Berliner Wirtschaft 7 + 8 / 2020

Farina Schurzfeld, Gründerin Selfapy Selfapy bietet Online-Soforthilfe für Menschen, die unter psychischen Belastungen leiden. Ich habe das Un- ternehmen gegründet und bin CMO, das heißt, ich kümmere mich um das Thema Wachstum, also Marke- ting sowie Kooperationen und Inter- nationalisierung. Ich selbst habe keine spezifischen Herausforderungen zu bewältigen, weder vor noch während der Coro- na-Zeit. Aber für Frauen mit Kin- dern stelle ich es mir anspruchsvol- ler vor. Für mich gibt es auch keinen typisch weiblichen oder männli- chen Führungsstil und ich mag die Unterscheidung nicht, da sie meiner Meinung nach Rollenbilder eher fes- tigt. Ein guter Manager, egal ob Frau oder Mann, ist meiner Meinung nach selbstreflektiert, empathisch, för- dernd und führt individuell. Ich per- sönlich präferiere eine Mentorenrolle, denn sie bringt Freiheit und Verant- wortungsbewusstsein mit sich. Farina Schurzfeld plädiert dafür, die Visibiliät von Role Models zu etablieren Larissa Zeichhardt, Geschäftsführerin LAT Mein Vater ist an einem Herzinfarkt gestorben, und ich bin quasi über Nacht in das Familienunterneh- men gekommen. Meine Schwester Arabelle Laternser war bereits hier tätig, inzwischen führen wir ge- meinsam den Betrieb. LAT bietet vom Anlagenbau bis hin zur Video- überwachung Dienstleistungen und Produkte an, und wir haben zum Glück trotz Covid-19 genug Aufträ- ge gehabt. Eins der großen Probleme war die Situation für Eltern. Eine zuverlässige Kinderbetreuung ist die wichtigste Grundlage für einen erfolgreichen Arbeitstag. Gerade in den gewerblichen Berufen ist die Si- cherheit gefährdet, wenn Mitarbei- ter unausgeschlafen in die Nacht- schicht kommen, weil sie tagsüber auf ihre Kinder aufpassen müssen. Wir finden, die Länder und auch der Bund hätten für effektive Lösungen sorgen müssen. Das Elterngeld war meiner Meinung nach ein Freifahrt- schein für Unternehmen, die Mütter loswerden wollten. Kein Arbeits- platz kann acht Wochen unbesetzt sein, es wird also Ersatz gesucht. Die Entschädigung von maximal 2.016 Euro für bis zu sechs Wochen sagt im Grunde auch aus: Betreuung ist weniger wert als Arbeit. Jetzt haben wir übermüdete Eltern und Arbeit- geber, die überlegen, wie sie die Lü- cke zwischen Lohnkosten und Ein- nahmen schließen können. Dass Frauen nach wie vor stark benachteiligt sind, wird besonders bei der Verteilung von Führungspo- sitionen deutlich. Wir müssen nur die Zahlen lesen. Hier ist die Poli- tik gefragt. Zuallererst sollte sie die eigenen Reihen zu gleichen Teilen besetzen. Und außerdem: Es kann nicht sein, dass wir Frauen immer noch ein Mandat im Vorstand oder Aufsichtsrat abgeben müssen, wenn wir ein Kind bekommen. Wozu denn bis nach oben aufsteigen, wenn dann eh das Ende kommt? Das Elterngeld war ein Freifahrtschein für Unternehmen, die Mütter loswerden wollten. Fordert die Politik zum beherzten Handeln auf: Larissa Zeichhardt FOTOS: ANDRÉ WAGNER/IHK BERLIN, LAT.DE, JÜRGEN SENDEL PICTUREBLIND Ein guter Manager, egal ob Frau oder Mann, ist empathisch und selbstreflektiert. 49 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 07-08 | 2020 FACHKRÄFTE | Gleichstellung

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