Berliner Wirtschaft 6/2018
BERLINER WIRTSCHAFT 06/18 52 UNTERNEHMEN & MÄRKTE EU im Schatten des Brexit Hochkarätig besetzte Gesprächsrunde: EU-Kommissar Günther Oettinger und Experten aus Brüssel, Berlin und London zu Gast im Ludwig Erhard Haus » Von Melanie Engler und Dr. Valentina Knezevic D er anstehende Brexit sorgt fürUnsicherheitinderWirt- schaft, wie auch die DIHK- IHK-Unternehmensum- frage „Going International 2018“ mit einer Sonderauswertung zum Brexit belegt. Folgende Fragen stehen im Fokus: Ist mit dem Brexit ernsthaft zu rechnen? Kommt es zu einem wirtschaftsfreund- lichen Freihandelsabkommen, oder fällt der gemeinsame Handel auf WTO-Re- geln zurück? Und: Wie schließt die EU die Brexit-Lücke im Haushalt? Das Außenwirtschaftspolitische Ge- spräch mit EU-Kommissar Günther Oet- tinger und Brexit-Experten aus Brüssel, Berlin und London vor etwa 100 Unter- nehmern Anfang Mai im Ludwig Erhard Haus gab nicht alle, aber viele Antworten auf die drängendsten Fragen zum Brexit. EU-Kommissar Oettinger leitete das Pro- grammmit einem anschaulichen Finger- zeig auf das aktuelle weltpolitische Ge- schehen ein: Diewirtschaftsliberale Ord- nung der EU werde derzeit durch das Trumpsche Regierungsprinzip „divide et impera“, die internationalen Krisenher- de, ein aufstrebendes China sowie den Brexit infrage gestellt. Diesen Herausfor- derungen stelle man sich in der EU auch mittels des gerade in Brüssel eingereich- ten Entwurfs zum EU-Finanzrahmen 2021–2027 – dem ersten Entwurf oh- ne den Beitrag Großbritanniens von et- wa 12 Mrd. Euro jährlich. Die EU-27 muss ein doppeltes Kunststück vollziehen: ei- ne maximale Mittelakquise unter neuen Vorgaben bei gleichzeitiger Kürzung der Gesamtmittel. Die EU investiere laut Oet- tinger noch stärker in Bereichen, in denen ein Mitgliedstaat allein nichts bewirken kann – zum Beispiel Forschung, Migra- tion, Grenzkontrolle oder Verteidigung. Gleichzeitig finanziere man weiterhin traditionelle – aber nun zu modernisie- rende und zu konsolidierende – Politik- felder wie die Gemeinsame Agrarpolitik und die Kohäsionspolitik. Dochwas heißt das konkret für Unternehmen mit Ge- schäftsbeziehungenmit Großbritannien? Der Dialog in der IHK hat eindrucks- voll die Gegensätze zwischen London und Brüssel aufgezeigt. Während der stellvertretende Botschafter Großbri- tanniens, Robbie Bulloch, die offizielle UK-Position vertrat – eine über wirt- schaftspolitische Sonderwege herbeizu- führende enge Anbindung an die EU zu gewährleisten –, zeigten sich die Vertre- ter der EU- und Bundespolitik in punc- to „Rosinenpickerei“ unnachgiebig: Zwi- schen Norwegen (EFTA-Status) und Ka- nada (CETA-Abkommen) – da liege nur der Atlantik, sagte Dr. Peter Ptassek vom Auswärtigen Amt. Einen Verbleib im eu- FOTO: RICARDA SPIEGEL Die Lücke im Haushalt der EU muss zur einen Hälfte durch Kürzungen und zur anderen Hälfte durch Einnahmeerhöhungen geschlossen werden. GÜNTHER OETTINGER EU-Kommissar für Haushalt und Personal EU-Kommissar Günther Oettinger (r.) mit IHK-Präsidentin Dr. Beatrice Kramm und DIHK-Haupt geschäftsführer Dr. Martin Wansleben
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MzI1ODA1