Bildung Delegationsreise der IHK nach Dänemark liefert Impulse für Berlin Seite 16 Fachkräfte Win-win-Situation durch IHK-Projekt zur Ausbildung junger Namibier Seite 42 Wasser für die Welt Wasser ist keine unerschöpfliche Ressource, auch nicht in Berlin. Hamed Beheshti (r.) und Ali Al-Hakim sorgen dafür, dass Menschen genug zu trinken haben Seite 20, Interview Seite 28 Einzelhandel Stationär hat Zukunft Neue Serie: Diese Konzepte behaupten sich im Wettbewerb Seite 32 Das Magazin der Industrie- und Handelskammer zu Berlin 11/2024 ihk.de/berlin
Verschenke Jean Paul GAULTIER
Sebastian Stietzel ist Präsident der IHK Berlin und Geschäftsführer der Marktflagge GmbH, Management & Investments Bereits als Marlene Dietrich „Durch Berlin fließt immer noch die Spree“ sang, waren große Mengen des Spreewassers für den Braunkohletagebau in der Lausitz abgepumptes Grundwasser. Die Spree wird zwar weiter fließen, aber absehbar mit weniger Wasser. Denn mit dem Kohleausstieg 2038 endet auch die Notwendigkeit, Grundwasser abzupumpen und in die Spree zu leiten. Was bleibt – und tendenziell wächst, ist dagegen der Wasserbedarf der Metropolregion. Das ist auf der einen Seite für Unternehmen mit hohem Wasserbedarf eine große Herausforderung, auf der anderen Seite entwickeln sich daraus innovative Geschäftsideen. Wie sich Berlins Wirtschaft auf weniger Wasser in der Spree vorbereitet, lesen Sie in dieser Ausgabe (S. 20). Vorbereitung – in diesem Fall auf das Leben nach der Schule - steht auch im Zentrum unseres IHK-Projektes zur idealen Berufsorientierung an einer Berliner Brennpunktschule, die spannenden Ergebnisse finden Sie ebenfalls in Ihrer Berliner Wirtschaft (S. 44). Ihr Bildung Eine Delegation der IHK Berlin, die von Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch und IHK-Präsident Sebastian Stietzel begleitet wurde, informierte sich in Dänemark über innovative Ansätze in frühkindlicher und schulischer Bildung. Sie könnten für Berlin beispielgebend sein. Seite 16 Die „Berliner Wirtschaft“ gibt es auch online: ihk.de/berlin/berliner- wirtschaft Wasserknappheit führt zu neuen Geschäftsideen ZEICHNUNG: ANDRÉ GOTTSCHALK; TITEL: AMIN AKHTAR Editorial | 03 Berliner Wirtschaft 11 | 2024
Politikgespräch I Nicht zum ersten Mal konnte Hauptgeschäftsführer Jan Eder Senatorin Franziska Giffey in der IHK begrüßen 10 20 Wassermanagement Die Versorgung Berlins mit Wasser erfordert ein rund laufendes System, Teil davon ist das Wasserwerk Spandau BRANCHEN 32 Handel Start einer fünfteiligen Serie, die in die Schaufenster und hinter die Kulissen des stationären Handels blickt 36 Entrepreneure Gründerin Mona Ghazi ist fasziniert davon, Dinge zu erfinden, Probleme zu lösen 38 Start-up Janina Krassa von YouCan! über ihre Geschäftsidee 40 Standort Wo einst nur Brache war, steht jetzt die Europacity – Ortstermin im Stadtquartier AGENDA 10 Politikgespräch I Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey bei der IHK 12 Konjunktur Erwartungen laut Umfrage der IHK eher pessimistisch 14 IHK-Vollversammlung Verkehrsinfrastruktur und Bürokratieabbau im Fokus 15 Kolumne Jessyca Staedtler über die Potenziale Berlins, die mehr wiegen als die Probleme 16 IHK-Delegationsreise Wertvolle Einblicke in Dänemarks Bildungssystem 18 Politikgespräch II Bettina Stark-Watzinger zu Gast im Ludwig Erhard Haus 19 Wirtschaftspolitik Wirtschaftsjunioren Berlin zu Besuch im Abgeordnetenhaus FOKUS 20 Wassermanagement Berlin ist gut aufgestellt, wenn es darum geht, die knapper werdende Ressource Wasser bereitzuhalten 24 Unternehmenspraxis Tegel Projekt GmbH und Wertical widmen sich der Nutzung von Regenwasser 28 Interview Dr. Hamed Beheshti und Ali Al-Hakim von Boreal Light über ihre Anlagen zur Meerwasserentsalzung Hamed Beheshti CEO und Gründer der Boreal Light GmbH 30 Unsere Anlagen in Somalia produzieren 1.000 Liter Wasser für 50 Cent. Inhalt | 04 Berliner Wirtschaft 11 | 2024
03 Editorial | 06 Entdeckt | 52 Impressum | 53 Seminare | 65 Gestern & Heute | 66 Zu guter Letzt Ausbildungskooperation Namibias Staatspräsident Nangolo Mbumba zu Gast bei der IHK, um das gemeinsame Projekt zu besprechen 42 Schreiben Sie uns Worüber möchten Sie in der „Berliner Wirtschaft“ informiert werden? Senden Sie Ihre Anregungen per Mail an: bw-redaktion@berlin.ihk.de FACHKRÄFTE 42 Ausbildungskooperation Die IHK Berlin bringt die duale Ausbildung nach Namibia 44 Berufsorientierung Willy-Brandt-Teamschule und IHK gehen neue Wege 47 Diversity IHK-Veranstaltungen zeigen, welche Chancen Vielfalt birgt 48 Ehrenamt IHK dankte Prüferinnen und Prüfern mit einem Fest 50 Praktikum Plattform bringt Betriebe und junge Menschen zusammen 52 Bildung Neues Angebot fördert die Sprachkompetenz von Kindern 54 Verbundberatung Wie Jonas & Redmann seine Auszubildenden fit macht SERVICE 58 Cybersicherheit KI bietet Chancen, birgt aber auch Gefahren, Unternehmen müssen sich schützen 60 Unternehmensnachfolge Nachfolgezentrale Berlin schon zum Start erfolgreich 61 Gründungsberatung Die Wirtschaftssenioren des Beratungsdienstes trafen sich zum Bundeskongress in Berlin 62 Beratung Regeln für Alkoholausschank auf Weihnachtsmärkten FOTOS: IHK BERLIN/KONSTANTIN GASTMANN (2), BERLINER WASSERBETRIEBE/SVEN BOCK, AMIN AKHTAR, Berliner Wirtschaft 11 | 2024 Inhalt | 05 das uns! Überlassen Sie Professionelle Entsorgungslösungen für: Gewerbeabfälle Bedarfsgerechte Konzepte zur Erfassung Ihrer gemischten Gewerbeabfälle – entsprechend der Gewerbeabfallverordnung Altpapier Beste Preise für Industrie, Handel, Gewerbe, Wohnungswirtschaft und Privathaushalte Gewerbefolien Kostengünstige und umweltgerechte Wertstoffentsorgung Andere Abfälle Zuverlässige Erfassung aller anderen Abfälle zur Verwertung (Glas, Holz, Schrott, E-Schrott) Bartscherer & Co. Recycling GmbH Montanstraße 17-21 13407 Berlin Tel: (030) 408893-0 Fax: (030) 408893-33 www.bartscherer-recycling.de Bestellungen direkt im Onlineshop. Günstige Pauschalpreise für Umleerbehälter von 240 l bis 5,5 cbm.
