Berliner Wirtschaft Juli/August 2021

gert. „Tempo, Tempo, Tempo, eine bessere Ausstat- tung und mehr Digitalisierung in den Behörden sowie eine stärkere Priorität für das Thema Kli- maschutz sind das Gebot der Stunde“, so Kapferer. Ob der Green Deal überhaupt bis 2050 zu schaffen sei, wollte Eder zumAuftakt der Diskus- sionsrunde wissen. Für Kapferer ist das technolo- gischmit klarerer Fokussierung und Priorisierung kein Problem. „Die Frage ist aber, ob wir das öko- nomisch schaffen. Was bedeutet die Priorisierung für die Finanzmittel an anderer Stelle wie Sozi- alsysteme oder Bildungsinvestitionen? Wir kön- nen ja jeden Steuer-Euro nur einmal ausgeben.“ Und wenn der CO 2 -Preis steige, werde Energie für viele Unternehmen teurer. Damit stelle sich die Frage der Wettbewerbsfähigkeit. Dass die Energiewende ohne Kohle und Atomkraft erreicht werden könnte, hält Kapfe- rer für möglich. „Mit der Bullerbü-Mentalität ist das allerdings nicht zu schaffen.“WennMenschen glaubten, dass Berlin den steigenden Strombedarf für Wärme, Mobilität, Produktionmit ausschließ- lich hier produziertem Strom decken könnte, sei das illusorisch. „Wir müssen die Strommärkte grenzüberschreitend miteinander verknüpfen, und am Ende wird das kein System sein, das nur mit Solar und Wind funktioniert, weil wir noch keine Speichertechnologie haben, sondern wir werden Back-up-Kapazitäten auf der Basis von grünemWasserstoff brauchen.“ Das bedeute aber ein gigantisches Investitionsprogramm. Brennstoffzellen werden wichtiger Ob Kapferer Wasserstoff und/oder Batterietech- nologie für die Zukunft der Mobilität halte, wollte von Publikumsseite Rechtsanwalt Axel Wunschel wissen. Man sehe gerade einen enorm dynami- schen Prozess bei der Weiterentwicklung beider Energieträger, so der CEO von 50Hertz. Die Batte- rien hätten gleichwohl in der Automobilindustrie einen Startvorteil, weil die Hersteller auf diese Technologie setzten. Zuletzt habe sich zudem die Reichweite der Fahrzeuge enorm verbessert. Ein anderer Teilnehmer wollte wissen, wel- che Bedeutung Kapferer Brennstoffzellen bei- misst. „Sie werden eine wichtige Rolle spielen. Wir haben in Deutschland Stand heute etwa zwölf Millionen Heizungssysteme, die auf Gas und Öl basieren. Will man klimaneutral werden, darf man diese nicht mehr betreiben.“ Solle das Ziel bis in den verbleibenden 8.859 Tagen erreicht werden, müsse man theoretisch ab sofort jeden Tag 1.333 Heizungen umrüsten. Mit energetischer Sanie- rung funktioniere das nicht. Die Brennstoffzelle könne ein Faktor sein, sei zwar noch sehr teuer, aber es gebe sehr hohe Zuschüsse vom Bund. Strompreis nicht wettbewerbsfähig Eder rechnete schließlich vor, dass die deutschen Stromverbraucher 40 Mrd. Euro an gesetzlichen Steuern und Abgaben zahlen. Nur der guten deut- schen Wirtschaftsleistung sei es zu verdanken, dass wir uns diesen Preis überhaupt leisten könn- ten. In Wahrheit sei der Strompreis nicht wett- bewerbsfähig, was ein großer Standortnachteil sei. Ob sich der Preis irgendwann wieder zurück- entwickle? „Der Strompreis ist zu hoch“, pflich- tete Kapferer dem IHK-Hauptgeschäftsführer bei. Konsens sei, dass die EEG-Umlage gegen null sinken solle, indemman die Einnahmen aus der CO 2 -Bepreisung verwende. „Das wirdmassiv hel- fen.“ Ein großes Problem sei, dass die Preisbildung amStrommarkt nicht dazu führe, dass Investoren verlässlich planen könnten. ■ Stefan Kapferer Mit der Bullerbü- Mentalität ist das nicht zu schaffen. Stefan Kapferer (l.) und IHK-Hauptge- schäftsführer Jan Eder diskutierten vor Ort, das Publikum war digital dabei FOTO: CHRISTIAN KRUPPA AGENDA | Digitales Wirtschaftsgespräch

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