Berliner Wirtschaft November 2025

S tellen Sie sich eine Stadt vor, in der Forschung, Kliniken und Unternehmen so eng zusammenarbeiten, dass neue Therapien, digitale Anwendungen und Medizintechnik nicht jahrelang in Schubladen verschwinden, sondern rasch in den Versorgungsalltag gelangen. Genau das will das Positionspapier „Gesundheitsstandort Berlin 2030“, das Ende September von der Vollversammlung der IHK Berlin verabschiedet wurde. Es ist kein akademisches Papier mit entfernten Zielen, sondern ein wirtschaftsorientierter Umsetzungsplan: Die Metropolregion bringt alle Voraussetzungen mit – rund 21.400 Gesundheitsunternehmen, 20,1 Mrd. Euro Umsatz, 354.000 Beschäftigte, 40 Forschungseinrichtungen und mehr als 200 Life-Science-Studiengänge. Das Potenzial ist da; die Frage ist nur, wie es in echte Wertschöpfung verwandelt werden kann. Das Papier konzentriert sich auf fünf Handlungsfelder, die miteinander verzahnt werden müssen. Zuerst geht es um IP und Kapital: Forschungsergebnisse brauchen verlässliche, standardisierte Wege zur Verwertung, damit Investoren planen und Start-ups schnell skalieren können. Lizenzverträge, klare Vergütungsmodelle und hochschulnahe Venture-Capital-Strukturen sollen genau diesen Rahmen liefern. Ohne planbares Patente-Management bleibt viel Innovation ungenutzt – ökonomisch wie gesellschaftlich. Der zweite Schwerpunkt ist die Datenin- frastruktur. Daten sind heute Rohstoff und Baustoff zugleich: Nur mit interoperablen Systemen, verbindlichen Standards und einem Governance-Layer für pseudonymisierte Datennutzung entstehen tragfähige Geschäftsmodelle im Bereich Digital Health. Verlässliche Plattformen und dauerhafte Betriebsbudgets für Krankenhäuser machen Datennutzung planbar statt zufällig – eine Grundvoraussetzung für Produkte, die wirklich skaliert werden können. Kliniken sind Innovationsplattformen Drittens steht der Transfer von Forschung in marktfähige Angebote im Mittelpunkt. Ein integriertes Ökosystem aus Finanzierung, physischen Infrastrukturangeboten wie Laborkapazitäten und einheitlichen Transfervereinbarungen senkt Markteintrittsbarrieren. Die Kliniken selbst sind dabei mehr als Orte der Versorgung: Sie sind Innovationsplattformen, die Pilotierung, Validierung und frühe Markteinführung unterstützen können – wenn der Zugang geregelt und belastbar ist. Viertens adressiert das Papier den Fachkräftemangel auf wirtschaftliche Weise: Schnelle, digitale Anerkennungsverfahren, gezielte FastTrack-Visa und Integrationspakete machen internationale Expertinnen und Experten rasch produktiv. Für Unternehmen bedeutet das geringere Vakanzkosten, höhere Planungssicherheit und eine größere Auswahl an Talenten – wirtschaftliche Effekte, die messbar sind. Beratung statt Regulierung Fünftens fordert das Papier einen Kulturwechsel in der Regulierungslandschaft. Behörden sollen nicht in erster Linie stoppen, sondern beraten und ermöglichen: Ein Pilot-Regulatory-Hub, frühe Behördenkonsultationen und die Prüfung gebündelter Genehmigungsverfahren für komplexe Projekte können die Zeit zur Marktreife deutlich verkürzen und Investitionsrisiken reduzieren. „Ich freue mich sehr, dass wir unsere Position zur Stärkung der Gesundheitswirtschaft in Berlin auf den Punkt gebracht haben“, betont Kathrin Klär-Arlt, Präsidiumsmitglied der IHK Berlin. „Damit fördern wir Strukturen, die Innovationen ermöglichen und die das bereits vorhandene, außergewöhnliche Potenzial der Gesundheitswirtschaft in Berlin weiter stärken und zum Wohle der Menschen in dieser Stadt nutzbar machen – durch innovative Produkte, qualitativ hochwertige Versorgungsstrukturen, eine Kultur der Förderung mit Strahlkraft und eine florierende Wirtschaft.“ Das Papier liefere die Werkzeuge – jetzt gehe es um die Akteure, die sie anpackten, fordert KlärArlt. Senat, Hochschulen, Kliniken und Investoren müssten die vorgeschlagenen Piloten starten und die ersten Erfolge sichtbar machen. Gelinge das, verbinde Berlin wirtschaftliche Schlagkraft mit praktischer Versorgungsrelevanz und werde nicht nur „Gesundheitshauptstadt“ auf dem Papier, sondern in der Realität. Das sei eine Chance für Unternehmerinnen und Unternehmer, für Forschende und für eine Stadt, die wirtschaftlich stärker und sozial wirksamer zugleich sein wolle. ■ Lars Mölbitz, IHK-Key-Account- Manager Gesundheitswirtschaft und Industrie Tel.: 030 / 315 10-439 lars.moelbitz@ berlin.ihk.de IHK-Positionspapier „Gesundheitsstandort Berlin 2030“ online unter: ihk.de/berlin/gesundheitsstandort-2030 Kathrin Klär-Arlt IHK-Präsidiumsmitglied Das Papier liefert die Werkzeuge – jetzt geht es um die Akteure, die sie anpacken. ILLUSTRATION: GETTY IMAGES/ISTOCK/MACROSTORE; FOTO: IHK BERLIN/AMIN AKHTAR Standort | 11 Berliner Wirtschaft 11 | 2025

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