Entdeckt | 06 Berliner Wirtschaft 11 | 2024
Spielen ist nur etwas für Kinder – das hat noch nie gestimmt. Umso weniger, seit die Welt der Spiele im Digitalzeitalter angekommen ist. Mit eingeläutet wurde das vor Jahrzehnten von den sogenannten Arcade-Games, die Flipperautomaten und Ähnliches verdrängten. Die frühen Klassiker – Pac-Man, Space Invaders, Donkey Kong & Co. – haben bis heute ihre Fans. Spielerischen Retro-Charme im Neon-Look bietet seit Kurzem das Electric Social des Gründerduos Tom Boerman (vorne) und Antonio Bruccoleri. Mit viel Erfahrung in Entertainment und Gastronomie bringen sie am Alexanderplatz in Berlin-Mitte Küche, Drinks und Games zusammen. Auf 800 Quadratmetern gibt es 50 Arcade- und Social-Games, an denen sich Erwachsene austoben können. Viele Spiele sind auf Gruppen ausgerichtet, die Gründer setzen auch auf Firmen-Events und private Feiern. Games für Große FOTO: ULRICH SCHUSTER Berliner Wirtschaft 11 | 2024 Entdeckt | 07
„Es ist ein parteiübergreifendes Verdienst, dass im aktuellen Prozess die Probleme endlich strukturell angegangen werden und nicht nur kosmetisch. Entscheidend ist nun, den Zeitplan einzuhalten und noch in diesem Jahr gemeinsam mit der Opposition sowohl das Landesorganisationsgesetz festzuzurren als auch eine verbindliche Mehrheit bei der für eine echte Reform notwendigen Verfassungsänderung herzustellen.“ Der Berliner Senat hat ein Eckpunktepapier zur Verwaltungsreform vorgelegt Kein Marathon, ein Ironman gesagt Mehr als 286.000 Brandenburgerinnen und Brandenburger kamen 2023 nach Angaben des Statistikamts zum Arbeiten nach Berlin. Innerhalb eines halben Jahrzehnts stieg die Zahl der Berufspendler aus dem Nachbarland um ein Drittel. Der Reformationstag am 31. Oktober, in Brandenburg Feiertag, verdeutlicht immer wieder den Sog der Hauptstadt auch für Einkäufe oder Freizeit-Aktivitäten. Eine Herzensangelegenheit aber scheint all das nicht zu sein, zeigt eine Umfrage des Civey-Instituts im Auftrag der „Berliner Morgenpost“. 20 Prozent der befragten Brandenburger verbinden danach am ehesten „Unbehaglichkeit“ mit Berlin, eng gefolgt von „Abneigung“. „Faszination“ und „Begeisterung“ landen abgeschlagen bei je sechs Prozent. Büro, Shopping-Mall – und dann nix wie weg? Berliner beißen doch nicht, liebe Nachbarn! bw Was finden Sie typisch? Schreiben Sie uns: bw-redaktion@berlin.ihk.de Unter Nachbarn typisch berlin 1.773 Unternehmen der Umweltwirtschaft sind in der Hauptstadt laut einer Studie der Investitionsbank Berlin aktiv. Sie erwirtschafteten 2022 einen Umsatz von 6,3 Mrd. Euro. Rund 31.000 Beschäftigte zählte die Branche im Vorjahr – ein Plus von 37 Prozent seit 2008. Sebastian Stietzel, Präsident IHK Berlin Berliner Wirtschaft 11 | 2024 Kompakt | 08
2019 2020 2021 JB FS H JB FS H 2022 JB FS H 2023 JB FS H 2024 JB FS H H jeweils zum Jahresbeginn (JB), Frühsommer (FS) und im Herbst (H) in Prozent 21 36 49 59 51 50 0 10 20 30 40 50 60 70 80 Rohsto preise Energiepreise Wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen Fachkräftemangel Arbeitskosten Inlandsabsatz 329 Autos je 1.000 Einwohner gab es zu Jahresbeginn in der Hauptstadt. Ein Rückgang um 2,4 Prozent seit 2014 (337). Damit ist Berlin das einzige Bundesland, in dem die Pkw-Dichte abnimmt. Sorgen ums große Ganze Die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen werden für Berlins Unternehmen zum größten Risiko. Mehr zur Konjunkturumfrage auf Seite 12 berliner wirtschaft in zahlen kopf oder zahl Jan Oetjen Florian Frank steht als neuer CEO an der Spitze des FritzBox-Herstellers AVM GmbH. Er löst den bisherigen Sprecher der Geschäftsführung Johannes Nill ab, der in den Beirat des von ihm mitgegründeten Unternehmens wechselt. Der langjährige Digitalwirtschafts- Manager Oetjen war zuletzt Vorstandsvorsitzender der 1 & 1 Mail & Media Applications SE. ist als Finanzchef in die Geschäftsführung der KaDeWe GmbH eingetreten. Die Gesellschaft war im August neu aufgestellt worden. Aus dem bisherigen Leitungsduo – Timo Weber (CEO) und Einkaufschefin Simone Heift – wird nun ein Trio. Frank war zuletzt bis März in gleicher Funktion beim Mode- unternehmen Gerry Weber tätig. Dr. Eric Schweitzer (Foto, l.) hat aus den Händen des Regierenden Bürgermeisters, Kai Wegner, den Verdienstorden des Landes Berlin entgegengenommen. Ausgezeichnet wurde der frühere Präsident und heutige Ehrenpräsident der IHK Berlin sowie des DIHK für sein langjähriges unternehmerisches und ehrenamtliches Engagement in der Hauptstadt und auf Bundes- ebene. Eric Schweitzer ist Gesellschafter des von seinem Vater gegründeten Entsorgungsunternehmens Alba mit 6.000 Beschäftigten. bw Verdienstorden Berlin ehrt Eric Schweitzer für sein geselIschaftliches Engagement mit der höchsten Auszeichnung des Landes FOTOS: GETTYIMAGES/FSTOP/MALTE MUELLER, CHRISTIAN KIELMANN, LANDESARCHIV BERLIN/WU, GERRY WEBER, AVM GMBH, GETTY IMAGES/MOMENT/IMRAN KADIR Grafik: BW Quelle: IHK Berlin Kompakt | 09 Berliner Wirtschaft 11 | 2024
Gute Nachrichten zur Verwaltungsreform, schlechte zur Expo 2035 – Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey zu Gast bei der IHK Berlin von Holger Lunau Prioritäten setzen Verwaltung, Digitalisierung, Ladenöffnungszeiten, Gewerbeflächen: IHK-Haupt- geschäftsführer Jan Eder moderierte die thematisch vielfältige Diskussion mit Franziska Giffey Berliner Wirtschaft 11 | 2024 agenda
S oll sich Berlin um die Weltausstellung Expo 2035 bewerben oder nicht? Die IHK Berlin sagt Ja, Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey sagt Nein. Obwohl große Teile der Wirtschaft das Projekt befürworten, erteilte die Politikerin dem Vorhaben eine klare Absage. Sie sei für die Expo, aber der Senat habe angesichts des Sparzwanges der öffentlichen Hand Prioritäten setzen müssen und sich gegen eine Bewerbung entschieden, betonte Giffey am 17. Oktober bei einem Wirtschaftspolitischen Frühstück der IHK Berlin. „Wir können nicht auf allen Hochzeiten tanzen“, sagte sie. Die Landesregierung habe sich für eine Olympia-Bewerbung und für die Ausrichtung einer Internationalen Bauausstellung entschieden. Für viele Gäste blieb am Ende die Frage offen, ob sich die Berlinerinnen und Berliner für Olympia in der Stadt erwärmen können. Die Bewerbung im Jahr 2000 endete jedenfalls angesichts einer breiten Ablehnung in der Bevölkerung in einem Desaster. Andere Botschaften kamen bei den Gästen besser an, etwa, dass die Verwaltungsreform nunmehr in Gang kommen soll. „Noch in diesem Jahr“ werde der Senat ein Landesorganisationsgesetz vorlegen, das den rechtlichen Rahmen für eine Neuordnung der gesamtstädtischen Strukturen und klare Verantwortlichkeiten vorgeben soll. Das Abgeordnetenhaus könne dann 2025 über das Gesetzespaket beraten und beschließen. Breiten Raum nahmen auch die Ausführungen Giffeys zu Digitalisierung und KI ein. Gut vorangekommen sei der Ausbau der Gigabit-Strukturen und des 5-G-Netzes. Da gebe es im Stadtgebiet inzwischen eine Abdeckung von jeweils 