Berliner Wirtschaft 1/2019

13 berliner wirtschaft 01 / 2019 agenda / Pro & Contra Die Immobilienbranche hat versagt. Statt eigentümergeführter Hand- werksbetriebe, Kunst- und Kulturor- te, sozialer Einrichtungen, bezahlbarer Werk- und Arbeitsräume dominieren Hotel- und Einzelhandelsketten, hoch- preisige Büroflächen, Fast-Food- und Kaffee-Franchisebetriebe unsere In- nenstädte. Hier wurde nicht nach Be- dürfnissen der Stadtgesellschaft gestal- tet, sondern der Profit maximiert. Und wir schauen hilflos zu, wie unsere Kie- ze an Charme und Identität verlieren. Wollen wir diese Entwicklung einfach weiter dem Markt überlassen? Stadtgesellschaft, Betreiber klei- ner Gewerbe und Immobilieneigentü- mer müssen sich wieder auf Augenhö- he begegnen, umbezahlbaren Raum für kiez-versorgende Gewerbe zu erhalten und zu schaffen. Ob eine Preisbremse das Allheilmittel ist, bezweifle ich. Aber in Kombination mit fachlich-juristi- scher Beratung für Gewerbemieter, ei- nemkleinräumigen Gewerbemietspie- gel und einem GBS (ähnlich demWBS) könnten wir die Unternehmen gezielt stärken, die unsere Kieze bereichern. Was in der Wohnungswirtschaft nicht funktioniert hat, soll jetzt auf Gewer- beobjekte übertragenwerden? Und da- bei ist „Wohnen“ einfacher als „Gewer- be“, denn bei Wohnungen handelt es sich um ein ziemlich homogenes Gut. Gewerbeflächen hingegen sind anViel- falt kaum zu übertreffen. Der Berliner kennt noch den Werbespruch: „Von Aalräuchereien bis Zylinderstifte“ – das alles ist Gewerbe. Das Atelier und die Anwaltskanzlei in den gleichen vier Wänden zahlen komplett unterschied- liche Mieten. Eine Deckelung der Mietpreise im Berliner Markt verkennt, dass es durch den lang ersehnten Boom in dieser Stadt nun auch Unternehmen gibt, die für ihre kostbarenMitarbeiter auch ent- sprechende Mieten in der Innenstadt zahlen. Übrigens: mit 19 Prozent Um- satzsteuer … Verkannt wird aber auch hier wie in der Wohnungswirtschaft, dass nur ein größeres Angebot preis- senkendwirkt. Die Gewerbemietpreis- bremse löst kein einziges Problem. Sie will ein sehr komplexes Symptom be- kämpfen und kann nur scheitern. Lutz Leichsenring Mitglied des Vorstands der Clubcommission Sebastian Blecke COO Gewerbesiedlungs- Gesellschaft mbH Hier wurde nicht nach den Bedürfnissen der Stadtgesellschaft gestaltet, sondern der Profit maximiert. Was in der Wohnungswirtschaft nicht funktioniert hat, soll jetzt auf Gewerbeobjekte übertragen werden? pro contra Barometer Soll die Gewerbemietpreisbremse greifen oder nicht? Ihre Meinung ist gefragt! berliner-wirtschaft.de/meinung/ gewerbemieten Preisbremse bei Gewerbemieten? In Berlin steigen nicht nur die Mieten für Wohnungen, sondern auch die für Gewerberäume. Weil der Bundesrat einen Verdrängungswettbewerb zulasten kleiner Unternehmen befürchtet, fordert er eine Preisbremse bei Gewerbemieten. FOTOS: YOUNG TALAENTS, IMAGO/SEELIGER, GEWERBESIEDLUNGS-GESELLSCHAFT MBH

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