Berliner Wirtschaft Juli/August 2021

Als engagierter Unternehmer und zweimaliger Präsident der IHK Berlin prägte Walter W. Cobler die Wirtschaftsgeschichte der Nachkriegszeit von Björn Berghausen (BBWA) Bekenntnis zu West-Berlin K leine Teile haben oft großeWirkung. So ist die Entwicklung der Belüftung oder gar Klimatisierung von Räumen ohne Ven- tilatoren undenkbar. Die ersten elekt- risch betriebenen Ventilatoren kamen in den 1880er-Jahren auf den Markt, aber mit dem Ein- satz der „Trommelläufertechnik“ entwickelte Otto Steltzner einen besonders leisen Ventilator, der auch dort eingesetzt werden konnte, wo sichMen- schen dauerhaft aufhielten. Sein Arbeitgeber, die Taifun Ventilatoren AG, die auch Zyklonen, Rohr- leitungen und Panzerschränke herstellte, konnte sich damit schnell etablieren und etwa den Keller des Berliner Stadtschlosses ausstatten. 1914 übernahm Willi Cobler (1876-1946) das Unternehmen, das in die Turbon Ventilatoren GmbH umfirmierte und im Ersten Weltkrieg die neuartige U-Boot-Waffe mit stillen Ventilatoren versorgte. 1923 zog die Turbon nach Reinicken- dorf, wo u. a. Lüfter für Transportschiffe herge- stellt wurden. Turbon profitierte einerseits von der Rüstungspolitik der Nationalsozialisten, anderer- seits geriet Willi Cobler in das Fadenkreuz der Ras- senverfolgung, denn er war alsWilli Cohn geboren und 1933 in die evangelische Kirche eingetreten. 1936 übernahm sein SohnWalter W. Cobler (1908- 1979) die Geschäftsführung. Bis zu 1.000Mitarbei- ter zählte das Unternehmen, darunter im Krieg auch 60 Zwangsarbeiter. Der Neuanfang nach der Demontage begann mit zwölf Mitarbeitern und der Fertigung von Kuchenblechen. Mit der Expertise der Blechbearbeitung baute Turbon eine erfolgreiche Automatensparte auf – Briefmarken, Zigaretten, Kaugummis und Süßigkeiten bekam man inWestberlin aus Turbon-Warenautomaten: „Jederzeit verkaufsbereit“. Mit seinen Ventilatoren eroberte Turbon wieder fünf Prozent deutschen Marktanteil, ehe die Konzentration der Branche Cobler 1969 zumVerkauf an Babcock zwang. 1975 schloss das Werk in Reinickendorf. Walter W. Cobler gelang der Neuanfang auch wegen seines kommunikativen Talents: Er initi- ierte ein Unternehmernetzwerk im französischen Sektor, war beteiligt an der Neugründung der IHK, saß demWirtschaftsverband Eisen-, Maschinen- und Apparatebau (WEMA) vor und in zahlreichen Aufsichts- und Beiräten. 1968 und 1972 wurde er zweimal einstimmig zum Präsidenten der IHK Berlin gewählt und setzte sich stark für die Stadt ein. Sein Bekennt- nis zuWestberlin fand Ausdruck in den umfang- reichen Investitionen in sein Unternehmen. ■ FOTOS: BBWA (2), IHK BERLIN Oben: Die Turbon- Werke produzierten bis 1975 Ventilatoren und Automaten für Zigaretten und Süßigkeiten Unten: Walter W. Cobler, hier verewigt von dem Porträtmaler Günter Rittner Zugang zum Wirtschaftsarchiv Die Bestände des Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftsarchivs (BBWA) können nach Verein- barung eingesehen werden. Kontakt und Infos: bb-wa.de 43 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 07-08 | 2021 BRANCHEN | Historie

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