Berliner Wirtschaft Februar 2022

mer ausgeben müssen – ohne dass damit eine ein- zige neueWohnung entsteht. Das Geld kann effekti- ver in der Förderung des Neubaus eingesetzt werden. Es wäre auch kein gutes Signal an Investoren, wenn Berlin nach Gesetz handelndeWirtschaftsunterneh- men enteignen würde. Sofern der Senat sichmit den privaten Vermietern im Rahmen eines Wohnungs- bau-Bündnisses auf Mietsteigerungen immoderaten Umfang einigt, gibt es auch keinen Grund zu enteig- nen. Ich glaube, die meisten Player sind dazu bereit. Hat Berlin eine Vision für die wachsende Stadt? Es hat 2016 schon mal eine Leitbildentwicklung für die wachsende Stadt gegeben, in der Flächenpoten- ziale erhoben und Rahmenbedingungen dafür ent- wickelt wurden. Der bisherige Regierende Bürger- meister, Michael Müller, hat im vergangenen Drei- vierteljahr in einemBeteiligungsprozess ein Leitbild 2030 entwickelt, in dem auch die Themen Wohnen und Mobilität eine wichtige Rolle spielen. Ich glaube, dass sich die neue Regierungmit diesen Visionen und Strategien noch einmal intensiv beschäftigen wird. Denn es gibt mittlerweile viel nachzuschärfen. ■ Für Jörg Franzen ist der Wohnungs- bau die größte Herausforderung der wachsenden Hauptstadt (links). In Gesprächen mit der Politik und der Verwaltung plädiert er für schnellere Genehmigungs- verfahren (oben) Peter Rau, IHK-Geschäftsfeld Wirtschaft & Politik Tel.: 030 / 315 10-608 peter.rau@berlin. ihk.de tik verschicken die sechs landeseigenenWohnungs- bauunternehmen gerade Mieterhöhungen für rund 200.000 Wohnungen. Was bedeutet das für die Mieter? Je nach Wohnungsart wurden Anstiege von ein bis zweieinhalb Prozent vereinbart. Das entspricht dem sogenannten Mietendimmer. Pro Monat und Woh- nung steigen die Durchschnittsmieten dadurch um 4,81 Euro. Das ist sehr moderat. Bei der Gesobau beträgt die Durchschnittsmiete pro Quadratmeter nur 6,26 Euro. Das ist imVergleich zu anderenWett- bewerbern sehr sozialverträglich. So werden wir auch weitermachen. Die Balance der Einnahmen und Ausgaben muss aber dauerhaft sichergestellt werden. ImMoment geht es noch. Wir müssen aber zeitnah mit dem Senat Gespräche führen, wie wir perspektivisch mit der Situation umgehen können. Wann könnte es für die Berliner denn zu einer Entspannung auf demWohnungsmarkt kommen? Im Koalitionsvertrag sind 100.000 neue Wohnun- gen als Ziel für diese Legislaturperiode festgelegt. Ich glaube, das ist zu schaffen, wenn wir – wie nun beabsichtigt – ein breites Bündnis für mehr Neubau mit der Regierenden Bürgermeisterin, demStadtent- wicklungssenator, den Bezirken, den Verbänden und allen Unternehmen, die bauen können und bauen wollen, auf den Weg bringen. Dann bin ich sehr zuversichtlich, dass sich in fünf Jahren der Markt und damit die Mietenentwicklung wieder etwas ent- spannt haben werden. Wie viele Wohnungen werden die städtischen Gesellschaften davon bauen? Die städtischenWohnungsbauunternehmen sollen in den kommenden fünf Jahren insgesamt 35.000Woh- nungen bauen. Langfristig in der Vorbereitung haben die sechs Gesellschaften zusammen Projekte für über 60.000 Wohnungen. Wenn wir die Genehmi- gungsverfahren beschleunigen, können wir daraus die 35.000 in den kommenden fünf Jahren schaffen. Welche Maßnahmen halten Sie darüber hinaus für sinnvoll, umdieMietpreisentwicklung zu dämpfen? Neubau ist die einzige Lösung, die uns dauerhaft helfen wird. Wie stehen Sie zur Enteignung privater Woh- nungsunternehmen, für die sich immerhin mehr als 57 Prozent der Berliner ausgesprochen haben? Das ist kein sinnvoller Weg. Berlin würde sehr viel Geld für die Entschädigung der Wohnungseigentü- 29 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 02 | 2022

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