Berliner Wirtschaft 11/2020

Wegen Corona wurde die Insolvenzantragspflicht lange ausgesetzt. Doch die Regeln werden schärfer, die Aussetzung greift nur noch bei Überschuldung von Christian Rissmann Auf der Kippe D ie Meldung kursiert schon länger: Bun- desjustizministerin Christine Lambrecht möchte angesichts der Corona-Pande- mie die Aussetzung der Insolvenzan- tragspflicht verlängern. Denn Unternehmen, die coronabedingt in die Krise geraten waren, muss- ten seit März keinen Insolvenzantrag stellen. Aber das gilt seit Oktober nicht mehr uneingeschränkt, die Regeln für den Gang zum Insolvenzgericht sind wieder schärfer geworden. Zahlungsunfähige Unternehmen sind jetzt wieder verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen. Zahlungsunfähigkeit (§ 17 Abs. 2 InsO) ist gegeben, sobald ein Unternehmen mehr als zehn Prozent seiner fälligen Verbindlichkeiten in absehbarer Zeit (innerhalb von drei Wochen) nicht begleichen kann. Für Unternehmen hingegen, die überschul- det, aber nicht zahlungsunfähig sind, ist der Gang zum Insolvenzgericht weiterhin zunächst nicht notwendig. Als überschuldet gilt ein Unterneh- men dann, wenn sein Vermögen nicht mehr aus- reicht, um alle bestehenden Verbindlichkeiten zu decken. Der Insolvenzgrund der Zahlungsunfä- higkeit ist in der Praxis deutlich relevanter als der der Überschuldung. Von der weiteren Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung werden daher nur wenige Unternehmen profitie- ren. Die Schlagzeile „Aussetzung der Insolvenz- antragspflicht verlängert“ kann deswegen irre- führend sein. Um Strafbarkeits- und Haftungs- risiken zu vermeiden, gilt es daher zu handeln. Was Geschäftsführer nun tun müssen Die Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften wie AG, GmbH und UG mussten schon während der vorübergehenden Aussetzung der Insolvenz- antragspflicht alle notwendigen Maßnahmen zur Sicherung der Existenz der Gesellschaft treffen. Die Liquidität ist durch geeignete Maßnahmen bestmöglich zu sichern, gegebenenfalls kann hierzu auch auf das Paket staatlicher Hilfsmaß- nahmen zurückgegriffen werden. FOTOS: GETTY IMAGES/TETRA IMAGES, FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG Für viele Unternehmen sind die derzeitigen Bedingungen ein Balanceakt – auch wenn es um die Insolvenzantragspflicht geht SERVICE | Gründerszene 60 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 11 | 2020

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