Berliner Wirtschaft Februar 2022

Chefsache erklärt und Bündnisse mit allen Betei- ligten abgeschlossen, sodass der Neubau beschleu- nigt werden konnte. Mittlerweile sind Baufertigstel- lung und Bevölkerungszuwachs recht ausgeglichen. Der Markt funktioniert wieder. Dahin muss Berlin auch kommen. An welchen Stellen genau wünschen Sie sich Beschleunigungen? Ein Beispiel wären Typen-Baugenehmigungen. Die sechs städtischenWohnungsbauunternehmen haben gemeinsam verschiedene Wohnhaustypen entwi- ckelt, um günstiger und schneller bauen zu kön- nen. Aber wir können sie aktuell nicht nutzen. Denn Typenbau ist ja nur sinnvoll, wenn nicht jedes ein- zelne Projekt neu beantragt werden muss, sondern eine Typen-Baugenehmigung vorliegt und darauf basierend nur noch ein sehr vereinfachter Prozess durchlaufenwerdenmuss. Außerdemwünschenwir uns auch in Berlin die Genehmigungsfiktion. Was ist das? Danach gilt zum Beispiel ein Bauantrag als geneh- migt, wenn er nicht innerhalb einer bestimmten Frist beantwortet wird. Das setzt die genehmigen- den Behörden unter Zeitdruck. Das brauchen wir, um schneller zu werden. Denn alles, was die Abläufe verlangsamt, kostet Geld. Ichwünsche mir auch eine digitalere Verwaltung. Außerdembrauchen wir ein- fachere Standards. Die Berliner Bauordnung, aber auch die Bundesbauordnung sind sehr kompliziert. Wir müssen uns die Frage stellen, ob die hundertpro- zentige Barrierefreiheit im Neubau wirklich erfor- derlich ist. So viel Bedarf dafür haben wir gar nicht. Gibt es neben den langwierigen Genehmigungsver- fahrenweitere Engpässe, die den Neubau hemmen? Grundsätzlich sind die sechs kommunalen Woh- nungsbauunternehmen nach wie vor sehr solide aufgestellt. Wir haben daher die finanzielle Kraft, in den Wohnungsbau zu investieren, solange die Schere zwischen Kosten und Mieteinnahmen nicht weiter aufgeht. GibtesauchgenugKapazitätenbei Bauunternehmen? Wir bekommen nach wir vor zwar wenige, aber ver- wertbare Angebote von Bauunternehmen für unsere Bauprojekte. Deshalb halte ich auch nichts davon, eigene Planungs- oder Bauunternehmen aufzubauen, so wie es in einigen Diskussionen angeregt wurde. Warum wollen Sie keine eigenen Planungs- oder Bauunternehmen gründen? Der Aufbau solcher Organisationen würde viel zu lange dauern. Wir würden die Mitarbeiter dafür gar nicht in ausreichender Zahl finden und zudem die Berliner Wirtschaft schwächen. Mehr als 80 Prozent unserer Bauaufträge werden von Berliner Unterneh- men übernommen. Die Architekturbüros, die für uns die Planung übernehmen, kommen ebenfalls über- wiegend aus Berlin. Die Kapazitäten in der Baubran- che sind derzeit nicht der Engpass. Wir brauchen ins- besondere aber schnellere Genehmigungsprozesse. Aber Bauunternehmenmüssen heute höhere Preise verlangen, auchweil die Baumaterialen teurer wer- den. Müssen Sie deshalb die Mieten erhöhen? Die Baupreise sind in der Tat massiv gestiegen. Holz und Stahl und fast alle anderen Rohstoffe und Vor- produkte werden deutlich teurer. Unsere Möglich- keiten, die Mieteinnahmen zu steigern, sind auf der anderen Seite minimal. Es ist unsere Aufgabe, die Mieten sozialverträglich zu halten. Aber auch wir müssen mal erhöhen. In Abstimmung mit der Poli- Es ist unsere Aufgabe, die Mieten sozialver­ träglich zu halten. Aber auch wir müssen mal erhöhen. Jörg Franzen FOTOS: AMIN AKHTAR SCHWERPUNKT | Interview

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