Berliner Wirtschaft 12/2020

des: Wenn Menschen mit unterschiedlichen Per- spektiven aufeinandertreffen, entsteht Spannung. Im übertragenen Sinne sind kognitiv diverse Teams demnach Gruppen von Menschen, die an beiden Enden des Bandes ziehen. Je stärker sie das tun, je deutlicher sie also ihre jeweilige Meinung vertreten, desto mehr Spannung ent- steht zwischen ihnen. Psychologen nennen dieses Phänomen „Kognitive Friktion“. Die Schwierig- keit dabei ist, das richtige Maß des Konflikts zu finden. Artet er in persönliche Angriffe aus, schei- tert das Team– das Gummiband reißt. Doch rich- tig dosiert, ist die aktive Auseinandersetzung der Nährboden für Innovation. „It is about not getting along well“ – so kontraintuitiv und dennoch tref- fend beschreibt es Snow. Das mache den Unter- schied aus zwischen Teams, die bloß Potenzial haben, und solchen, die es auch nutzten. Unkonventionelle Ideen zu vertreten, ist nicht immer leicht. Tickt jemand anders als der Rest der Gruppe, werden die Menschen schnell ner- vös. Was besonders innovative Teams hier von anderen unterscheidet, ist der Umgang mit dieser Tatsache: Firmen wie Tesla animieren ihre Mit- arbeiterinnen und Mitarbeiter dazu, ihren Stand- punkt klarzumachen, unterschiedliche Perspek- tiven zu diskutieren und keine Angst davor zu haben, ungewöhnliche Ideen zu äußern – indem sie dafür ein sicheres Umfeld schaffen. Im ge- leakten Tesla-Mitarbeiterhandbuch heißt es etwa, jeder Mitarbeiter könne bis ganz nach oben zu CEO Elon Musk kommunizieren, wenn er Ver- besserungsvorschläge habe. Kognitive Diversität allein ist also nicht ausreichend – sie muss auch gefahrlos verbalisiert werden können. Ein smartes Ego kann sich zurücknehmen Das Problem mit Konflikten ist: Wir tragen sie aus wie einen Kampf, bei dem eine Seite gewin- nenmuss. Mit der Idee, dass unterschiedliche Per- spektiven zusammengehen können und dass erst daraus die eigentliche Innovation entsteht, tun wir uns hingegen oft schwer. Denn das erfor- dert intellektuelle Demut, also ein smartes Ego, das sich selbst zurücknimmt und bereit ist, seine Perspektive nicht als die einzig mögliche Lösung anzusehen – sondern als eine von vielen. Denn manchmal sind es genau die Teammit- glieder, von denenman es amwenigsten erwartet hätte, dass die einem zumDurchbruch verhelfen. Ganz sicher aber schafft das nicht die Person, die die Führungskraft am ehesten an sich selbst erin- nert. Und auch nicht die, die ganz genau in die Unternehmenskultur passt. ■ Die Autorin Katharina Wolff ist Gründerin von D-Level, einer Personalberatung für Digital-Führungs- kräfte. Bevor sie vor gut zehn Jahren ihr Unter- nehmen gründete, war sie vier Jahre lang in der Politik in Hamburg tätig und dort unter anderem für Netzpolitik und Gleichstellung zuständig. Melina Hanisch, Start-up-Koordinatorin der IHK Tel.: 030 / 315 10-527 melina.hanisch@berlin. ihk.de Link zur Website der Gründerszene Die Original-Version des Textes unter: gruenderszene.de 61 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 12 | 2020 SERVICE | Gründerszene

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