Berliner Wirtschaft 9/2018

BERLINER WIRTSCHAFT 09/18 noch besetzen, registrieren aber sinkende Bewer- berzahlen und eine nachlassende Qualität. Wir steuern dagegen, mit einer zeitgemäßen Präsen- tation unseres Images als Arbeitgeber, etwa in So- cial Media, und mit Präsenz auf Messen sowie in Schulen.Wir haben jungenMenschen viel zu bie- ten – zum Beispiel Rotationen und Trainee-Pro- gramme, damit sie den idealen Job für sich fin- den. Bei all dem dürfen wir aber nicht die Fach- kräfte vergessen, die schon 30 Jahre und länger für uns arbeiten. Was meinen Sie damit? Wir müssen uns überlegen, wiewir diese bewähr- ten Arbeitskräfte im Unternehmen ein- und per- spektivisch auch ersetzen, wenn sie pensioniert werden. In diesen Köpfen ist unheimlich viel spezialisiertes Know-how gespeichert. Wir stel- len jetzt schon Leute ein, die diesesWissen über- nehmen, undwir überlegen uns, wiewir die Fluk- tuationen gering halten können, damit diese Leu- te mit diesem übernommenenWissen möglichst lange bei uns bleiben. Wir haben 2017 dafür ein ausführliches Demografiekonzept erarbeitet und mit einem Extra-Budget auch untersetzt. Sie sind auch für die Berliner Stadtwerke zuständig, die 7.500 Kunden haben. Wie viele sollen es werden? Wir haben keinen Zielwert. Wir wollenweiter im Strommarkt für Endkunden aktiv sein, wissen aber, dass der Bereich sehr wettbewerbsintensiv ist. Und es ist schwer, damit Geld zu verdienen. Wir wollen nicht der 500. Anbieter sein, der sich voll auf dieses Ziel konzentriert. Welche Ziele verfolgen Sie darüber hinaus? Wir bringen in Berlin die Energiewende voran, zum Beispiel mit dezentralen Energielösungen: Photovoltaik-Anlagen auf dem Dach und Block- heizkraftwerke im Keller. So können wir Mieter- strom anbieten. Das ist uns wichtig, weil Berlin sich ja als Photovoltaik-Stadt positionierenmöch- te. Berlin hat heute Photovoltaik-Anlagen mit ei- ner Leistung von insgesamt etwa 90 Megawatt. Sieben Megawatt davon haben wir 2016 und 2017 installiert. Das ist ein schönes Ergebnis, aber um die Klimaziele zu erreichen, brauchen wir 3.000 bis 4.000 Megawatt. Da gibt es ja noch viel zu tun. In der Tat, auch auf anderen Feldern. Zum Bei- spiel sindwir dabei, mit den Bezirken undmit an- deren städtischen Gesellschaften sowie mit der Berliner Immobilienmanagement GmbH einen Fahrplan zur energetischen Sanierung der landes- eigenen Immobilien zu erstellen. D ass die Qualität der BerlinerVerwaltung – sagenwir es mal freundlich – verbesserungswürdig ist, pfeifen die Spatzen seit Jahren von den Dächern. Die BerlinerWirtschaft trägt bereits einen Fusselbart, so lange redet sie auf Verwaltung und Politik ein, bringt Beispiele, macht Vorschläge, stellt Forderungen. Im letzten Jahr trug die Beharrlichkeit derWirtschaft erste Früchte, in- dem der Senat eine interdisziplinär zusammengesetzte Steuerungs- gruppe zur Verbesserung der Verwaltungssteuerung auf den Weg ge- bracht hat. Das Gremiumwurde mit dem Auftrag versehen, Defizite in der ge- samtstädtischen Steuerung zu identifizieren und möglichst konkrete Lösungen vorzuschlagen. Der Hut wurde Heinrich Alt, Vizepräsident der Bundesanstalt für Arbeit a.D. und Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit a.D., aufgesetzt. Ich lehne michwohl nicht zuweit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass die Ergebnis- se von Wirtschaft wie Politik mit Spannung erwar- tet wurden. Und siehe da, rechtzeitig, bevor das hei- ße Sommerwetter die Stadt in den Griff nahm, legte die Kommission das Alt-Papier vor. Der Name ist hof- fentlich nicht Programm, denn der Abschlussbericht bietet nach Auffassung der Wirtschaft eine gute Ba- sis, um bei der Modernisierung der Verwaltung nach Jahrzehnten des Stillstands endlich Flagge zu zeigen. Neuralgische Punkte wie ein professionelles Per- sonalmanagement, beschleunigte Genehmigungs- verfahren und vereinheitlichte Serviceangebote unter Nutzung der Digitalisierung werden klar benannt. Für meinen Geschmack hätte die Reaktion unseres Regierenden Bürgermeisters ent- husiastischer sein können als: „Der Senat wird die Vorschläge im Ein- zelnen prüfen und daraufhin bewerten, was sinnvoll umgesetzt werden kann.“ Und hier liegt der Hase im Pfeffer. Es muss jetzt tatsächlich um- gesetzt werden, und zwar zügig. Es liegen aufwendig erarbeitete Vor- schläge vor, die nicht demBerlintypischen Kompetenzgerangel zumOp- fer fallen dürfen. Hier ist es auch Aufgabe derWirtschaft, mit bewährter Beharrlichkeit den Umsetzungsdruck hoch zu halten. IHK und Kompe- tenzteam laufen sich schon warm. Wer sich das Alt-Papier näher anse- hen möchte, findet es auch unter: www.ihk-berlin.de/kompetenzteam Das Papier der Alt-Kommission bietet gute Ansätze zur Modernisierung der Berliner Verwaltung – jetzt muss es aber auch umgesetzt werden Der Theorie muss die Praxis folgen SEBASTIAN STIETZEL Vorsitzender des Kompetenzteams Mittelstand der IHK Berlin und Mitglied des Vorstands der Lumaland AG MITTELSTANDSKOLUMNE FOTO: FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG

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