Berliner Wirtschaft Dezember 2025

Berliner Dom (l.) in der Bauphase und das Hauptpaketpostamt (r.): nur zwei Beispiele des großen Outputs von Held & Francke. Karl Pieler (kleines Bild) war Ende der 1920er-Jahre Industriebau-Chef Wer an der Wende zum 20. Jahrhundert durch das Zentrum Berlins flanieren wollte, musste zahlreichen Baustellen ausweichen, denn nach der Reichsgründung begann die Hauptstadt des Deutschen Reiches, sich auch baulich zu verändern. Berliner Dom (1894–1900), Neuer Marstall (1896–1901, heute Zentral- und Landesbibliothek), Preußischer Landtag (1892–1899, heute Bundesrat), das heutige Bode-Museum (1898–1904), Staatsbibliothek Unter den Linden (1903–1914), Kaiser-­ Wilhelm-Akademie (1905–1910, heute Bundeswirtschaftsministerium), im „Neuen Westen“ die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche (1891–1895) – sie und weitere prominente Bauten entstanden fast alle innerhalb eines Jahrzehnts und hatten noch etwas gemeinsam: Errichtet wurden sie von Held & Francke. Das Bauunternehmen war im Rausch der Gründerjahre 1872 durch den Maurermeister Otto Held und den Kaufmann August Francke gegründet worden und wurde erst 1906 zur AG umgewandelt. Der Konzern profitierte von Staatsaufträgen, errichtete aber auch Banken, Fabriken und Privathäuser. Während der Weimarer Republik erschloss die AG neue Märkte in West- und Süddeutschland, unter anderem entstand 1921 eine Niederlassung in München. Ab Mitte der 1920er-Jahre begann die ehemals schlesische Industriebau AG damit, heimlich Aktien von Held & Francke zu kaufen, und hatte 1927 die Mehrheit erworben. Unter Federführung des Industriebau-Chefs Karl Pieler fusionierten beide zum neuen Konzern Industriebau Held & Francke, der aber die Weltwirtschaftskrise mangels Aufträgen – 85 Prozent aller Bauarbeiter waren arbeitslos – nicht überstand und 1931 aufgeben musste. Nur die Münchener Niederlassung konnte in den 1930er-Jahren durch Staatsaufträge im Bereich Infrastruktur und Rüstung wieder wachsen. Erst 1985 wurde wieder eine Niederlassung in Berlin gegründet. Die IHK teilte dem Senator für Bau- und Wohnungswesen am 1. November 1985 erfreut mit: „Damit kehrt ein sehr altes Unternehmen wieder nach Berlin zurück.“ 1990 erwarb der Holzmann-Konzern das Unternehmen als Tochtergesellschaft und führte es als Philipp Holzmann – Held & Francke AG fort, ehe Holzmann selbst 2002 Insolvenz anmelden musste. Der Firmenname Held & Francke aber überlebte auch diesen Crash und wird in Österreich fortgeführt. Man kann sagen: An den Ausführungen des Publizisten Karl Scheffler im Buch „Berlin – ein Stadtschicksal“ von 1910 war Held & Francke maßgeblich beteiligt: „Berlin ist dazu verdammt, immerfort zu werden und niemals zu sein.“ ■ Das Bauunternehmen Held & Francke gab Berlin mit zahlreichen Wahrzeichen ein neues Gesicht, aber auch einen Vorgeschmack auf eine Stadt, die niemals fertig ist von Björn Berghausen (BBWA) Immerfort im Werden Zugang zum Wirtschaftsarchiv Die Bestände des Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftsarchivs (BBWA) können nach Vereinbarung eingesehen werden. Kontakt und Infos: bb-wa.de FOTOS: BBWA Historie | 41 Berliner Wirtschaft 12 | 2025

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