Berliner Wirtschaft 6/2018
BERLINER WIRTSCHAFT 06/18 50 UNTERNEHMEN & MÄRKTE Einer der we- nigen Berliner Musikfachhändler: Gregor Bosch, Filialleiter von Cantus Riedel Hier spielt die Musik Der Handel mit Instrumenten, Noten und Tonträgern ist nahezu aus dem Stadtbild verschwunden, Fachkräfte gibt es kaum noch. Umsätze finden im Netz statt – Tendenz steigend » Von Dr. Mateusz Hartwich V ier. Diese Zahl sagt einiges über den Zustand des Mu- sikfachhandels aus, auch wenn sie nur einen Teilas- pekt der Branche beschreibt. Genau vier angehende Fachkräfte werden aktuell in Berlin als Musikfachhändler ausgebildet. Bundesweit sind es übrigens 58 (2016). Man könnte einwenden: Azubis sind noch lange kein Gradmesser. Kaum ei- ne andere Sparte des Facheinzelhandels ist jedoch derart aus dem Stadtbild ver- schwunden wie der Musikalienhandel. Waren Spezialgeschäfte noch vor zehn Jahren in guten Lauflagen vertreten, sind CDs heute fast nur noch in Multimedia- abteilungen von Warenhäusern und Elektronikmarktketten verfügbar. Und natürlich im Internet – und dawärenwir auch beimKern des Problems. Es ist kein Geheimnis, dass ein beträchtlicher Teil des Umsatzes ins Netz abgewandert ist. Innerhalb von 15 Jahren hat sich der Ab- satz von CD-Alben in Deutschland mehr als halbiert. Mit dem anhaltenden Sieges- zug der Streamingdienste wird sich die- ser Trend noch verstärken. Der Gesamt- verband Deutscher Musikfachgeschäfte (GDM) errechnete, dass bereits 66 Prozent der Umsätze imInternet stattfinden (Kauf physischer Tonträger und Streaming zusammen), ein Drittel stationär. Sie werden jetzt sagen: Aber die Schallplatte erlebt gerade ein Revival! Das stimmt, die Umsätze steigen wieder. Bei einem Volumen von 70 Mio. Euro im Jahr sind Vinylverkäufe jedoch eine Ni- sche in der Tonträgerbranche (7,1 Pro- zent) und eine Marginalie im Musik- fachhandel. Diesen schätzt der Fach- verband auf 1,2 Mrd. Euro (2015), wobei er streng genommen den Handel mit Instrumenten und Noten umfasst. Nur am Internet wird es nicht liegen, sonst wäre der „weltgrößte Online-Shop Logistik, bei Innovationen und auch im IT-Bereich. Was sie allerdings nicht ha- ben, sind Produktspezialisten und die Liebe zu den Produkten, die sie vertrei- ben“, lässt sich der Inhaber zitieren. Da kämen wieder die Fachkräfte ins Spiel. Gregor Bosch, Filialleiter von Cantus Riedel in der Bismarckstraße, winkt ab: Quereinsteiger seien ihm fast schon lieber. Bewerber müssten eher eine große Affinität mitbringen. Torsten Uhlmann, der in seinem Guitar Shop auch ausbildet, bestätigt. In der Branche seien nur „Freaks“ tätig, Musikliebhaber. Auf die formelle Bildung käme es nicht mehr an. 681 Handelsunternehmen mit dem Schwer- punkt Noten, Instrumente und Tonträger zählt die IHK Berlin. für Musikinstrumente“ (laut „Welt“) nicht ein fränkischer Mittelständler, Hans Tho- mann. Aus dem 1954 entstandenen Mu- sikhaus ist ein Unternehmen mit 700 Mio. Euro Jahresumsatz geworden. „Amazon macht einen guten Job in der FOTO: PRIVAT
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