Berliner Wirtschaft 6/2018
BERLINER WIRTSCHAFT 06/18 32 IHK AKTUELL & SERVICE FOTO: IHK BERLIN/MELINA HANISCH Scheitern als Chance: die Fuckup Night Berlin 2018 im Ludwig Erhard Haus R eden über sich und seine Ge- schäftsideen – das tun Un- ternehmer in der Regel gern. Was aber, wenn es darum geht, über sein eigenes wirtschaftliches Scheitern zu sprechen? Und das auch noch vor Hunderten von fremden Leu- ten? Dazu gehört Mut. Denn obwohl Scheitern zum Unternehmersein dazu- gehört – von zehn Start-ups überlebt nur eins –, ist das Thema nach wie vor ne- gativ besetzt. Dass viele der heute erfolg- reichen Unternehmer sich anfangs nicht hatten durchsetzen können, gerät oft in Vergessenheit. Die Initiatoren der Fuckup Nights wollen mit diesem schlechten Image des Scheiterns aufräumen und eine neue Fehlerkultur schaffen – und treffen da- mit den Nerv der Zeit. Die 2012 in Mexi- ko gegründete Bewegung hat inzwischen Ableger in 252 Städten weltweit. Und seit naten Entwicklungszeit stand der erste Prototyp, und bald darauf ließ er seine Maschinen von einem Partner im Aus- land produzieren. Im Nachhinein stellt Stier fest, dass die Entwicklungszeit zu kurz und die Auswahl des Partners falsch waren. Kunden berichteten von aus- laufendem Wasser und Stromschlägen, die die Kaffeemaschine auslöste. Zu- nächst versuchte das Start-up, den Scha- den selbst zu reparieren, bis Stier 2013 schließlich Insolvenz anmelden musste. Ermutigung durch das Team In dieser schwierigen Zeit waren es sein Team und seine Freunde, die den Unter- nehmer ermutigten undweiterhin an ihn und seine Idee glaubten. Schließlich star- tete er noch im selben Jahr einen neuen Versuch und sammelte über die Crowd- funding-PlattformKickstarter knapp fünf Mio. Euro ein. Seitdem konnte er weitere Investoren überzeugen und die Maschi- ne schließlich bis zur Serienreife entwi- ckeln. Stier sagt heute, er bereue keine Sekunde, und rät allen, möglichst schnell zu scheitern, um daraus zu lernen. Auch die weiteren Sprecher inspi- rierten mit ihren Geschichten. Pascal Keller rief dazu auf, mutig zu sein und sich nicht von seiner eigenen Angst bremsen zu lassen. Achim Schulz zeigte auf, wie er sich nach mehreren Rück- schlägen immer wieder aufraffte und vom Mountainbike-Ladenbesitzer zum Coach wurde. Alle Geschichten zeigten, dass wirt- schaftliches Scheitern keine Sackgasse ist – und dass man sich mit der richtigen Einstellung aus noch so schwierigen Situ- ationen herauskämpfen kann. 2014 die Fuckup Night Berlin zum ers- ten Mal stattfand, hat sich das Format stetig weiterentwickelt. Mit der 23. Aus- gabe am 20. April erreichte es einen vor- läufigen Höhepunkt. Rund 350 Besucher kamen in den Großen Konferenzsaal des Ludwig Erhard Hauses, um sich mit dem Scheitern zu befassen. Insolvenz muss nicht das Ende sein Mit dabei war ein Sprecher der ersten Stunde: Hans Stier, Gründer des Kaffee- maschinen-Start-ups Bonaverde, trau- te sich bereits zum zweiten Mal auf die Bühne, um seine Geschichte zu teilen. Sein Beispiel zeigt, dass auch eine Insol- venz nicht das Ende einer Geschäftsidee bedeuten muss. Inspiriert von dem Vorhaben, eine Kaffeemaschine zu entwickeln, die rös- tet, mahlt und brüht, gründete Stier 2010 sein Unternehmen. Nach nur zehn Mo- Versagen war gestern Fuckup Night Berlin im Ludwig Erhard Haus: Die Erfahrungen von Unternehmern zeigen, dass Scheitern eine Chance sein kann, es beim nächsten Mal richtig zu machen » Von Melina Hanisch
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