehr innerhalb der EU bestärkt wurde. Das besagt, dass ein Produkt, das in einem EU-Land verkauft werden darf, auch in allen anderen Län- dern verkehrsfähig ist. Eine Schwierigkeit besteht darin, dass viele Banken und Zahlungsanbieter CBD-Shops nicht als Kunden annehmen wollen. Eine offizielle Erklärung dafür gibt es nicht, doch inoffiziellen Aussagen zufolge hängt das mit der unklaren Gesetzeslage zusammen, teilweise aber auch mit einem allgemeinen Unbehagen, wenn es umCan- nabis geht. Um ihren Kunden auch eine Kredit- kartenzahlung zu ermöglichen, sind viele Händ- ler auf Anbieter aus den Niederlanden und Öster- reich ausgewichen. Potenzial liegt in der Forschung Grundsätzlich aber scheinen die Weichen für eine Festigung des CBD-Markts gestellt zu sein. Im vergangenen Jahr haben die Vereinten Nati- onen Cannabis von der Liste der harten Drogen genommen, was auch die Europäische Kommis- sion dazu brachte, sich neu zu positionieren. Her- steller können nun Anträge auf die sogenannte Novel-Food-Kategorie stellen. Weil die Zulassung für ein einziges Produkt als neuartiges Lebens- mittel zwischen 350.000 und 500.000 Euro kos- tet, will der europäische Dachverband EIHA die Zulassungsanträge bündeln. Jurist Kai-Friedrich Niermann erwartet außerdem eine signifikante Wende nach den Bundestagswahlen im September, falls danach die Grünen mitregieren sollten. „Mit der Durch- setzung des Cannabis-Kontrollgesetzes würde nicht nur der Hanf aus dem Betäubungsmittel- gesetz gestrichen, sondern ein regulierter Markt auch für THC-Produkte geschaffen, die dann in Cannabis-Fachgeschäften verkauft werden könn- ten.“ Niermann sieht die eigentliche Zukunft in erster Linie in der Forschung: „Wir erleben gerade einen Hype von CBD-Produkten. Die eigentliche Aufgabe der Hersteller wäre aber, mehr in die For- schung und Entwicklung zu investieren, um das volle Marktpotenzial dieser alten Kulturpflanze voll auszuschöpfen und nicht nur auf dem aktu- ellen Hype zu segeln.“ ■ Die Autorinnen Die Journalistinnen Sarah Heuberger und Marta Orosz gehören zum redaktionellen Team der Gründer- szene. Orosz ist Wirt- schaftsredakteurin bei Business Insider. Melina Hanisch, Start-up-Koordinatorin der IHK Tel.: 030 / 315 10-527 melina.hanisch@berlin. ihk.de Link zur Website der Gründerszene Die Ursprungsversion des Textes unter: gruenderszene.de Auch CBD-Hash und CBD-Zigaretten zu ver- kaufen, ist nicht erlaubt. Rechtsanwalt Nier- mann fasst es zusammen: „Unbedenklich ist nach der aktuellen Rechtslage der Verkauf von Kos- metikprodukten, E-Liquids, Kaltpressproduk- ten sowie Aromaextrakten.“ Wer also auf Num- mer sicher gehen will, beschränkt sich auf diese Produktkategorien. Kein Verkauf von unverarbeiteten Blättern CBD-Blüten werden zwar nicht explizit erwähnt im Betäubungsmittelgesetz. Die meisten Exper- ten sind sich aber dennoch einig, dass es nicht erlaubt ist, unverarbeitetes Blattmaterial weiter- zuverkaufen. Auch nicht, wenn der THC-Gehalt der Blüten unter dem Grenzwert von 0,2 Prozent liegt. So sieht das auch Jürgen Neumeyer vomVer- band der Cannabis-Wirtschaft: „Wir interpretie- ren die aktuelle Rechtslage so, dass der Verkauf von CBD-Blüten an den Endverbraucher verbo- ten ist.“ Auch Lars Müller, CEO des börsengelis- teten Cannabis-Unternehmens Synbiotic, winkt beim Thema CBD-Blüten nur ab: „Wer Blüten oder Tees verkauft, gibt der Polizei damit quasi einen Schlüssel in die Hand für eine Hausdurch- suchung“, so Müller. Das Berliner Start-up Bunte Blüte hingegen handelte mit CBD-Blüten – und wurde deshalb im vergangenen Sommer wegen bandenmäßi- gen Rauschgifthandels angeklagt. Im Falle einer Verurteilung bekämen die Verantwortlichen mindestens fünf Jahre Haft, ohne Bewährung. Auch bei Anbietern von Hanftees, die die Blüten in loser Form verkaufen, wurde die Ware schon häufiger beschlagnahmt. Dass manche Unterneh- men CBD-Produkte verkaufen können, obwohl es noch keine abschließende Regelung gibt, liegt daran, dass sie die Novel-Food-Problematik umgehen, indem sie ihre Öle als Aromatherapie oder als Kosmetikprodukte labeln. So fallen diese nicht unter die Novel-Food-Verordnung. „Wir sind einer der wenigen Anbieter, die ihre CBD-Produkte noch als Nahrungsergän- zungsmittel deklarieren“, sagt Synbiotic-CEO Müller über seinen Onlineshop Hempamed. Ein Fünkchen Glück habe dabei geholfen, aber auch ein aggressives Anwaltsteam. Falls es gar nicht anders ginge, würde auch Hempamed seine Pro- dukte umlabeln, sagt Müller. Er hofft aber, das vermeiden zu können, um seine Kunden nicht zu verunsichern. Für die Behörden ist nicht nur der THC-Ma- ximalwert in einem Produkt wichtig, auch die FOTOS: GETTY IMAGES/GEORGE PETERS, FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG

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