Berliner Wirtschaft Juli/August 2021

Im laufenden Wahlkampf werden wir die Posi- tionen der Wirtschaft immer wieder lautstark ansprechen und auf die Aufnahme unserer Vor- schläge in einem möglichen Koalitionsvertrag hinarbeiten.“ Wohnungsbau erleichtern, Gewerbe sichern Steigende Mieten, stockender Wohnungsneubau, immer höhere Preise für Eigentumswohnungen: Die Probleme auf demBerliner Immobilienmarkt dürften zu einem zentralen Thema des Wahl- kampfs werden. Die Politik, so der Vorschlag der IHK, müsse auf die Immobilienbranche zugehen, damit die Engpässe amBerliner Wohnungsmarkt beseitigt werden können – die Schaffung neuen Wohnraums könne nur gemeinsam mit der pri- vaten Wohnungswirtschaft gelingen. Eingriffe wie restriktiveres Baurecht, ver- mehrter Ausweis von Milieuschutzgebieten, Mietendeckel, Vorkaufsrecht oder drohende Enteignungen von Immobilienkonzernen soll- ten unterbleiben. Dagegen müssten Beschleu- nigungspotenziale beim Wohnungsbau genutzt werden: einheitliche Vorgaben bei Planungspro- zessen zum Beispiel, ausreichendes Personal in den Planungsämtern oder vereinfachte Bedin- gungen, um höher und dichter bauen zu kön- nen. Gleichzeitig sollten innerstädtische Quar- tiere gestärkt und die Verdrängung von Gewerbe verhindert werden. „Die Politik könnte Rahmenbedingun- gen entwickeln, die die Immobilienwirtschaft dabei unterstützen, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen“, sagt Jana Mrowetz, Geschäftsführe- rin der GIBE Real Estate GmbH und Mitglied der IHK-Vollversammlung. „Wir hören immer nur von der Mietpreisbremse. Wo ist zum Beispiel die Baulandbremse? Warumwerden nicht die Preise für Bauland reguliert oder zum Beispiel Projekt- entwickler unterstützt, die tatsächlich auf ihren Grundstücken bauen, statt diese nur spekulativ weiterzuverkaufen?“ Die teilweise extrem langen und aufwendigen Prozesse in der Verwaltung, so Unternehmerin Mrowetz, führten zudem zu steigenden Kosten, die Wohnungen kaum noch bezahlbar machen. „Bis 2030 nehmen wir uns vor, 200.000 neue Wohnungen zu bauen“, sagt die Spitzenkandida- tin der SPD, Franziska Giffey, „das können wir gemeinsam mit allen Partnern erreichen: den städtischenWohnungsbaugesellschaften und den Genossenschaften, aber auch den privatenWoh- nungsunternehmen.“ Ein starkes „Bündnis für Wohnungsneubau Berlin“ soll auf Zusammenar- beit und nicht auf Enteignung setzen. „Wir müs- sen aber ebenso dafür sorgen, dass die bereits hier lebenden Berlinerinnen und Berliner nicht aus ihren Mietwohnungen verdrängt werden.“ Auch die Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch will „bauen, bauen, bauen“. Das allein reiche aber nicht: „Die soziale Frage wird im Bestand gelöst.“ Deshalb brauche es mehr Mietenregulierung: „Dafür werden wir neue Lösungen suchen.“ Auch Dr. Klaus Lederer, Spitzenkandidat der Linken, würde alle Möglichkeiten nutzen, regulierend in den Wohnungsmarkt einzugreifen. „Wir wol- len die öffentlichen Wohnungsbestände durch bezahlbaren Neubau, Ankauf und eine Vergesell- schaftung der großen privaten Immobilienkon- zerne massiv ausweiten.“ „Untaugliche Instrumente wie Enteignungen und Mietendeckel bringen uns kein Stück weiter“, sagt CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner, „stattdes- sen brauchen wir ein Bündnis für bezahlbares Bauen und Wohnen mit Vertretern der öffent- lichen und privaten Wohnungswirtschaft, der Mieterinnen und Mieter, der Berliner Bauunter- nehmen, der Genossenschaften und der Politik und Verwaltung – alle Akteure gehören an einen Tisch, um gemeinsam Lösungen zu entwickeln, die für alle funktionieren.“ Bis zum Jahr 2035 will Wegner mit der CDU mindestens 300.000 neue Wohnungen bauen lassen. Dafür brauche es mehr Bauland, weniger Bürokratie und schnel- lere Baugenehmigungen. Für eine Entrümpelung der Bauordnung spricht sich auch FDP-Spitzenkandidat Sebastian Czaja aus – möglich gemacht werden müsse „genehmigungsfreier Dachgeschossausbau, Ein- führung einer Typenbaugenehmigung, Aktivie- rung von Bauland in Bundesbesitz, Digitalisie- rung von Planungs- und Genehmigungsprozes- sen oder Einführung eines Baulückenkatasters“. Und das Modell der Wohnungsmietergenossen- schaften will der Freidemokrat auf Gewerbetrei- bende übertragen. „Die Investitionsbank Berlin soll die Finanzierung mit 10 Prozent des Kauf- preises über Darlehen unterstützen.“ Um die Wohneigentumsquote in Berlin zu erhöhen, regt die AfD-Spitzenkandidatin Dr. Kristin Brinker an, die Grunderwerbssteuer auf 3,5 Prozent zu senken. „Hinzu kommen ein- malige Freibeträge von 100.000 Euro für jeden Erwachsenen und 50.000 pro Kind.“ Eine Sen- kung der Wohnnebenkosten könnte mit der voll- ständigen Abschaffung der Grundsteuer und Matthias Patz Leiter Innovation&  New Ventures, DB Systel GmbH Der IT-Manager bei der Bahn-Digital­ tochter DB Systel ist Vorsitzender des Aus- schusses Innovation und Technologie sowie des Kuratoriums der Technologiestiftung Berlin. Digitalisierung und der Ausbau der technischen Infra- struktur sind seine Themen. Matthias Patz Berlin liegt mit seiner Glasfaser- Anschlussquote weit hinter Köln, Hamburg und München. » neue Wohnungen will die CDU bis 2035 schaffen, die SPD rechnet mit 200.000 Einheiten bis 2030. 300.000 40% CO2-Emissionen hat Berlin seit 1990 ein- gespart, maßgeblich durch das Engagement der Hauptstadt-Unter- nehmen. FOTO: CHRISTIAN KIELMANN SCHWERPUNKT | Wirtschaft und Wahl 20 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 07-08 | 2021

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