90 Prozent. Schlechter sieht es beim Glasfasernetz aus. Für dieses Jahr werde eine Anschlussdichte von 40 Prozent angepeilt. Im Jahr 2028 sollen es 100 Prozent sein. Um diesen Zeitplan einzuhalten, sei die Antragstellung für das Verlegen der Kabel vereinfacht worden, informierte die Senatorin. In der Regel würden jetzt solche Arbeiten als „Kleinteilige Baumaßnahme“ eingestuft. Damit gebe es nur noch eine Anzeigepflicht, ein Bauantrag sei nicht mehr nötig. Bislang ist Berlin im Vergleich der Bundesländer das Schlusslicht. Auch in ihrer eigenen Verwaltung dränge sie darauf, die Digitalisierung voranzutreiben, sagte die Senatorin. Dazu wolle sie im Dezember ein „Aktionskonzept“ vorlegen. Inzwischen seien 79 Leistungen digitalisiert worden, im kommenden Jahr sollen es 100 sein. So erfolge der übergroße Teil der Gewerbeanmeldungen online. Schon längst eingeführt sei die E-Akte. Doch alles habe seine Grenzen, betonte die Politikerin, denn die öffentliche Verwaltung müsse bei solchen Nutzungen immer ein besonderes Auge auf den Datenschutz haben. Angesprochen auf das Dauerthema „Verkaufsoffene Sonntage“, befürwortete Giffey vehement eine Ausweitung der Öffnungszeiten, ungeachtet möglicher gerichtlicher Auseinandersetzungen. Berlin sei eine Weltmetropole, und sie habe zum Beispiel nicht nachvollziehen können, warum am Tag des EM-Endspiels in Berlin die Läden geschlossen bleiben mussten. Viele Beschäftigte im Einzelhandel würden angesichts von Zulagen und freien Tagen freiwillig gern auch an Sonntagen arbeiten, sagte Giffey. Es gebe Gespräche mit den Branchenverbänden, und auch der Regierende Bürgermeister Kai Wegner habe sich für eine weitere Lockerung ausgesprochen. „Und sollte Verdi klagen, dann muss man das auch mal bis zum Ende durchkämpfen“, sagte Giffey unter dem Applaus vieler Gäste. Auch die Probleme bei der Sicherung von Flächen für Industrie und Gewerbe waren Thema. In den vergangenen Jahren seien 200 Hektar Gewerbefläche verloren gegangen, räumte die Senatorin ein, meist wegen des Wohnungsbaus. Damit es nicht zu dramatischen Engpässen komme, würden nun die Stadtentwicklungspläne Wohnen und Wirtschaft besser abgeglichen. Giffey sprach sich auch für ein Festhalten an der geplanten Urban Tech Republic auf dem Flughafen-Gelände Tegel aus, die als einen wesentlichen Bestandteil die Berliner Hochschule für Technik beherbergen soll. Dass die Hochschule angesichts der Sparpläne nur auf ein Gebäude reduziert werden solle, wie es manche forderten, lehne sie ab. ■ FOTOS: IHK BERLIN/KONSTANTIN GASTMANN Häufiger Gast der IHK: Franziska Giffey im Tischgespräch, unter anderen mit IHK-Präsident Sebastian Stietzel (Foto oben) Ich konnte nicht nachvollziehen, warum am Tag des EMEndspiels in Berlin die Läden geschlossen bleiben mussten. Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey Wirtschaftspolitisches Frühstück | 11 Berliner Wirtschaft 11 | 2024
Die konjunkturelle Stimmung der Berliner Wirtschaft ist weiterhin getrübt. Der Konjunkturklimaindikator, der Lage und Erwartungen der Unternehmen abbildet, liegt mit fünf Punkten nur knapp über dem neutralen Wert. Das sind drei Punkte weniger als im Frühsommer. Auf einen konjunkturellen Wachstumsimpuls muss Berlin leider weiter warten. Im Frühsommer vor sechs Monaten erwarteten die Berliner Unternehmen, dass sich ihre Geschäftslage kaum über den Sommer verändern wird. So ist es auch gekommen: Der Lage- indikator zählt heute 17 nach damals 15 Punkten. Ein nur moderater Anstieg, der sich aus besseren Geschäften in Industrie, Handwerk, Baugewerbe und Gastgewerbe ergibt. In anderen Worten: Die Geschäfte legen in vielen Unternehmen ein moderates, zufriedenstellendes Tempo vor. Es sind die Erwartungen an die Geschäftsentwicklung, die eher Anlass zur Sorge bereiten: Es gibt wieder mehr pessimistische als optimistische Unternehmer. Deutlich im positiven Bereich war die Zeitreihe zuletzt im Herbst 2021 – seitdem bestimmen Unsicherheit und Skepsis das Zukunftsbild vieler Unternehmen. Auch für die kommenden Monate ist nicht mit einer konjunkturellen Erholung zu rechnen. Laut aktueller Konjunkturumfrage der IHK Berlin hält sich die Lage über den Sommer stabil, doch die Erwartungen sind von Pessimismus geprägt von Patrick Schulze Stimmung weiterhin getrübt Die Investitionsdynamik lässt in Folge weiter nach. Der entsprechende Indikator sinkt von 17 Punkten im Frühsommer 2024 auf 14 Punkte im Herbst. Damit setzt die Investitionsbereitschaft ihren Abstiegspfad, nach der Erholung des pandemiebedingten Einbruchs, weiter fort. Diese Entwicklung dürfte langfristig die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft beeinträchtigen, da fehlende Investitionen in Innovation und Modernisierung zu einem Rückstand gegenüber internationaler Konkurrenz führen. Schwache Dynamik auf dem Arbeitsmarkt Auch bleiben die Unternehmen beim Aufbau von neuen Stellen verhalten. Der Saldo aus geplantem Auf- und Abbau entspricht mit fünf Punkten nahezu unverändert dem Wert vom Frühsommer 2024 und signalisiert damit eine eher schwache Dynamik auf dem Arbeitsmarkt. Weiteres Indiz dafür ist die Tatsache, dass der Fachkräftemangel von den Unternehmen deutlich weniger oft als Risiko für ihre wirtschaftliche Entwicklung genannt wird. Damit verstärkt sich der Eindruck, dass der Bedarf an neuen Mitarbeitern nachgelassen hat beziehungsweise der Konkurrenzdruck der Unternehmen auf dem Arbeitsmarkt etwas AGENDA | Konjunktur | 12 Berliner Wirtschaft 11 | 2024
Grafiken: BW Quelle: IHK Berlin schwächer ausfällt. In den vergangenen zehn Jahren nannten nicht selten um die 70 Prozent der Unternehmen den Fachkräftemangel eine Bedrohung für ihre wirtschaftliche Entwicklung. Nur in wenigen Umfragen wurde der Fachkräftemangel als größtes Risiko vom ersten Platz verdrängt: vornehmlich in der Corona-Krise und anschließend in der Energiekrise. Externe Schocks sorgten für schlagartig steigende, kaum zu kalkulierende Risiken, die den Fachkräftemangel vorübergehend überschatteten. In der aktuellen Erhebung liegt das Risiko auf dem dritten Platz, und das ganz ohne externen Schock. Platz eins nehmen die Sorgen um die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen ein, gefolgt von denen um den Inlandsabsatz (siehe Grafik Seite 9). Mit dem wachsenden Risiko, das aus schlechten wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen folgt, wächst auch der Wunsch nach politischen Maßnahmen zur Behebung der Krise. Neben konjunkturellen Impulsen braucht es vor allem strukturelle Verbesserungen, die das Wachstum auf eine nachhaltige Basis stellen. Darunter fällt die infrastrukturelle Ertüchtigung, ein international konkurrenzfähiges Steuersystem mit inhärenten Anreizen für mehr Investitionen und ebenso konkurrenzfähige Preise für Energie. ■ Patrick Schulze, IHK-Experte für Konjunktur Tel.: 030 / 315 10-226 patrick.schulze@ berlin.ihk.de Konjunkturklimaindex der Berliner Wirtschaft Die Umfrage-Ergebnisse verdeutlichen, dass Berlin weiter