Berliner Wirtschaft 12/2020

Konflikte werden oft gemieden, können aber ein Motor der Innovation sein. Deswegen sind Mitarbeiter wichtig, die eigentlich gar nicht in die Unternehmenskultur passen von Katharina Wolff Unterschiede beleben das Ganze W er verstehen will, wie Innovations- teams entstehen, muss sich zunächst anschauen, was Teams zerstört. In einer Welt, in der Achtsamkeit, Yoga und Harmonie en vogue sind, ist der Konflikt negativ konnotiert. Keiner sucht ihn, alle ver- meiden ihn. Dabei sind es oft weniger die aus- getragenen Konflikte, die Teams auseinander- brechen lassen. Im Gegenteil: Was sie scheitern lässt, ist Schweigen. Denn ein Konflikt per se ist erst einmal nichts Schlechtes, sondern nur das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Perspek- tiven. Richtig gehandhabt, liegt in ihm ein mas- sives Potenzial für Wachstum. Menschenmit denselben Backgrounds, Denk- mustern und Perspektiven sehen immer nur die- selben Dinge. Scott E. Page, Professor für Manage- ment an der Universität Michigan, vergleicht das mit dem Bergsteigen: Wenn alle Teammitglieder an derselben Stelle imTal abgesetzt werden, kön- nen sie nur ein und denselben Weg zum Gipfel sehen, weil sie nur eine Perspektive haben. Wer- den aber ein paar von ihnen auf der anderen Seite des Gebirges abgesetzt, sind diese in der Lage zu sehen, dass es da vielleicht noch einen viel höhe- ren Gipfel gibt, der über einen ganz anderen Weg erreicht werden kann. Die Gipfel stehen hierbei für unterschiedliche Lösungen, die Wege für Innovation, die zu diesen Lösungen führt. Deswegen ist es falsch, immer nur Menschen einzustellen, die genauso ticken wie der Rest des Teams. Ein ebenso großes Missverständnis ist es, sehr unterschiedliche Menschen einzustellen, um oberflächlich dem Postulat von Diversität zu entsprechen – ihnen aber dann zu erklären, sie müssten sich alle der gleichen Unternehmens- kultur fügen, also den viel zitierten „Cultural Fit“ mitbringen. Zwar sollten die grundlegends- tenWerte der Zusammenarbeit zwischen Unter- nehmen und Mitarbeitern die gleichen sein. Doch darüber hinaus gilt: Je kognitiv diverser das Team, desto höher die Chance auf Innovation. Firmen sollten deswegen Köpfe einstellen, die auf den ers- ten Blick nicht in ihre Kultur passen, und sie zur bestehenden Unternehmenskultur hinzufügen. „Add-in“ statt „Fit-in“. Drei Bedingungen für Innovationsteams Daraus ergeben sich drei Bedingungen für ein innovativ arbeitendes Team: Kognitive Friktion, Mut durch Sicherheit und intellektuelle Demut. Umdie potenzielle Energie von Konflikten zu beschreiben, nutzt Shane Snow, Autor des Buches „Dream Teams“, die Analogie eines Gummiban- FOTOS: GETTY IMAGES/JORG GREUEL, FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG Unterschiedlich, aber dennoch oder gerade dadurch ein überzeugendes Ganzes – das macht auch innovative Teams aus SERVICE | Gründerszene 60 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 12 | 2020

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