Berliner Wirtschaft Januar/Februar 2024

Hermann Schomburg verlegte seine erfolgreiche Manufaktur 1903 von Moabit nach Teltow Moabit Mitte des 19. Jahrhunderts: Die Siedlung am Stadtrand entbehrt noch ganz der urbanen Bebauung und ist zunächst wegen der Maulbeerbaumplantagen und Seidenproduktion durch die Réfugiés – hugenottische Geflüchtete – bekannt. 1832 beginnt aber eine industrielle Bautätigkeit an der Spree, die auch der aufstrebenden Porzellanherstellung zu verdanken ist: Auf dem Südufer entstehen die Tonwarenfabrik Ernst March & Söhne (1836) und später die Königliche Porzellan-Manufaktur (ab 1868) – auf dem Nord- ufer aber vor allem die Porzellan-Manufactur F. Adolph Schumann, die 1834 als Pionier der Moabiter Industrialisierung gilt. Schumann (1808–1851) hat seine Fabrik aus der Magdeburger Gegend hierher verlegt, weil das Bauland billig und die Spree für den Transport der Rohstoffe günstig ist. Bedeutendster industrieller Zuzug wird ab 1847/48 Borsigs Maschinenbauanstalt auf dem Nachbargrundstück. Bei Schumann arbeiten Fachkräfte der „arkanen“, sprich: geheimen, Porzellanherstellung, aber auch Dreher und Oberdreher an den Töpferscheiben. Der Obermaler Carl Schomburg macht sich 1853 selbstständig, nachdem er sich zugute schreibt, der Erfinder des Glanzgoldes auf Porzellan zu sein, und errichtet zwei Hausnummern weiter eine Fabrik mit Malerei und Muffelofen. Sein Sohn Hermann allerdings trifft die wegweisende Entscheidung, in den Markt für Industriekeramik, zum Beispiel Porzellanisolatoren, einzusteigen. Diese sind für die Ausbreitung von Telegrafenleitungen unerlässlich, gehören aber als kleiner technischer Baustein zur rasanten Elektrifizierung der Städte dazu wie Kabel oder Drähte. Schomburg liefert an Siemens, die AEG und in das Ausland, verzichtet ab Ende der 1860er-Jahre ganz auf Haushaltsporzellan. Mit der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft 1872 nimmt er am Boom der Gründerjahre teil und expandiert, allerdings nicht im beengten Moabit, sondern durch den Erwerb der Margarethenhütte im sächsischen Bautzen. 1897 kommt das Werk in Roßlau bei Magdeburg hinzu. Schomburg hat seinen Anteil an der Hochspannungsdemonstration von Emil Rathenau auf der Elektrotechnischen Ausstellung in Frankfurt am Main – die Isolatoren der Fernleitung zum Kraftwerk Lauffen stammen von Schomburg. Das Unternehmen dominiert weitere Hersteller in Thüringen und Sachsen und ist tonangebend im Isolatoren-Kartell. Das Moabiter Werk wird 1903 geschlossen, Schomburg zieht nach Teltow, verlegt den Unternehmensschwerpunkt aber nach Roßlau. In Moabit bezieht die Meierei C. Bolle das Gelände. ■ Zugang zum Wirtschaftsarchiv Die Bestände des Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftsarchivs (BBWA) können nach Vereinbarung eingesehen werden. Kontakt und Infos: bb-wa.de Hermann Schomburg traf eine weise Entscheidung, als er in den Markt der Industriekeramik einstieg. Denn ab Mitte des 19. Jahrhunderts boomte die Elektrifizierung von Björn Berghausen und Klaus Dettmer (BBWA) Isolatoren von der Spree FOTOS: HEIMATMUSEUM TELTOW, SAMMLUNG MITTE MUSEUM Historie | 41

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