Berliner Wirtschaft 11/2020

FOTO: GETTY IMAGES/KLAUS VEDFELT 1,12 Mrd. Euro Zuschüsse wurden an Soloselbstständige ausgezahlt. Infolge der Corona-Krise waren 154.366 Anträge eingegangen. Berlin hat die meisten Soloselbstständigen Anteil der Soloselbstständigen an den Erwerbstätigen nach Bundesländern Grafik: BW Quelle: Mikrozensus 2015, Stat. Bundesamt Wiesbaden 2016 » Z u Jahresanfang veröffentlichte der Versi- cherer HDI eine Studie, nach der Selbst- ständige zufriedener seien und im Job mehr Freude empfänden als Angestellte. Die Corona-Pandemie hat die Welt für viele auf den Kopf gestellt: „Ich denke, die wenigsten Selbstständigen verdienen dieses Jahr wirklich Geld“, so Fanny Leichmann, Gastronomin aus Mahlsdorf. Schon Anfang März gingen bei ihr Stornierungen ein: „Mir war schnell klar, wenn ich jetzt Schulden mache, dann war’s das. Darja Samdan, Psychologin und selbststän- dige Massage- und Körpertherapeutin, hatte sich viel für 2020 vorgenommen: „ImMärz wollte ich in die Vollselbstständigkeit gehen, dann kam das Arbeitsverbot. Mein vorher beantragter Grün- dungszuschuss wurde abgelehnt.“ Bei der Arbeits- agentur sagte man ihr, es wären genug Stellen für Psychologen auf dem Markt. Die Soforthilfe des Landes habe sie erhalten, von der Überbrü- ckungshilfe sei sie enttäuscht: „Die Bemessungs- grundlage passt nicht. Ich war im letzten Som- mer im Ausland zur Fortbildung und habe keine Einnahmen verzeichnet. Jetzt kann ich keine Verluste aufzeigen.“ Trotz aktuell besserer Auf- tragslage sucht Samdan nach Finanzierungswe- gen: „Meine Kredite belasten mich am meisten. Geht es gar nicht anders, wird meine Familie einspringen.“ Altersvorsorge ist aufgebraucht Auch der Medienberater Frank Straessner musste Corona-Hilfen beantragen: „Die erstenMonate des Jahres liefen super. Dann kam der März, und das Geschäft ging von 100 auf 0, mit Umsatzeinbußen von 90 Prozent. So ist es nach wie vor.“ Mit der Soforthilfe habe die IBB schnell und unkompli- ziert geholfen. Auch die Überbrückungshilfe der Bundesregierung wurde ihm bewilligt. Derzeit warte er noch auf Bewilligung eines KfW-Kre- dites. „Ich habe zwar Glück, dass ich keine gro- ßen Fixkosten habe. Aber die Rücklagen aus der Vergangenheit zehre ich aktuell komplett auf. Das sollte meine Altersvorsorge sein. Die ist weg“, erzählt Straessner. Berlin weist mit 11 Prozent bundesweit den höchsten Anteil an Soloselbstständigen in der Erwerbsbevölkerung auf. 2018 waren laut Amt für Statistik Berlin-Brandenburg in der Hauptstadt 277.400 Personen selbstständig, davon 207.800 selbstständig ohne Beschäftigte. Das Ifo-Institut konnte nachweisen, dass Selbstständige bun- desweit im Schnitt höhere Einbußen während Corona in Kauf nehmen mussten als abhängige Beschäftigte, die sich z.B. in Kurzarbeit befanden. Demnach konnten 61 Prozent der Selbstständi- gen während der Pandemie nicht oder nur ein- geschränkt arbeiten. Zahlen der Bundesagentur für Arbeit belegen sogar, dass in Berlin zwischen April und September 9.300 Selbstständige in die soziale Grundsicherung des ALG II aufgenom- men wurden. Das entspricht einemPlus von über 500 Prozent imVergleich zumVorjahreszeitraum. Frank Wiedenhaupt, Schuldner- und Insol- venzberater sowie Mitglied imVorstand der Bun- desarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e. V., berichtet, dass rund die Hälfte seiner aktuellen Mandanten Soloselbstständige sind. Die Sofort- hilfen des Landes seien genau richtig gewesen, bestätigt er. Im Frühjahr hatte die IBB über 1,1 Milliarden Euro imEiltempo an 154.366 beantra- gende Soloselbstständige ausgezahlt. Die meisten kamen aus der Kreativbranche, dem Dienstleis- tungssektor und demGastgewerbe. Hingegen sind nur 1.684 Anträge von Soloselbstständigen für die Überbrückungshilfe eingegangen, wonach 15,9 Millionen Euro ausgezahlt wurden. „Hier hätte man die Hilfen besser auf Basis entfallender Honorare gestalten sollen“, soWiedenhaupt. Dass bei der Überbrückungshilfe der Bundesregierung zwischen Betriebs- und Lebenshaltungskosten unterschieden werde, sei unpassend. Viele sei- ner Mandanten versuchen derzeit fieberhaft, ihr Unternehmen zu retten: „Schaffen sie das nicht oder bleibt ihre Tätigkeit weiterhin untersagt, 5% Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Nieder- sachsen, Mecklenburg-Vorp., Rheinland-Pfalz (jeweils) 6% Bayern, Bremen, Schleswig-Holstein, Sachsen, Hessen, Brandenburg (jeweils) 8% Hamburg 4% Sachsen-Anhalt, Thüringen (jeweils) 3% Saarland 11% Berlin Antragsteller, die größte Gruppe, waren Soloselbstständige aus dem Bereich Kunst, Unterhaltung und Erholung. 44967 51 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 11 | 2020 FACHKRÄFTE | Soloselbstständige

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