auf einen Wachstumsimpuls warten muss (IHK, HWK) 65 125 86 112 50 75 100 125 150 2024 2023 2022 2021 2020 2019 FS HFS H FSHFSH FSH FSH jeweils zum Frühsommer (FS) und im Herbst (H) 105 137 Erwartungen Geschäftslage 53 22 34 21 -51 -34 -14 Saldo der: -20 -40 -60 0 20 40 60 2024 2023 2022 2021 2020 2019 FS HFS HFS HFSHFSH FSH jeweils zum Frühsommer (FS) und im Herbst (H) -5 17 Geschäftslage und -erwartungen Zwar ist der Geschäftslageindikator leicht gestiegen, aber die Erwartungen für die nächsten Monate sind negativ Investitions- und Beschäftigungspläne Den Fachkräftemangel bewerten viele Betriebe nicht mehr als großes Risiko – weil sie keinen Stellenaufbau planen Investitionspläne Personalpläne 37 38 22 21 -14 6 Saldo der: -20 0 20 40 2024 2023 2022 2021 2020 2019 FS HFS HFS HFSHFSH FSH jeweils zum Frühsommer (FS) und im Herbst (H) 5 14 105 Punkte beträgt der Konjunktur- klimaindex der Berliner Wirtschaft aktuell, drei Punkte weniger als im Frühsommer. An der Umfrage teilnehmen Gerne können Sie Teil der Konjunktur- umfrage und damit der wichtigsten Erhebung zur konjunkturellen Entwicklung in Berlin werden. Melden Sie sich einfach bei: patrick.schulze@ berlin.ihk.de ILLUSTRATION: GETTY IMAGES/FSTOP/ALICE ADLER; FOTO: FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG Konjunktur | 13 Berliner Wirtschaft 11 | 2024
Klare Ziele: IHK-Vollversammlung beschließt Positionspapiere zum Bürokratieabbau und zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur von Holger Lunau Der Senat muss endlich handeln entwürfe hinsichtlich des bürokratischen Aufwands unter die Lupe nehmen und dann eventuell Änderungen am Gesetz vorschlagen soll. Hintergrund der Initiative: Nach einer IHK-Umfrage vom Januar 2024 bewerten 65 Prozent der Unternehmen die mangelnde Effizienz der Behörden als größtes Investitionshindernis – gegenüber 2017 eine Steigerung um 19 Prozent. Auch die Schaffung einer besseren Verkehrs- infrastruktur muss ganz oben auf der Prioritätenliste stehen, fordert die VV. Dabei gehe es nicht allein um Sanierung oder Ausbau des Straßennetzes, sondern auch um die nötige Transformation hin zur Nullemission und um die Entschärfung der Nutzungskonflikte zwischen Autofahrern, Radlern, Fußgängern und sonstigen Nutzern. Es gehe um flächendeckende Mobilität bis an den Stadtrand, den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs und das sichere Miteinander von Rad- und Lieferverkehr, wie es in dem Positionspapier heißt, das im November im Abgeordnentenhaus vorgestellt werden soll. Nach Ansicht der Berliner Wirtschaft gibt es vier Handlungsfelder: Dazu gehören Verbesserungen beim ÖPNV sowie Regionalverkehr. Für die City brauche es ein Konzept, wie alle Verkehrsformen sinnvoll unter einen Hut gebracht und die zahlreichen Baustellen besser koordiniert werden können. Ein weiterer Punkt ist die Sanierung von Straßen, Brücken und Tunneln und die damit verbundene Schaffung von Ausweichstrecken. Und letztlich müsse die überregionale Anbindung per Eisenbahn, Flugzeug und Schiff optimiert werden. ■ Never ending story – der Bürokratieabbau und eine bessere Verkehrsinfrastruktur in Berlin sind eine unendliche Geschichte. Deshalb hat sich die IHK-Vollversammlung (VV) Ende September zum wiederholten Mal mit diesen Themen befasst und Positionspapiere verabschiedet. Darin werden konkrete Handlungsschritte aufgezeigt und der Senat zum Handeln aufgefordert. Mit diesen Forderungen wurde dann auch Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey konfrontiert, die am 17. Oktober Gast eines Wirtschaftspolitischen Frühstücks der IHK Berlin war (siehe S. 10). Trotz des Vierten Bürokratieentlastungsgesetzes der Bundesregierung sei eine Trendumkehr nicht zu erkennen, heißt es im VV-Papier. Ähnlich wie auf nationaler Ebene schlägt die VV einen Berliner Normenkontrollrat vor, der GesetzPositionspapier Die IHK-Forderungen zum Bürokratieabbau unter: ihk.de/berlin/ pp-buerokratieabbau IHK-Präsident Sebastian Stietzel gab dem Senat bei der Vollversammlung konkrete Empfehlungen 65 % der Unternehmen sehen laut IHK-Umfrage die mangelnde Effizienz der Behörden als größtes Investitionshindernis. FOTO: IHK BERLIN/OFFENBLENDE/STANISLAV AGENDA | Vollversammlung | 14 Berliner Wirtschaft 11 | 2024
Die Probleme sind groß, die Potenziale größer Mehr Swag, weniger Struggle: Dass Berlin trotz aller Widrigkeiten einen fruchtbaren Boden für neue Ideen und Geschäftsmodelle bietet, macht auch die Senatskanzlei mit ihrer Imagekampagne deutlich Die wirtschaftlichen Herausforderungen Deutschlands sind vielfältig und tiefgreifend. Internationale Krisen, Klimawandel, hohe Energie- und Rohstoffpreise, Inflation und Fachkräftemangel – sogar von Deindustrialisierung ist die Rede, ob in den Nachrichten oder im TikTok-„Für Dich“-Feed. Auch die Bürokratie bereitet Kopfzerbrechen. Doch es gibt Lichtblicke: Neue Mitarbeitende in den Bürgerämtern, noch in Einarbeitung, versprechen baldige Verbesserungen. Wir hoffen auf fristgerechte Ummeldungen im Winter. Wäre da nicht die Wohnungsnot, die oft „no Anmeldung“ für Unteruntermieten zulässt. Die Wahlergebnisse aus Thüringen, Sachsen und Brandenburg sorgen international für Aufsehen. Höcke schaffte es auf die Titelseite der „New York Times“ als „The Man Softening the Ground for an Extremist Germany“. Er prangt vor Schwarz-Rot-Gold auf den Schreibtischen amerikanischer CEOs. Doch investiert würde unter Trump sowieso in den USA – getreu „Make America Great Again“. Große Unternehmen wie Volkswagen, BASF, Miele und Viessmann verlagern ihre Produktion ins Ausland. Selbst der Solarbauer Meyer Burger plant, nicht mehr in Deutschland zu fertigen. Aber nun zu den positiven Seiten – weg mit der Meckerkultur! Berlin verzeichnete im ersten Halbjahr 2024 ein Wirtschaftswachstum von 0,3 Prozent. Nur drei Bundesländer wuchsen stärker. Die Zahl der Beschäftigten steigt, die Stadt wächst – Berlin bleibt sexy. Der Ruf als pulsierende Metropole und die Clubkultur locken internationale Gäste. Beschäftigte aus 170 Nationen nennen Berlin ihr Zuhause. Diese Vielfalt und Berlins Ruf haben die Start-upSzene beflügelt und ein starkes Ökosystem geschaffen, das deutschlandweit und europaweit führend ist. Trotz aller Widrigkeiten bleibt Berlin ein Magnet für Talente und Investoren. Die Stadt hat bewiesen, dass sie Krisen meistern kann. Mit seiner einzigartigen Mischung aus Geschichte, Kultur und Innovationskraft ist Berlin gut gerüstet für die Zukunft. Die Herausforderungen sind groß, aber Berlins Resilienz und Anpassungsfähigkeit sind es auch. Von der Kreativwirtschaft bis zur Technologiebranche: Die Stadt bietet ein fruchtbares Umfeld für neue Ideen und Geschäftsmodelle. In diesem Geist hat die Senatskanzlei eine Imagekampagne gestartet, die für mehr Zusammenhalt in der Stadt und mehr Ansehen in anderen deutschen Städten wirbt. Der Slogan bringt es auf den Punkt: „Wenn egal ist, wo du herkommst, dann gehörst du hier hin.“ ■ Meinung In der Kolumne „Auf den Punkt“ positionieren sich im monatlichen Wechsel Mitglieder des Präsidiums zu wirtschaftspolitischen Fragestellungen aus ihrer persönlichen Sicht. präsidiumsmitglieder beziehen stellung Jessyca Staedtler ist Geschäftsführerin der documentus GmbH Berlin und Mitglied des IHK-Präsidiums FOTO: IHK BERLIN/AMIN AKHTAR Auf den Punkt | 15
