Ausbildungsplatzabgabe: Bremsklotz statt Hebel Wenn Berlin die duale Ausbildung stärken will, braucht es keine Abgabe, sondern endlich eine kluge Politik – mit Praxis in den Schulen und echten Anreizen E s ist eine fatale Idee, die erst einmal gerecht klingt: die Ausbildungsplatzabgabe. Wer nicht ausbildet, zahlt. Wer ausbildet, bekommt etwas zurück. Klingt einfach, aber in Wahrheit ist eine solche Umlage ein bürokratisches Monstrum, das die Ursachen des Problems ignoriert, Betriebe bestraft und Verwaltung belastet. Tausende Unternehmen in unserer Stadt bilden aus und investieren Zeit, Geld und Herzblut, um jungen Menschen den Einstieg ins Berufsleben zu ermöglichen. Sie tun das freiwillig, aus Überzeugung, aus Verantwortung und stoßen längst an ihre Grenzen. Berlin hat zu wenige Bewerberinnen und Bewerber, zu viel Bürokratie und zu wenig Wertschätzung für Auszubildende. Die Abgabe ändert nichts, sie belastet nur zusätzlich. Sie schafft auch keinen neuen Ausbildungsplatz. 39 Prozent der durch uns befragten Berliner Unternehmen können ihre angebotenen Ausbildungsplätze nicht vollständig besetzen. Diese Betriebe sollen künftig zahlen, weil sie keine Azubis finden? Doppelte Strafe für fehlende Bewerber. Zumal die Verwaltung selbst einräumt, nicht alle Ausbildungsplätze besetzen zu können. Es ist Politik im Blindflug. Berlin hat bis heute keinen gesamtstädtischen Konsens darüber, wie viele unversorgte Jugendliche keinen Ausbildungsplatz finden. Selbst Stellenausschreibungen bilden die Realität nur begrenzt ab: Hinter einer Ausschreibung stehen oft mehrere mögliche Besetzungen, zugleich werden angenommene Plätze nicht durchgängig zurückgemeldet. Ohne gemeinsame Datengrundlage wird die Steuerung zur Lotterie. Berlin will Weltmetropole sein, aber die Abgabe setzt die falschen Signale. Sie bestraft Unternehmen, die übertariflich zahlen. Sie schreckt wissensintensive Branchen und TechStart-ups ab, die eher hoch qualifizierte Akademiker brauchen. Sie lädt zum Standortwechsel ein: Ein IT-Dienstleister verlegt seinen Sitz nach Brandenburg oder Hamburg, das Start-up überlegt es sich zweimal, ob es wirklich in Berlin gründen möchte. Ökonomisch rational, für Berlin verheerend. Weniger Jobs, weniger Steuern, weniger Innovation. Berlins kleinteilige Struktur und Unternehmerschaft sind nicht mit Flächenländern vergleichbar. Der Blick nach Bremen sollte uns ein Warnsignal sein. Dort gilt die Abgabe seit knapp einem Jahr und enttäuscht alle Beteiligten. Gegen die Zahlungsbescheide und das Gesetz laufen rund 330 Klagen. Der Umlagetopf, der rund 25 Millionen Euro fassen sollte, weist ein Defizit auf, verursacht durch Klagen und organisatorische Probleme, das nun mit Steuermitteln ausgeglichen werden muss. Deshalb mein Appell an Verwaltung und Politik: Beenden Sie die Debatte über die Ausbildungsplatzabgabe. Stärken Sie stattdessen die duale Ausbildung durch kluge, praxisnahe Politik, mit Praxis in den Schulen und echten Anreizen. ■ Meinung In der Kolumne „Auf den Punkt“ positionieren sich im monatlichen Wechsel Mitglieder des Präsidiums zu wirtschaftspolitischen Fragestellungen aus ihrer persönlichen Sicht. präsidiumsmitglieder beziehen stellung Sebastian Stietzel ist Präsident der IHK Berlin und Geschäftsführer der Marktflagge GmbH, Management & Investments FOTO: IHK BERLIN/AMIN AKHTAR Auf den Punkt | 17 Berliner Wirtschaft 11 | 2025
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