Berliner Wirtschaft Dezember 2021

Wir wollen unseren Kunden einen hohen Erlebniswert bieten. Andrea Ludorf Andrea Ludorf liest über den Dächern in der Friedrichstraße ten Corona-Fällen in Berlin berichtet wurde, ging die Frequenz um etwa 20 Prozent zurück. Im ers- ten Lockdown war dann selbst am Brandenburger Tor keine Menschenseele mehr zu sehen. Wir selbst haben das Ladengeschäft für vier Wochen freiwil- lig geschlossen. Nachdem wir das Haus hygiene- konform umgebaut hatten und die ersten Teilflä- chen wieder öffnen durften, haben wir den Betrieb auch wieder aufgenommen und waren seitdemdau- erhaft geöffnet, mit einigen Einschränkungen bei den Öffnungszeiten. Aber um Sie herum war alles zu. Genau. In einer Straße, in der fast jeder Laden geschlossen ist, sind kaumKunden unterwegs. Hinzu kam, dass die Kunden durch unterschiedliche Rege- lungen und die Medienberichterstattung verunsi- chert waren. Welches Ladengeschäft hat geöffnet? Welche Regelungen gelten im Hinblick auf Einlass- kontrollen, Test- und Terminpflicht? Wir haben das stark zu spüren bekommen, an der Frequenz und auch beim Umsatz, der 2020 mehr als 30 Prozent unter dem Vorjahr lag. Wie haben Sie darauf reagiert? Wir haben uns 2020/21 deutlich stärker auf die nicht stationären Umsätze konzentriert: Den Online- shop und den Bereich der Firmenkunden, zu denen auch Institutionen und Bibliotheken zählen. Wenn wir beispielsweise eine Ausschreibung einer Bib- liothek gewinnen, liefern wir dorthin regelmäßig ein bestimmtes Kontingent an Büchern, Noten oder Tonträgern. Wie stark sind Sie online in der Krise gewachsen? Wir hatten vorher eine White-Label-Lösung von einemZwischenhändler, der in unseremNamen und unseremLook-and-Feel Bücher online verkauft hat. Schon vor Corona hatten wir geplant, diese Lösung durch einen eigenen Onlineshop zu ersetzen. Im November 2020 sind wir damit live gegangen. Ins- gesamt haben wir unseren Online-Umsatz während der Pandemie vervierfacht. Warum ist Ihnen der eigene Onlineshop sowichtig? Der wichtigste Aspekt ist, dass wir damit endlich unser ganzes Sortiment zeigen können. Wir haben europaweit das größte Jazz- und Klassik-Sortiment im Tonträgerbereich – und dementsprechend auch sehr viel Kompetenz in der Belegschaft. Einige Mit- arbeitende sind seit 25 Jahren bei uns imBereich Jazz und Klassik tätig und zum Teil auch selbst Musiker. Diese Kompetenz wollen wir auch online nutzen. Dasselbe Personal, das bei uns im Laden arbeitet, nimmt auch die Bestückung des Onlineshops vor. Es ist uns sehr wichtig, dass diese Dinge zusammen- wachsen. So können sich unsereMitarbeitenden auch weiterentwickeln. Denn E-Commerce gehört inzwi- schen zum Handel ganz selbstverständlich dazu. Machen Sie sich angesichts steigender Online-Um- sätze keine Sorgen umden stationären Buchhandel? Meiner Einschätzung nach ist der Markt im Grunde sehr stabil. Er verschiebt sich noch nicht so stark ins Digitale, wie das in anderen Branchen der Fall ist. Außerdem profitieren wir auch von den steigenden Umsätzen im eigenen Onlineshop. Das verdanken wir unter anderem der in Deutschland geltenden Buchpreisbindung, nach der Bücher überall imLand das Gleiche kosten. Es ist für die Kunden auch des- halb attraktiv, in ihrer Kiezbuchhandlung zu kau- fen, weil es dort nicht teurer ist als imOnlinehandel. Sie sehen also auch kleine Kiez-Buchhandlungen nicht als bedroht an? Generell nicht. Die entscheidende Frage ist: Wie nah bin ich meinen Kunden? Wie gut kann ich mich auf FOTOS: ULRICH SCHUSTER, FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG 30 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 12 | 2021

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