Michael Biel Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe Migrantische Unternehmen und Menschen mit Migrations- hintergrund sind in Berlin in allen Bereichen aktiv. FOKUS | Migrantische Wirtschaft | 20 Berliner Wirtschaft 12 | 2024 „Die migrantische Wirtschaft spielt für den Wirtschaftsstandort Berlin eine entscheidende Rolle und leistet einen wichtigen Beitrag zur Vielfalt und Innovationskraft der Stadt“, sagt Nicole Korset-Ristic, Vizepräsidentin der IHK Berlin. „In Berlin hat fast jeder Vierte eine nicht deutsche Staatsangehörigkeit, und die Zahl der Menschen mit Migrationshintergrund ist noch höher, wenn man Deutsche mit Zuwanderungsgeschichte berücksichtigt.“ Im vergangenen Jahr betrug der Ausländeranteil in Berlin 23,3 Prozent – bundesweit kam er auf 15,2 Prozent. Die größte Gruppe der Ausländer nach Staatsangehörigkeit stellen in Berlin die Türken mit fast 117.000 Menschen – hinzu kommen weitere rund 100.000 eingebürgerte Personen mit türkischem Migrationshintergrund. Zudem sind in der Stadt 66.500 polnische Staatsbürger, knapp 37.000 russische, 36.000 italienische und beinahe 33.000 bulgarische Staatsbürger gemeldet. Aus Indien kommen über 30.000, aus Rumänien fast 29.000 und aus Vietnam rund 28.000 Einwanderer. „Die wirtschaftlichen Aktivitäten von Migrantinnen und Migranten spiegeln diese Diversität wider“, so IHK-Vizepräsidentin Korset-Ristic, „und stärken die Berliner Wirtschaft durch eine hohe Gründungsdynamik.“ Allein unter den Mitgliedsunternehmen der IHK Berlin hat jedes fünfte eine Geschäftsführerin oder einen Geschäftsführer beziehungsweise eine Inhaberin oder einen Inhaber mit ausländischem Pass. Noch größer ist der Anteil Unternehmender mit Einwanderungsgeschichte. Das Spitzentrio: 8.251 IHK-Mitgliedsunternehmen stehen unter polnischer Leitung, 7.866 werden von türkischen Staatsbürgern geführt – darunter Dilek Dönmez, deren Firma Özcan Getränke GmbH zu den führenden deutschen Herstellern des Trinkjoghurts Ayran gehört und die mit ihrem Vater Mehmet Özcan eine beeindruckende Erfolgsgeschichte geschrieben hat (siehe Seite 22). Dahinter folgen 4.163 Unternehmen mit rumänischen Geschäftsführern. Mit annähernd 13.000 IHK-Mitgliedsunternehmen unter migrantischer Führung dominiert die Bau- und Immobilienwirtschaft, dahinter rangiert mit rund 12.000 Unternehmen die Branche Tourismus und Gastgewerbe. Und mit jeweils weit über 6.000 Mitgliedsunternehmen sind Banken, Versicherungen, Finanzdienstleistungen sowie Digitale Wirtschaft und Gesundheitswirtschaft entsprechend registriert. Mehr als Dönerbuden und Spätis „Wir haben in Berlin einen gut aufgestellten Branchenmix und sind nicht nur in einigen wenigen Sparten erfolgreich“, sagt Michael Biel, Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe, „migrantische Unternehmen und Menschen mit Migrationshintergrund sind in Berlin in allen Bereichen aktiv.“ Dies zeige sich auch an den Erwerbstätigenzahlen: „Insgesamt arbeiteten 2023 rund 700.000 Menschen mit Migrationshintergrund in Berlin, die sich auf zahlreiche Wirtschaftszweige verteilen – im Handel, aber auch bei den Informations- und Kommunikationsdienstleistungen und im Gesundheits- und Sozialwesen.“ Das gelte zudem für die freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen und für das Gastgewerbe, aber genauso für die produzierenden Branchen der Industrie und des Baugewerbes. Einwanderer, so belegen es zahlreiche Studien, sind besonders gründungsaffin. Ihre Gründungsquote ist bis zu doppelt so hoch wie die der Nicht-Migranten. Und sie verfügen meist über einen akademischen Hintergrund, der es ihnen ermöglicht, mehr und mehr wissensintensive Dienstleistungen anzubieten. Fakten, die im totalen Widerspruch stehen zum Bild, das die Öffentlichkeit im Alltag von migrantischer Wirtschaft wahrnimmt: Dönerbuden, Nagelstudios, Barber- shops oder Spätis sind aber längst zu Relikten vergangener Zeiten geworden. „Berlin weist insgesamt ein dynamisches Gründungsgeschehen auf“, stellt Wirtschaftsstaatsekretär Michael Biel fest, „das von unserer Senatsverwaltung durch eine Vielzahl von Maßnahmen gezielt gefördert wird.“ Zum Beispiel mit der im Januar 2019 ins Leben gerufenen Lotsenstelle für migrantische Selbstständigkeit. „Diese Institution bietet Beratungsleistungen an, die die Bedürfnisse von Migrantinnen und Migranten adressieren, zum Beispiel bei der Kommunikation mit Behörden.“ In der Seminarreihe „Vielfalt gründet“ werden seit mehr als zwei Jahrzehnten Gründungsschulungen in mehreren Sprachen offeriert.
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