Das Bildungssystem in Dänemark bietet auch für Berlin wertvolle Impulse, wie die Teilnehmenden einer IHK-Delegationsreise erfahren konnten von Sandra Theede Strategien für die Bildung Impulse für Berlin: die Delegation der IHK in Dänemark, begleitet von Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (vorne Mitte). Rechts von ihr IHK-Präsident Sebastian Stietzel und Stefan Spieker, IHK-Vizepräsident B erlins Bildungssystem ist in vieler Hinsicht verbesserungsbedürftig und steht aktuell vor großen Herausforderungen. Um zukunftsweisende Ansätze in der frühkindlichen Bildung und in der Schulbildung zu erkunden, unternahm die IHK Berlin vom 7. bis 9. Oktober eine Innovationsscoutingreise nach Dänemark. In Begleitung von Staatssekretärin Christina Henke und IHK-Vizepräsident Stefan Spieker erhielten die Mitglieder der Delegation, viele von ihnen aus dem IHK-Ausschuss „Bildungsstarke Stadt“, wertvolle Einblicke in das Bildungssystem unseres nördlichen Nachbarn. AGENDA | Delegationsreise | 16 Berliner Wirtschaft 11 | 2024
Bildungsqualität, Digitalisierung und frühkindliche Sprachförderung müssen in Berlin erfolgreich umgesetzt werden. Die dänischen Konzepte könnten Schlüssel zu innovativen Lösungen dafür sein. Aus diesem Anlass hat auch Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch am zweiten Tag der Reise gemeinsam mit IHK-Präsident Sebastian Stietzel die Delegation begleitet. Ein Höhepunkt war der Besuch von Rambøll. Das dänische Unternehmen hat das digitale Tool „Heart&Mind“ vorgestellt. Dieses evidenzbasierte System ermöglicht es, Sprachentwicklungsstörungen bei Kindern durch systematische Tests bereits in der Kita zu erkennen. 94 von 98 dänischen Kommunen nutzen dieses Programm. Die Teilnehmer waren beeindruckt von der praktischen Anwendung und der Datenerfassung, die dazu dient, gezielte Fördermaßnahmen einzuleiten. Es wurde deutlich, dass solche digitalen Angebote eine effiziente Lösung für das Vorhaben des Berliner Senats sein könnten, die Sprachstandserhebungen und -lerndokumentationen in der frühkindlichen Bildung weiterzuentwickeln. Mehr Eigenverantwortung für die Schulen Ein weiterer interessanter Aspekt der dänischen Bildungsstrategie ist die politische Initiative „Velfaerdsaftaler“. Diese Initiative zielt darauf ab, die Eigenverantwortung der Schulen zu stärken und diesen Freiraum bei der Ausgestaltung des Schulalltags zu geben. Weil alle Schulbeteiligten sich aktiv mit Vorschlägen zu möglichen Veränderungen einbrachten, konnte beispielsweise die besuchte Kildebjergschule in Mørkøv Maßnahmen entwickeln, die zu mehr Zufriedenheit sowohl bei Lehrkräften als auch bei Schülerinnen und Schülern geführt haben. In der Folge verbesserten sich die Leistungsdaten, während gleichzeitig die unentschuldigten Fehltage reduziert wurden. Als Wissensgesellschaft fördert Dänemark kreative und technologiegestützte Unterrichtsansätze. Daher besuchte die Delegation auch das Future Classroom Lab in Kopenhagen und ein ganzes Makerspace-Haus für die umliegenden Schulen. In Makerspaces können Schülerinnen und Schüler selbstständig Projekte umsetzen und dabei verschiedene Werkzeuge nutzen, vom einfachen Bastelmaterial bis hin zu Hightech-Geräten wie 3D-Druckern und Elektronikbausätzen. Je nach Ausstattung kann der Makerspace etwa eine Holzwerkstatt, ein Video- oder Podcaststudio oder ein Coding-Bereich sein. In dem Best-Practice aus Dänemark standen den Schülerinnen und Schülern in verschiedenen Räumen alle genannten Beispiele zur Verfügung. Solche Lernumgebungen fördern eine Fehlerkultur, in der das Ausprobieren und Scheitern nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht ist, um notwendige Kreativität und Teamprozesse zu fördern. Solche innovativen Lehrformate können auch den Schulalltag in Berlin bereichern und eine neue, zeitgemäße Form des Lernens etablieren. „Die digitale Transformation in der frühkindlichen Bildung, wie sie in Kopenhagen umgesetzt wird“, so IHK-Präsident Stietzel, „kann auch in Berlin eine Erfolgsgeschichte werden.“ Die gewonnenen Erkenntnisse aus Kopenhagen haben das Potenzial, die Diskussion um die Digitalisierung und die Individualisierung von Bildungsansätzen in Berlin voranzutreiben. Die teilnehmenden Unternehmerinnen und Unternehmer sind sich einig, dass es an der Zeit ist, mehr Pragmatismus zu wagen, um die Bildungsstrukturen in der Hauptstadt zu modernisieren und den Schülerinnen und Schülern bestmögliche Chancen zu bieten. Dabei darf Berlin nach dem Vorbild Dänemarks nicht nur die Leistungsdaten im Blick haben, sondern muss auch das Wohlbefinden der Kinder im Bildungssystem systematisch in den Mittelpunkt stellen. Investitionen in innovative Bildungslösungen zahlen auf die Zukunft als Wissens- und Wirtschaftsstandort Berlin ein. ■ Gelegenheit zum Austausch: IHK-Präsident Sebastian Stietzel im Gespräch mit der Berliner Staatssekretärin für Bildung, Christina Henke Sandra Theede, IHK-Public-Affairs- Managerin Tel.: 030 / 315 10-829 sandra.theede@ berlin.ihk.de Die digitale Transformation in der frühkindlichen Bildung kann auch in Berlin eine Erfolgsgeschichte werden. IHK-Präsident Sebastian Stietzel FOTOS: IHK BERLIN Delegationsreise | 17 Berliner Wirtschaft 11 | 2024
Gast der IHK: Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger punktete mit ihrem Plädoyer für Entrepreneurship Education von Dr. Mateusz Hartwich Wirtschaft gehört auf den Lehrplan F ür eine führende FDP-Politikerin hätte es bessere Termine für einen öffentlichen Auftritt gegeben als zwei Tage nach der desaströsen Brandenburg-Wahl. Bettina Stark-Watzinger war jedoch in ihrer Funktion als Bundesbildungsministerin zu Gast beim Wirtschaftspolitischen Frühstück der IHK Berlin, sodass der aktuelle Zustand der Ampelkoalition nur am Rande ein Thema war. Vor den etwa 150 Gästen im Ludwig Erhard Haus warb die Ministerin für mehr Mut und Innovation bei Problemlösungen, machte sich für die soziale Marktwirtschaft stark und für Entrepreneurship Education, also die wirtschaftliche Bildung an Schulen. Mit der Feststellung, dass Bildung die Grundlage für wirtschaftliche Entwicklung sei, sprach sie aus, was die anwesenden Unternehmensvertreterinnen und -vertreter sicherlich unterschreiben würden, ebenso wie Bettina Stark-Watzingers klares Plädoyer für die Einwanderung von Fachkräften. Kein Wort über die Ampelregierung Handlungsbedarf bei der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse, die ein Fragesteller aus dem Publikum anhand seines eigenen Lebenswegs schilderte, räumte die Ministerin ein. Der Unternehmer und Bildungsblogger Marco Fechner fragte nach, ob die gegenwärtige Stimmung