Bereits im Vorfeld des parlamentarischen Prozesses rief die IHK Berlin daher Unternehmerinnen und Unternehmer dazu auf, die Abgeordneten ihres Wahlkreises direkt anzusprechen – und das auch weiterhin zu tun. Zusätzliche Belastung für Unternehmen Sebastian Stietzel hat darüber hinaus für die IHK Berlin gemeinsam mit den Spitzen der Berliner Handwerkskammer, der Fachgemeinschaft Bau, dem Bundesverband Deutsche Startups, den Unternehmensverbänden Berlin-Brandenburg und dem Verband Freie Berufe in Berlin einen offenen Brief unterzeichnet, der in einer Pressekonferenz vorgestellt wurde. Das geplante Gesetz schade dem Wirtschaftsstandort Berlin und belaste „als pauschale Strafmaßnahme“ in konjunkturell schwierigen Zeiten die Unternehmen zusätzlich, heißt es darin. Ein Blick nach Bremen und zum dort geltenden Ausbildungsausgleichsfonds zeigt: In der Praxis führt eine solche Belastung zu einem massiven Aufwuchs von Bürokratie und zahlreichen Klagen von Unternehmen – ohne die wahren Probleme auf dem Ausbildungsmarkt zu lösen. Damit ist eine Strafabgabe das falsche Instrument zur falschen Zeit. Zunächst muss klar sein, dass in der im Bundesschnitt besonders kleinteiligen Wirtschaftsstruktur der Hauptstadt gar nicht jedes Unternehmen ausbilden kann. Dazu zählen allein 45.000 Kleinstbetriebe mit nur ein bis zwei Beschäftigten oder die rund 4.400 Start-ups, die aufgrund ihrer Dynamik für eine dreijährige Ausbildung nur begrenzte Planungssicherheiten haben. Doch auch wer nicht ausbildet, leistet einen bedeutenden Beitrag für unseren Wirtschaftsstandort. Die Berliner Wirtschaft trägt Verantwortung für 1,8 Millionen Beschäftigte und 35.000 junge Menschen in der Ausbildung. Sie erwirtschaftet Waren und Dienstleistungen im Wert von 207 Mrd. Euro. Fehlende Bewerber sind das Problem Bei den Betrieben, die ausbilden können, sind das Problem nicht fehlende Ausbildungsplätze, sondern zu wenige Bewerberinnen und Bewerber. 38 Prozent der Berliner Betriebe konnten nicht alle Ausbildungsstellen besetzen, weil keine oder keine passenden Bewerbungen vorlagen. Eine Abgabe bedeutet für die Betriebe daher eine doppelte Strafe: Wer keinen passenden Azubi findet, muss trotzdem zahlen. Dabei bildet die Berliner Wirtschaft bereits umfangreich aus – trotz herausfordernder Konjunktur, anhaltendem Fachkräftemangel, steigenden Kosten und zunehmender Bürokratie. Die IHK Berlin zählt seit Anfang 2024 sogar über 1.400 neue Ausbildungsbetriebe. Darüber hinaus engagieren sich Betriebe mit eigenen Ausbildungszentren mit Nachhilfe für ihre Auszubildenden und unterstützen mit Praktika Jugendliche bei der Berufsorientierung. Denn die entscheidenden Hebel, um die duale Ausbildung zu stärken, sind eine bessere Schulbildung, eine intensive Berufsorientierung für Schülerinnen und Schüler sowie ein passgenaues Matching zwischen jungen Menschen und Unternehmen. Im offenen Brief der Berliner Wirtschaft zur Abgabe heißt es daher: „Stellen Sie dieses Gesetzesvorhaben mit all seinen Auswirkungen auf den Prüfstand und lassen Sie uns stattdessen gemeinsam das Potenzial unserer jungen Menschen entfalten – durch echte Ausbildungsplätze, praxisnahe Förderung und partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Politik.“ (s. auch S. 17) ■ Anne Neidhardt, IHK-Senior-Public- Affairs-Managerin Tel.: 030 / 315 10-838 anne.neidhardt@ berlin.ihk.de Lukas Bülter, IHK-Public-Affairs- Manager Tel.: 030 / 315 10-503 lukas.buelter@ berlin.ihk.de Viele Unternehmen blicken fassungslos auf die aktuelle politische Debatte um die Ausbildungsplatzabgabe. Sebastian Stietzel IHK-Präsident Position Online unter: ausbildung-statt- abgabe.berlin FOTOS: ANDREW GRAUMAN Ausbildungsplatzabgabe | 15 Berliner Wirtschaft 11 | 2025
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