Berliner Wirtschaft 12/2020
D ie Berliner Wirtschaft ist imverschärften Krisenmodus: Jedes zweite Unternehmen kämpft mit geringer Nachfrage, jedes vierte sieht sich von Insolvenz bedroht. Der zweite Lockdown trifft die Berliner Wirt- schaft nach mehr als einem halben Jahr Dauer- krise. Staatliche Unterstützung und die erheb- liche Anpassungsleistung vieler Unternehmen haben die Konjunktur in den letzten Monaten stabilisiert. Doch zunehmend geht die Krise an die Substanz: 78 Prozent der Unternehmen gehen davon aus, im laufenden Jahr einen Umsatzrück- gang im zweistelligen Prozentbereich verzeich- nen zu müssen. Zwar entlasten staatliche Programme die Aus- gabenseite der Unternehmen, doch angesichts monatelanger Umsatzeinbrüche kommt es in immer mehr Firmen zu Zahlungsschwierigkei- ten: im Gastgewerbe bei 53 Prozent der Unter- nehmen, in der Kreativ- und Kulturwirtschaft bei 45 Prozent, in Groß- und Einzelhandel bei 44 beziehungsweise 41 Prozent. In der Not regiert immer öfter der Rotstift: Im Gastgewerbe planen sechs von zehn Unterneh- men, Personal abzubauen, im Großhandel jedes dritte, in der Kreativwirtschaft jedes vierte. Drei von zehn Einzelhandelsbetriebenwollen sich von Mitarbeitern trennen, ebenso hoch ist der Anteil in der Industrie. Noch deutlicher werden die Inves- titionskosten gedrückt, über alle Branchen hin- weg planen 50 bis 70 Prozent der Unternehmen, Investitionen zu verschieben oder zu stornieren. Inzwischen sind 67 Prozent der Unternehmen gezwungen, staatliche Unterstützung in der ein oder anderen Form zu beziehen oder demnächst zu beantragen. Im Gastgewerbe und dem ver- wandten Reisegewerbe sind es deutlich über 90 Prozent, in der Kultur- und Kreativwirtschaft 81 Prozent, im Verkehrsgewerbe 70 und im Einzel- handel 56 Prozent. Etwa die Hälfte der Unter- nehmen nutzt Maßnahmenwie das Kurzarbeiter- geld und Überbrückungshilfen II; imGastgewerbe haben 88 Prozent der Befragten die November- hilfe beantragt. Die weiteren Erwartungen der Wirtschaft an die Politik sind klar: Jedes dritte Unternehmen wünscht die Ausweitung des Verlustrücktrags und ein weiteres Konjunkturprogramm. Vier von zehn Unternehmen benötigen weitere finanzielle Hilfen, und jeder zweite Betrieb wünscht weniger Belastung durch Bürokratie. Einem Fünftel der Unternehmen ist es zudem wichtig, dass Behör- den sich endlich digitalisieren. ■ ILLUSTRATION: GETTY IMAGES/ADA DASILVA; FOTO: FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG Christian Nestler, IHK-Experte für Konjunktur Tel.: 030 / 315 10-286 christian.nestler@ berlin.ihk.de Grafiken: BW Quelle: IHK Berlin Strategien für die Unternehmen Befragt nach den notwendigen Maßnah- men zur Stützung der Wirtschaft, mahnen die Berliner Betriebe vor allem Bürokratie- entlastung und mehr finanzielle Hilfen an 52,1% der Betriebe fordern Bürokratieentlastung 43,7% plädieren für ein Nachsteuern bei finanziellen Hilfen 36,1% sind für ein weiteres staatliches Konjunktur programm 32,6% wünschen die Ausweitung des steuerlichen Verlust rücktrages 24,6% erwarten verbesserte Abschreibungsmöglich- keiten Corona-Umfrage der IHK Berlin Der zweite Lockdown trifft die Betriebe hart, besonders betroffen sind wieder Gastgewerbe und Reisewirtschaft keine Auswirkungen Rückgang der Nachfrage 39,1 65,6 0,0 0,0 2,4 9,0 3,0 4,9 6,1 27,3 22,0 8,1 1,7 84,8 41,1 53,8 51,2 40,5 50,3 65,6 63,6 70,6 78,4 39,4 63,4 84,6 65,1 54,8 43,6 36,1 33,3 21,5 18,9 9,1 4,9 60,9 55,6 54,4 51,4 50,8 50,1 50,0 45,5 39,0 30,3 31,3 26,6 45,4 22,5 8,1 16,9 20,9 21,4 45,5 4,9 9,1 45,0 52,6 41,3 48,6 44,1 39,4 47,6 51,5 22,0 12,1 Stillstand der Geschäfte Liquiditätsengpässe Eigenkapitalrückgang Drohende Insolvenz Finanz-/Versicherungsdl. Baugewerbe Industrie Einzelhandel Verkehr und Lagerei Großhandel/Handelsverm. Sonstige Dienstleistungen Gesundheitswirtschaft Kultur- und Kreativwirtschaft Reisewirtschaft Gastgewerbe Baugewerbe Finanz-/Versicherungsdl. Verkehr und Lagerei Gesundheitswirtschaft Sonstige Dienstleistungen Großhandel/Handelsverm. Industrie Einzelhandel Gastgewerbe Kultur- und Kreativwirtschaft Reisewirtschaft keine Auswirkungen Rückgang der Nachfrage 39,1 65,6 0,0 0,0 2,4 9,0 3,0 4,9 6,1 27,3 22,0 8,1 1,7 84,8 41,1 53,8 51,2 40,5 50,3 65,6 63,6 70,6 78,4 39,4 63,4 84,6 65,1 54,8 43,6 36,1 33,3 21,5 18,9 9,1 4,9 60,9 55,6 54,4 51,4 50,8 50,1 50,0 45,5 39,0 30,3 31,3 26,6 45,4 22,5 8,1 16,9 20,9 21,4 4 , 4,9 9,1 45,0 52,6 41,3 48,6 44,1 39,4 47,6 1,5 22,0 12,1 Stillstand der Geschäfte Liquiditätsengpässe Eigenkapitalrückgang Drohende Insolvenz Finanz-/Versicherungsdl. Baugewerbe Industrie Einzelhandel Verkehr und Lagerei Großhandel/Handelsverm. Sonstige Dienstleistungen Gesundheitswirtschaft Kultur- und Kreativwirtschaft Reisewirtschaft Gastgewerbe Baugewerbe Finanz-/Versicherungsdl. Verkehr und Lagerei Gesundheitswirtschaft Sonstige Dienstleistungen Großhandel/Handelsverm. Industrie Einzelhandel Gastgewerbe Kultur- und Kreativwirtschaft Reisewirtschaft Aktuelle Finanzlage Aktuelle Geschäftslage 15 IHK BERLIN | BERLINER WIRTSCHAFT 12 | 2020 AGENDA | Konjunktur
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