im Land gezielte Einwanderung benötigter Arbeitskräfte nicht konterkariere. Die Politikerin betonte, dass der Staat nun Handlungsfähigkeit bei der Abwehr irregulärer Migration beweisen müsste und gleichzeitig den Austausch mit den Menschen suchen. Auf Nachfrage von IHK-Hauptgeschäfts- führer Jan Eder bestätigte Stark-Watzinger, dass Bildungspolitik zwar Ländersache sei, der Bund den Bildungsbereich aber mit Förderprogrammen unterstütze, die auch legislaturübergreifend angelegt sind. Die Politikerin zeigte sich auch aufgeschlossen gegenüber Öffentlich-Privaten- Partnerschaften und verwies dabei auf die Erfolge privater Schulen. Mit diesen Partnerschaften hätte das Land Berlin eher schlechte Erfahrungen gemacht, wandte der Moderator ein, bevor er zum Abschluss der Diskussion doch noch auf die Bundespolitik und den Zustand der Ampelregierung einschwenkte. Die Ministerin ließ sich jedoch nicht aus der Reserve locken. Und so fiel auch bei der Jubiläumsausgabe „20 Jahre Wirtschaftspolitisches Frühstück der IHK Berlin“ der Vorhang zu, und viele Fragen blieben offen. ■ Morgentermin im Ludwig Erhard Haus: Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger FOTO: IHK BERLIN/AMIN AKHTAR AGENDA | Wirtschaftspolitisches Frühstück | 18 Berliner Wirtschaft 11 | 2024
Austausch für gemeinsame Lösungen: Drei Tage lang diskutierten die Wirtschaftsjunioren Berlin mit Vertretern des Abgeordnetenhauses von Sara Redolfi (WJB) Brücken schlagen zur Politik prozesse ablaufen und welche komplexen Überlegungen hinter politischen Maßnahmen stehen. Zugleich erhielten die Teilnehmer Einblicke, welche täglichen Aufgaben im Politikbetrieb anstehen und welche strategischen Überlegungen zu einzelnen Themen angestellt werden, um die parteipolitischen Ziele im Parlament durchzusetzen. Nach Einschätzung der Jungunternehmer waren die gesammelten Erfahrungen insofern auch wertvoll, weil sich die Abgeordneten offen und zugänglich zeigten. Unisono berichteten die Wirtschaftsjunioren, dass sie ihre eigenen Perspektiven einbringen, Fragen stellen und unverblümt auch Kritik äußern konnten. Dadurch sei ein echter Dialog entstanden, der für beide Seiten wertvolle Impulse lieferte. Sehr wertvoll war auch die Möglichkeit, neue Kontakte knüpfen und sich noch besser vernetzen zu können. Der Know-how-Transfer ist nach Ansicht der Wirtschaftsjunioren mehr als nur eine Gelegenheit, den politischen Betrieb zu erleben. Er bietet die Möglichkeit, Einfluss auf den politischen Diskurs zu nehmen und eine Brücke zwischen beiden Welten zu schlagen. Aufgrund der vielen positiven Erfahrungen hoffen die jungen Unternehmer, dieses Format auch im kommenden Jahr nutzen zu können. Zu den Wirtschaftsjunioren Berlin gehören rund 60 Unternehmerinnen und Unternehmer, die sich ehrenamtlich für die Entwicklung der Stadt starkmachen. Seit mehr als 70 Jahren werden Projekte in den Bereichen Unternehmertum, Bildung, Nachhaltigkeit und internationale Zusammenarbeit umgesetzt. ■ Einblicke in die Arbeit des Parlaments: die Wirtschaftsjunioren Berlin mit Politikern im Abgeordnetenhaus Wie gelingt es, Brücken zwischen der Politik und der Wirtschaft zu schlagen, gemeinsam Lösungen für wirtschaftspolitische Problemstellungen zu finden? Diese viel und oftmals kontrovers diskutierte Frage beschäftigt auch die Wirtschaftsjunioren Berlin (WJB). Und Antworten findet man, indem man einander kennenlernt und diskutiert. Und so initiierten die WJB in diesem Jahr einen dreitägigen sogenannten Know-how-Transfer mit Politikerinnen und Politikern im Abgeordnetenhaus, frei nach dem Motto „Praxis trifft Praxis“. Daran nahmen 17 Wirtschaftsjunioren und 17 Abgeordnete aus verschiedenen Fraktionen teil. Die Wirtschaftsjunioren konnten so mit den Abgeordneten politische und wirtschaftliche Perspektiven für Berlin auf Augenhöhe diskutieren und miterleben, wie politische EntscheidungsEike Paulun, IHK-Politikkontaktemanager Tel.: 030 / 315 10-873 eike.paulun@ berlin.ihk.de FOTO: ABGEORDNETENHAUS VON BERLIN Wirtschaftspolitik | 19 Berliner Wirtschaft 11 | 2024
INHALT 24 Parkplätze zu See-Oasen Die Tegel Projekt GmbH nutzt Regenwasser als Trinkwasser-Ersatz 26 Ein Rohr hält das Wasser Speichern statt schnell abfließen lassen: Wertical für Bestandsgebäude 28 „Südeuropa wird der größte Markt für uns“ Dr. Hamed Beheshti und Ali Al-Hakim von Boreal Light im Doppelinterview Jeder Tropfen zählt Beim Wassermanagement ist Berlin gut aufgestellt. Vor allem die Aufbereitung aber braucht Investitionen, denn künftig werden Spree und Havel weniger vom kostbaren Nass führen von Katharina Lehmann Berliner Wirtschaft 11 | 2024 fokus
Rohrkeller des Wasserwerks Spandau: Trinkwasser für eine Millionenstadt B is zu 75 Prozent weniger Wasser könnte die Spree in heißen und trockenen Sommermonaten in Zukunft führen, so eine Prognose des Umweltbundesamtes. Der Grund: Bisher werden täglich etwa eine Mio. Kubikmeter Grundwasser aus den Tagebauen der Lausitz abgepumpt und in die Spree geleitet. Mit dem Rückgang der Kohleindustrie in den vergangenen Jahren und dem bevorstehenden Kohleausstieg in den 2030ern wird dieses Wasser fehlen – der Pegel der Spree wird sinken. Für Berlin kann das zum Problem werden. Denn die Hauptstadt bezieht rund 70 Prozent der 216 Mio. Kubikmeter Trinkwasser, die jedes Jahr in etwa verbraucht werden, aus Uferfiltraten von Havel und Spree. Dafür wird Wasser an den Ufern der Flüsse von unterirdischen Pumpen durch reinigende Sand- und Gesteinsschichten nach unten gesaugt, von oben strömt neues Wasser nach. Das abgesaugte Wasser wird dann im Wasserwerk zu frischem Trinkwasser aufbereitet. Führt aber gerade die Spree in Zukunft weniger Wasser, droht Knappheit. Geht Berlin also das Wasser aus? „Ganz so bedrohlich ist es um die Wasserversorgung Berlins nicht bestellt“, beruhigt Prof. Dr. Irina Engelhardt. Sie leitet am Institut für Angewandte Geowissenschaften der Technischen Universität Berlin das Fachgebiet Hydrogeologie. Aber: „Die Wasserstresssituationen werden zunehmen.“ Unter Wasserstress versteht Engelhardt Zeiten, in denen aufgrund anhaltender Trockenheit den Gewässern und dem Grundwasservorrat mehr Wasser entnommen wird, als sich nachbildet – ein Problem, mit dem vor allem der Nordosten Deutschlands als eine der niederschlagsärmsten Regionen der Bundesrepublik aufgrund des Klimawandels zukünftig immer stärker konfrontiert sein wird. Doch Berlin habe seine Wasserwirtschaft klug aufgebaut und gehe sehr nachhaltig mit der Ressource Wasser um, FOTO: BERLINER WASSERBETRIEBE/SVEN BOCK Berliner Wirtschaft 11 | 2024 Wassermanagement | 21 »
