Berliner Wirtschaft November 2021
Wir kommen aus der Barszene und wollen in den Bars unser Image aufbauen. Sigrid Bachert Sigrid Bachert vor der Weltkarte, auf der die Export- länder ihrer Firma markiert sind Wie sind Sie in Deutschland durch die Pandemie gekommen? Deutlich besser, weil wir hier auch imEinzelhandel schon recht stark waren. Im Ausland sind wir zu 80 Prozent von der Gastronomie abhängig gewesen, in Deutschland nur noch zu 30 Prozent. Wir haben in der Krise unsere Gastronomie-Außendienst-Mann- schaft zusätzlich in den Handel geschickt. Das hat viel gebracht. So konnten wir in Deutschland einen Teil der Exportverluste ausgleichen. Das Umsatzmi- nus 2020 lag insgesamt bei nur drei Prozent. Wie sind Sie imAuslandmit der Krise umgegangen? Das war sehr schwer. Im Ausland sind wir im Ein- zelhandel noch sehr schwach vertreten. Wir haben auch dort den Vertrieb während des Lockdowns auf den Handel fokussiert. Aber in der Regel ist es nur einmal im Jahr möglich, sich neu in denMärkten lis- ten zu lassen. Wir konnten also nur noch dafür sor- gen, dass wir 2021 in die Regale kommen. Für 2020 konntenwir imAusland damit keine Umsätze retten. Warum war im Ausland die Abhängigkeit von der Gastronomie so viel größer als in Deutschland? Es ist unsere Strategie, unsere Marke zuerst über die Gastronomie bekannt zu machen. Wir kommen aus der Barszene und wollen in den Bars unser Image und unsere Markenbekanntheit aufbauen. Wenn das gelungen ist, gehen wir in den Einzelhandel. Die Kunden sollen dann dort die Marke Thomas Henry, die sie in den Bars erlebt haben, wiedererkennen. Das haben wir in Deutschland zunächst genauso gemacht, nur sind wir hier eben schon weiter und auch im Einzelhandel bereits erfolgreich. Dann ist diese Strategie auch die Blaupause für den Einstieg in die jeweiligen Exportmärkte? Ja, der Kern der Marke ist immer die Barkultur. So entwickeln wir übrigens auch Produkte. Wir gehen auf Ideen von Barkeepern ein oder entwickeln eigene Ideenmit Barkeepern weiter. Wir gehen dafür nicht in Labore. Für Botanical Tonic, das wir 2020 auf den Markt gebracht haben, wurden fünf Rundenmit Bar- keepern veranstaltet. Das ist wichtig, weil wir keine Produkte zumPur-Trinken haben. Wir sehen uns als Mixer. Das Produkt muss mit Alkohol den richtigen Geschmack treffen. Und den kann nur jemand fin- den, der in der Bar-Szene zu Hause ist und die ver- schiedenen Spirituosen gut kennt. Sind Barkeeper sozusagen die Stars in Ihrem Geschäft? Ich glaube, dass Barkeeper schon immer so etwas wie Influencer waren. Ein Influencer ist ja jemand, der etwas empfiehlt. Und die Aufgabe eines Barkee- pers ist es als Gastgeber und Experte für Spirituosen, einen guten Drink zu empfehlen. Früher hat manmal gesagt: Köche sind die neuen Rockstars. Ich würde sagen: Barkeeper sind die neuen Rockstars. Übrigens treffen sich Barkeeper aus aller Welt einmal im Jahr auf demBar Convent Berlin. Das ist eine Fachmesse, die vor etwa zehn Jahren gegründet wurde. Mit ihr ist Thomas Henry quasi aufgewachsen. Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, in wel- che Länder sie exportieren wollen? Wir schätzen für die Märkte ab, welches Absatz- potenzial sie bieten und wie wir uns dort preislich aufstellen können. Wir sind ein Premiumprodukt. Wir produzieren alles in Deutschland. Also müssen wir sicherstellen, dass wir Margen erwirtschaften können, mit denen wir zurechtkommen. Außerdem brauchen wir in jedem Land einen Distributions- partner. Die sind am Ende ausschlaggebend für den Erfolg in den Märkten. FOTOS: ULRICH SCHUSTER SCHWERPUNKT | Interview
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