Berliner Wirtschaft Februar 2022

Die Autoren Dr. Robert Brahmstaedt, LL.M. ist Partner bei der Rechtsanwaltskanz- lei GÖRG und auf Insolvenzrecht und Restrukturierung spezialisiert. Lisa Berzl ist Rechtsanwältin und in den Bereichen Insolvenzrecht, Restrukturierung und Private Equity tätig. Melina Hanisch, IHK-Fachreferentin Start-ups und Finanzierung Tel.: 030 / 315 10-527 melina.hanisch@ berlin.ihk.de Link zur Website der Gründerszene Die vollständige Version des Textes unter: gruenderszene.de (kostenpflichtig). Deshalb muss die Mehrheit der Gläubiger dem Eigenverwaltungsplan zustimmen. Gegen die Einleitung eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens kann sprechen, dass die Reputation des Unternehmens Schaden nimmt. Es gibt immer noch das „Stigma“ der Insolvenz. Es gilt abzuwägen, ob ein Insolvenzverfahren eine Gefahr für Geschäftsbeziehungen und Zukunfts- aussichten darstellen kann. Dies kann von Bran- che zu Branche und im jeweiligen Einzelfall unterschiedlich sein. Achtung: Sofern das Unter- nehmen im insolvenzrechtlichen Sinn zahlungs- unfähig oder überschuldet ist, ist der Insolvenz- antrag keine Option mehr, sondern zwingend. Möglichkeit 2: außergerichtlicher Vergleich Wenn die Krisenlage frühzeitig erkannt wird, ist es möglich, durch eine Vereinbarung mit den Gläubigern ein Insolvenzverfahren abzuwenden. Hierbei können durch Verhandlungsgeschick For- derungsverzichte, Stundungen oder gar ein Ver- zicht auf Haftungsansprüche erreicht werden. Zusätzlich kann mit Banken verhandelt werden, umetwa einen Überbrückungs- oder Sanierungs- kredit („fresh money“) zu erhalten. Ein außergerichtliches Vorgehen kann nicht nur bei einer geplanten Sanierung sinnvoll sein, sondern auch zur Durchführung einer solven- ten Liquidation. Die Abwicklung sämtlicher Geschäfte erfolgt dabei in Eigenregie, mit dem Ziel, nach der Befriedigung der Gläubiger die Gesellschaft selbst aufzulösen. Wenn nach der Liquidation nicht alle Gläubiger befriedigt wer- den können, sind Vergleiche vor allem mit den Gläubigern, die Sicherheiten an den Vermögens- gegenständen des Unternehmens halten, auch in dieser Konstellation unumgänglich. Der Vorteil eines außergerichtlichen Ver- gleichs besteht in der Flexibilität, da die Abwick- lung nicht den starren Regeln der Insolvenzord- nung unterliegt. Es sindweder Gericht noch Insol- venzverwalter beteiligt, was wiederum Kosten spart. Dafür muss jedoch eine Lösung gefun- den werden, der alle Gläubiger zustimmen. Von punktuellen Vereinbarungen ist daher drin- gend abzuraten. Sämtliche Bemühungen könn- ten umsonst gewesen sein, wenn dann noch ein Insolvenzantrag gestellt wird oder werden muss. Möglichkeit 3: StaRUG, das neue Gesetz Beschleunigt durch die Pandemie, ist am 1. Januar 2021 das StaRUG in Kraft getreten. Das Gesetz soll die bestehende Lücke zwischen der außerge- richtlichen Sanierung und einem Insolvenzver- fahren schließen. Wenn dieses Sanierungsverfah- ren angestrebt wird, ist besondere Eile geboten. Während die drohende Zahlungsunfähigkeit im Insolvenzverfahren die erste Stufe der Antrags- gründe darstellt, stehen die Instrumentarien des StaRUG nicht mehr zur Verfügung, sobald sich die Krise vertieft hat und bereits die Zahlungs- unfähigkeit eingetreten ist oder gar eine Über- schuldung vorliegt. Kern dieses Sanierungsverfahrens ist der Restrukturierungsplan, dessen Gestaltung und Verhandlung im Grundsatz von dem Unterneh- men eigenverantwortlich und ohne Einbindung eines Gerichts gesteuert werden kann. Entschei- dender Vorteil des Restrukturierungsplans gegen- über einer außergerichtlichen Sanierung: Es ist leichter durchsetzbar. DieWirksamkeit des Plans erfordert nicht die Zustimmung aller Gläubiger, sodass einzelne Gläubiger, die den Sanierungs- prozess zur Eigenoptimierung blockieren, über- stimmt werden können. Ob das StaRUG tatsächlich eine praxistaug- liche Alternative zum Insolvenzverfahren oder dem außergerichtlichen Vergleich darstellt, muss sich in den nächsten Monaten erst noch zeigen. Wer jedoch leistungswirtschaftliche Sanierungs- maßnahmen gegen den Willen der Vertrags- partner anstrebt, wird im StaRUG nicht fün- dig werden. Die Beendigung von Dauerschuldverhältnis- sen wie beispielsweise Mietverträgen ist unter dem StaRUG nicht möglich. Geeignet ist die- ses Verfahren aber, wenn einzelne Banken oder Investoren einen Konsens bei einem außerge- richtlichen Vergleich verhindern oder notwen- dige Kapitalerhöhungen gegen den Willen von querulatorischen Gesellschaftern durchgeführt werden sollen. Mittel gegen Insolvenz: weit vorausplanen Für den Ausweg aus der Krise gibt es nicht den einen richtigen Weg. Geschäftsführer müssen jedoch dafür sorgen, dass sie Krisen frühzei- tig erkennen, um die Vielzahl der existierenden Sanierungsmöglichkeiten voll ausschöpfen zu können. Hierfür müssen sie geeignete Tools auf- setzen. Das „Planungsradar“ des Unternehmens sollte auf einen Zeitraum von mindestens 30 bis 36 Monaten erweitert werden. Umso früher die Krise erkannt und richtig bewertet wird, desto mehr Möglichkeiten stehen für eine erfolgreiche Sanierung zur Verfügung.   ■ 61 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 02 | 2022 SERVICE | Gründerszene

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