erklärt Engelhardt. Nicht nur werde es in der Stadt mittels Schleusen und Stauwehren eingestaut und damit im Stadtgebiet gespeichert. Wichtiger sei, dass sich Berlin im Gegensatz zu Brandenburg vor allem mit aus Uferfiltrat gewonnenem Wasser versorge – und eben nicht mit dem wertvolleren Grundwasser. Das in den sechs Klärwerken gereinigte Abwasser werde wieder in die Gewässer ausgebracht und könne auf diese Weise erneut verwendet werden. So werde jeder Tropfen Wasser im Schnitt dreimal genutzt, bevor er die Stadt verlässt, verdeutlicht die Expertin. Insgesamt neun Wasserwerke gibt es in Berlin; sie versorgen die knapp 3,9 Millionen Einwohner mit Trinkwasser, zudem die Verwaltung und die Wirtschaft. „Einige Industrie- unternehmen haben noch eigene Brunnen und Förderkapazitäten“, erklärt Prof. Dr. Christoph Donner, der als Vorstandsvorsitzender der Berliner Wasserbetriebe für das Wassermanagement der Hauptstadt zuständig ist. Und Donner weiß: Eine sichere Wasserversorgung ist nicht nur für die Menschen essenziell – sie ist auch ein wichtiger Standortfaktor. Steigender Bedarf, wenig Niederschlag „Wir arbeiten daran, auch in Zukunft die Stadt auskömmlich in Menge und Qualität versorgen zu können.“ Die beiden Flüsse Spree und Havel sind von der Wasserführung schon immer eher Rinnsale und gaukeln nur durch die Stauhaltung Größe und Menge vor. Der Klimawandel und der deshalb eigentlich sinnvolle Kohleausstieg wird durch den Wegfall der Sümpfungswässer aus der Lausitz die Spree bald noch dürftiger machen. Dazu steigt mit dem Wachstum der Hauptstadtregion auch der Wasserbedarf in dem vergleichsweise niederschlagsarmen Gebiet wieder. Das erfordert allerdings auch, das Wasser in Zukunft immer enger im Kreis zu führen, erklärt Donner. Der Kreislauf zwischen Nutzung, Reinigung und Aufbereitung wird also immer kürzer. Es kommt also vor allem darauf an, wie die Hauptstadt mit ihrem Regen- und Schmutzwasser umgeht. Damit das in Zukunft noch besser gereinigt und einer erneuten Nutzung zugeführt werden kann, stocken die Berliner Wasserbetriebe ihre Klärwerke derzeit um weitergehende Reinigungsstufen auf. Das Klärwerk Stahnsdorf im Süden von Berlin wird sogar komplett erneuert. So sollen Schadstoffe noch besser aus dem wertvollen Nass entfernt werden. Abwasser besser nutzen Doch auch die Unternehmen selbst können etwas tun, um die Wasserbetriebe beim Management des regionalen Wasserkreislaufs zu unterstützen, fordert Ulf Miehe, Umweltingenieur und Gruppenleiter Wasseraufbereitung & -wiederverwendung beim Kompetenzzentrum Wasser Berlin gGmbH. „Vor allem große Unternehmen können ihre Abwässer selbst von produktionsspezifischen Verunreinigungen befreien und als Brauchwasser wiederverwenden. Außerdem könnten sie prüfen, ob sie bestimmte Abwasserströme für andere Prozesse nutzen können.“ Auch ließe sich aufbereitetes Abwasser zum Beispiel zum Spülen von Toiletten in den Verwaltungsgebäuden verwenden. Damit das funktioniert, brauche es aber eine strikte Trennung von Trinkwasser- und Brauchwasserverteilung, zum Beispiel durch den Einbau eines zweiten Leitungsnetzes. Und auch für kleine Unternehmen und Produktionseinheiten hat der Umweltingenieur einen Lösungsvorschlag: „Wasser- und Abwassermanagement muss in Zukunft für Gewerbegebiete geplant werden.“ So ließe sich zum Beispiel das Brauchwasser eines Unternehmens vor Ort aufbereiten und für die Belange eines anderen – zum Beispiel als Kühlwasser oder zur Reinigung der Firmenflotte – nutzen. Damit dieses Wassermanagement allerdings Realität wird, bräuchte es ein zweites Rohrnetz, in dem Abwasser, das endgültig in die Kläranlage gehen soll, von solchem getrennt wird, das vor Ort weiter benutzt werden kann. „Wenn wir Wasser mehrfach benutzten, sinkt der Bedarf, dem Wasserkreislauf frisches Trinkwasser zu entnehmen. Dies hilft letztlich der ganzen Metropolregion.“ Wie wichtig es ist, dass in der Frage der Wasserversorgung alle Akteure an einem Strang ziehen, weiß auch IHK-Vizepräsident Robert Rückel: Als Vertreter der Unternehmen setzten sich die Industrie- und Handelskammern in Berlin und Brandenburg bereits durch zahlreiche Aktivitäten für ein nachhaltiges Wasserressourcenmanagement in der Region ein. Dazu gehörten der stetige Austausch innerhalb eines länderübergreifenden Christoph Donner Vorstandsvorsitzender Berliner Wasserbetriebe Wir arbeiten daran, auch in Zukunft die Stadt auskömmlich in Menge und Qualität versorgen zu können. FOTOS: ISTOCK/EDUARDHARKONEN(2), IHK BERLIN/AMIN AKHTAR, BERLINER WASSERBETRIEBE/SVEN BOCK FOKUS | Wassermanagement | 22 Berliner Wirtschaft 11 | 2024
Arbeitskreises, politische Interessenvertretung, wie die Einreichung von Forderungspapieren oder parlamentarische Bootsfahrten, die Erhebung von Wirtschaftsdaten, Wasserkongresse sowie lösungsorientierte Angebote wie die Water Innovation Challenge. „Den Kammern ist es besonders wichtig, mit anderen zentralen Akteuren wie dem Verband kommunaler Unternehmen (VKU) oder den Hochschulen und Kompetenzzentren zusammenzuarbeiten, um einen größtmöglichen positiven Effekt zu erzielen“, erklärt Rückel. Dabei sei es wichtig, sowohl die Verfügbarkeit als auch die Qualität der Wasserressourcen im Blick zu behalten, Infrastrukturmaßnahmen länderübergreifende zu planen sowie ausreichend Wasserspeicher bereitzuhalten und die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung in der Regionalplanung und bei Ansiedlungsprozessen zu berücksichtigen. „Außerdem brauchen wir ganzheitliche Lösungen für Extremwetterereignisse wie die Schwammstadt.“ Genau damit befasst sich Dr. Darla Nickel. Als Leiterin der Berliner Regenwasseragentur forciert sie den Umbau Berlins zur Schwammstadt, in der Regenwasser auf verschiedenste Weise sinnvoll genutzt wird. War es bis vor Kurzem noch Ziel, Regenwasser so schnell wie möglich von Straßen, Plätzen und Gebäuden abzuleiten und aus der Stadt hinauszubefördern, gilt heute, das kostbare Nass so lange wie möglich in der Stadt zu halten. Ressource Regenwasser „Regenwasser ist eine für die Ableitung viel zu wertvolle Ressource, nicht nur für die Grundwasserneubildung, sondern auch für die Kühlung der Stadt über Schwammstadt-Elemente wie etwa grünen Dächern und Versickerungsmulden, für die Biodiversität, aber auch für die Speicherung zur Bewässerung oder Toilettenspülung.“ Doch Regenwasser ließe sich je nach Unternehmen auch als Prozesswasser nutzen, zum Beispiel für die Kühlung von Industriestandorten oder Produktionsprozessen. Wichtig dafür: die richtige Aufbereitung. So weit aber, weiß Darla Nickel, sind Berliner Unternehmen zumeist noch nicht. ■ Larissa Scheu, IHK-Public-Affairs- Managerin Energie- und Klimaschutzpolitik Tel.: 030 / 315 10-686 larissa.scheu@berlin. ihk.de Wassermanagement | 23 Berliner Wirtschaft 11 | 2024 Wasserkongress 2025 in Berlin Der Wasserkongress 2025 findet am 12. und 13. Mai im Ludwig Erhard Haus statt. Auf dem Programm stehen unter anderem diese Themen: Schwammstadt, Strukturwandel Lausitz, Infrastrukturausbau und Finanzierung. Partner bei dem Kongress sind neben der IHK Berlin die IHKs Potsdam, Cottbus, Ostbrandenburg, Leipzig, Chemnitz und Dresden sowie der VBKI, der VKU Landesgruppe Berlin-Brandenburg und der VKU Sachsen. Robert Rückel Vizepräsident IHK Berlin Wir brauchen ganzheitliche Lösungen für Extremwetterereignisse wie die Schwammstadt.
