Berliner Wirtschaft 12/2019

V ormEingang eines unscheinbaren Gebäu- des an der Rudower Chaussee zeigt ein Lageplan, dass die Standortentwickler im Südosten der Stadt Erstaunliches geleistet haben. Auf 420 Hektar errichteten sie am Wis- senschafts- und Wirtschaftsstandort Adlershof (Wista) sechs Technologie- und Gründerzent- ren mit mehr als 500 Hightech-Schmieden. Bis zur Wende saßen hier Forschungsinstitute der DDR-Akademie der Wissenschaften, das Fern- sehen der DDR und der VEB Kühlautomat. Heute trägt Deutschlands größter Technologiepark dazu bei, dass sich die Hauptstadt dank enger Verzah- nung vonWirtschaft und anwendbarer Forschung von Humboldt-Uni und außeruniversitären Ein- richtungen als zunehmend attraktiver Indust- riestandort positionieren kann. Allein 90Weltmarktführer tüfteln auf Spezial- gebieten an Produkten, umdie Probleme vonmor- gen zu lösen: Sie bauenWeltraumsatelliten, intel- ligente, mit Smartphone ansteuerbare Straßenbe- leuchtungen oder entwickeln Technologien, um Wasserstoff zu erzeugen. Insgesamt 1.150 Unter- nehmen mit mehr als 20.000 Mitarbeitern haben sich inzwischen auf dem gesamten Areal nieder- gelassen. „Die Unternehmen planen langfristig, wachsen überdurchschnittlich, schaffen Arbeits- plätze, und ihre Insolvenzquote ist mit zwei Pro- zent sensationell niedrig“, unterstreicht Dr. Peter Strunk von der Wista Management GmbH. Hatte sich die Industrie nach dem Zweiten Weltkrieg zugunsten weniger dicht bevölkerter Regionen aus den Städten zurückgezogen, rücken die heute als Standorte wieder in den Fokus. „In Metropolen werden deutlich mehr industri- elle Betriebe gegründet als in anderen Regionen Deutschlands“, sagt Prof. Dr. Martin Gornig, For- schungsdirektor Industriepolitik am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Beson- ders attraktiv seien dabei Berlin und München. „Die Nähe zu Forschungseinrichtungen und zur Kundschaft gewinnt in Zeiten des digitalenWan- dels an Bedeutung“, unterstreicht der Wissen- schaftler, der in einer Ende 2018 veröffentlich- ten Studie nachgewiesen hat, dass zwischen 2012 und 2016 in Großstädten und Metropolregionen in Relation zur Zahl der Beschäftigten im verarbei- tenden Gewerbe rund 40 Prozent mehr Industrie- betriebe gegründet wurden als im übrigen Land (siehe Interview S. 29). Reallabor der Energie- und Mobilitätswende Wie sich ein Zukunftsort für industrielle Inno- vationen mitten in der Stadt erfolgreich positio- niert, das macht die Euref AG seit 2008 vor. Rund um den Gasometer in Schöneberg versammelt das inhabergeführte Unternehmen von Reinhard Müller auf dem Euref-Campus rund 150 Unter- nehmen mit 3.500 Mitarbeitern, die sich in einer Art „Reallabor“ der Energie- undMobilitätswende widmen. Darunter finden sich Start-ups, Weltkon- zerne, Hidden Champions, die Technische Univer- sität mit vier Masterstudiengängen, Verbände und das Mercator Research Institute on Global Com- mons and Climate Change. 2020 bezieht zudem die Gasagmit 1.000 Beschäftigten ihre neue Unter- nehmenszentrale am historischen Standort. 2021 folgt die NBB Netzgesellschaft Berlin-Branden- burg mit 450 Mitarbeitern. „Die Idee eines Ener- gieclusters hat hier perfekt funktioniert“, findet Euref-Vorstandsmitglied Karin Teichmann. „Das ist wie 365 Tage Hannover Messe.“ Der Euref-Campus zieht weitere namhafte Player an: Unmittelbar benachbart am Bahnhof Südkreuz werden sich die Energieversorger Vat- tenfall und Engie niederlassen. „Für unseren 5,5 Hektar großen Campus haben wir eine Warte- liste“, so Teichmann. Als wichtigste Erfolgskrite- rien nennt sie eine thematische Fokussierung, eine Mischung aus etabliertenUnternehmen, Gründern sowie Forschung und Entwicklung, erschwingli- che Mieten und ein attraktives Umfeld. Auf dem Campus können die Mitarbeiter in fünf Restau- rants essen und im Fitnessstudio oder auf dem Volleyballfeld abschalten. „Kantinen sind nicht Grafik: BW, Quelle: Statistik Berlin-Brandenburg Berlins Pharma-Hersteller an der Spitze Die Branche erzielt die höchsten Umsätze. Nahrungs- und Futtermittelproduzenten zählen mehr Betriebe 11 Zukunftsorte bestehen in Berlin bereits oder sind geplant. Die Areale gelten als Keimzelle für industrielle Innovationen. Ein Überblick und weitere Informationen unter: zukunftsorte.berlin Arbeitsplatz Industrie Hersteller elektrischer Ausrüstungen haben in der Haupt- stadt die meisten Beschäftigten Elektrische Ausrüstungen Nahrungs- und Futtermittel DV-Geräte, elektron. und optische Erzeugnisse Andere Waren Metallerzeugnisse Weitere Industriezweige Pharmazeutische Erzeugnisse Datenverarbeitungsgeräte, elektron. u. opt. Erzeugnisse Nahrungs- u. Futtermittel Maschinenbau elektrische Ausrüstungen 23 96 109 58 50 7625 3126 2267 2136 1983 Zahl der Betriebe Gesamtumsatz in Mio. Euro FOTOS: EUREF AG/ANDREAS SCHWARZ, PIA/DPA % SCHWERPUNKT | Industrie 24 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 12 | 2019 Quelle: Statistik B-BB Grafik: BW 9 9 10 45 11 16

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