Ludwig Löffler-Dauth verantwortet bei der Tegel Projekt GmbH alle Themen mit Wasserbezug Wir werden Verdunstungs- beete anlegen – mit Pflanzen, die sowohl Hitzeperioden als auch Starkregen aushalten. Ludwig Löffler-Dauth FOKUS | Wassermanagement | 24
L udwig Löffler-Dauth saust im Golfcart über die Rollbahnen des früheren Airports TXL und erklärt, wie er sich ein nachhaltiges Wassermanagement für die Urban Tech Republic mit dem angrenzenden Schumacher Quartier vorstellt. Für die Tegel Projekt GmbH leitet Löffler-Dauth alle Maßnahmen mit Wasserbezug und steht dort gleich diversen Herausforderungen gegenüber: Er will das Gebiet zur Schwammstadt entwickeln, Regenwasser nutzen, wo immer es geht, und so das wertvolle Trinkwasser ersetzen. Zudem befindet sich das Areal nicht nur teilweise in einem Trinkwasserschutzgebiet, die umliegenden Gewässer wie der Spandauer Schifffahrtskanal sollen auch von Verschmutzungen frei gehalten werden. Und der TXL steht zudem unter Denkmalschutz. Das bedeutet: Das ehemalige Flughafengelände muss so, wie es heute ist, erhalten bleiben. Das gilt ebenfalls für die betonierten Flächen, über die früher Flugzeuge rollten. Keine Entsiegelung also. Doch Löffler-Dauth verfolgt einen Plan: „Dort, wo früher Parkplätze waren, entsteht ein Regenwasserauffangbecken, in das das Wasser von den versiegelten Flächen fließt und gereinigt wird.“ Gleich einem See wird hier auf 800 Quadratmetern Fläche Regenwasser gesammelt. „Das Wasser, das früher ungenutzt in den Schifffahrtskanal floss, stauen wir auf und nutzen es als Brauchwasser.“ Während überirdisch eine Wohlfühloase zum Verweilen einlädt, filtern unter dem Regenwasserreservoir Substratschichten das Wasser, das dann in der Regenwasserkanalisation eingespeichert wird. Genutzt werden soll es in Zukunft von den Unternehmen, die sich in den kommenden Jahren in der Urban Tech Republic ansiedeln – so zum Beispiel von der Berliner Feuer- wehr- und Rettungsdienst-Akademie, die von 2028 an hier einen Ausbildungsstandort plant und für ihre Löschübungen regelmäßig große Wassermengen benötigt. Wenn doch mal Starkregen naht, wird das gefilterte Wasser bereits vier Stunden vor dem Sturm kontrolliert in den Schifffahrtskanal gepumpt. Dabei hilft das Internet of Things, das mit Daten der Wetterdienste, der Pegelstände und Speicherbestände sowie des Bedarfs der Konsumierenden an den Entnahmestellen gespeist wird und genau errechnet, wie viel Wasser abgelassen werden muss. Da nur in Ausnahmefällen gereinigtes Wasser in den Kanal fließt, werden die Kanalisation entlastet und die umliegenden Gewässer reingehalten. Natürliche Kühle durch Verdunstung Lieber ist es Löffler-Dauth allerdings, wenn er alles Nass von oben in der Schwammstadt speichern könnte. Denn das sorgt für natürliche Abkühlung und ein angenehmes Klima, gerade in heißen Sommern – und das nicht nur rund um den künstlich angelegten See. Begrünte Dächer und Freiflächen sorgen für Verdunstungsfrische, sowohl im Technologiepark Urban Tech Republic als auch im künftigen Schumacher Quartier. Das entsteht im Osten des ehemaligen Flughafengeländes auf 48 Hektar. Mehr als 5.000 Wohnungen sollen für gut 10.000 Menschen zu einem Zuhause werden. Geplant sind außerdem Einkaufsmöglichkeiten, öffentliche Einrichtungen, zwei Schulen, Sport- und Jugendeinrichtungen sowie sechs Kindertagesstätten. Bereits 2028 sollen die ersten Mieter einziehen, bis Mitte der 2030er-Jahre die Bauarbeiten abgeschlossen sein, so die Pläne der Tegel Projekt GmbH. Nicht eingeplant ist hingegen eine Regenwasserkanalisation im Schumacher Quartier. Die wird Löffler-Dauths Plänen zufolge nicht gebraucht. Denn auch hier wird Wasser gespeichert, wo immer es geht. „Über das gesamte Wohnquartier verteilt werden wir Verduns- tungsbeete anlegen – mit Pflanzen, die robust sind, sowohl Hitze- und Trockenperioden als auch Starkregen aushalten und dank ausgezeichneter Verdunstungsleistungen in heißen Sommern für natürliche Abkühlung sorgen.“ Zusätzlich werden Versickerungsflächen das Wasser auffangen und für die Bewohner nutzbar machen. ■ Die Tegel Projekt GmbH plant auf dem früheren Airport Kreisläufe, in denen Trinkwasser teils durch gespeichertes Regenwasser ersetzt werden kann Parkplätze zu See-Oasen Gut vernetzt Der QR-Code führt zum Unternehmen auf LinkedIn: 800 Quadratmeter groß wird ein künstlicher See auf dem TXL-Areal. Darin wird Regenwasser gesammelt, das gefiltert als Brauchwasser auf dem Gelände genutzt werden kann. FOTO: CHRISTIAN KIELMANN Wassermanagement | 25 Berliner Wirtschaft 11 | 2024
www.ihk.deRkJQdWJsaXNoZXIy MTk5NjE0NA==