Berliner Wirtschaft November 2021

den Wirtschaftsverkehr nicht lähmt. Wer die Wirtschaft ausbremse, bremse Berlin als einzige Weltstadt Deutschlands aus, so IHK-Präsident Daniel-Jan Girl. Wie Girl betonte, gebe es nur mit einer funk- tionierenden Wirtschaft Wohlstand und damit das Geld, um Straßen undWohnungen zu bauen, Schulen zu finanzieren und Innovation zu ermög- lichen. Auch IHK-Vizepräsident Sebastian Stietzel betonte die wichtige Rolle der mittelständischen Unternehmen bis zu 50 Mitarbeitern, „die mit 98 Prozent die Berliner Wirtschaft ausmachen. Von der neuen Landesregierung erwarten wir eine Wirtschaftspolitik, die auf diese Berliner Wirt- schaftsstruktur fokussiert“. Dabei mahnte Stiet- zel u. a. die zügige Optimierung und Digitalisie- rung aller wirtschaftsrelevanten Verwaltungs- services an. Gerd Woweries, Vorsitzender des Berufs- bildungsausschusses der IHK, wies auf den zu erwartenden dramatischen Fachkräftemangel hin und betonte: „Ausbildung kann Abhilfe schaf- fen. Als Geschäftsführer eines Unternehmens, das für den eigenen Konzern und rund 200 Unterneh- men aus Berlin und Brandenburg ausbildet, weiß ich aber auch: Es wird immer schwerer, Jugendli- che für die Ausbildungsplätze zu finden.“ Wowe- ries forderte eine Steuerung der beruflichen Bil- dung nach demVorbild des Hamburger Institutes für Berufliche Bildung, in der alle Ressorts und Einrichtungen gebündelt sind. Außerdem sprach er sich für vergleichbare Anreize für Azubis und Studierende aus. Immobilienwirtschaft ist Teil der Lösung Zum Thema Wohnungsmarkt betonte Thomas Groth, Ausschuss Bau- und Immobilienwirtschaft und Mitglied der Vollversammlung, dass die Ber- liner Immobilienwirtschaft Teil der Lösung sei, wenn es ummehr bezahlbarenWohnraum in der Stadt geht. „Von der Politik benötigen wir hierzu klare Rahmenbedingungen wie die Bereitstel- lung von Flächen für den Neubau, eine starke Beschleunigung bei der Schaffung von Bau- recht, kluge Instrumente der Neubauförderung und schnellere Genehmigungsprozesse einer mit ausreichend Personal und zeitgemäßer Technik ausgestatteten Verwaltung“, so Groths Forderung. Anne-Kathrin Kuhlemann, Ausschuss Wirt- schaftspolitik, griff das Enteignungsvolksbe- gehren auf und resümierte: „Wer Enteignungen erwägt, gefährdet den Wirtschaftsstandort auch über die Wohnungsbranche hinaus.“ Die Unter- nehmerin sieht aber große Chancen in Digitali- sierung und Nachhaltigkeit, die „Berlin vor allem als Leuchtturm einer vernetzten und stadtver- träglichen Industrie auf die Karte setzen können. So steigern wir dieWertschöpfung, schaffen gute Jobs und erhöhen die Krisen-Resilienz in Berlin und der Region.“ Dass Wirtschaft und Verwaltung als Mannschaft zusammenspielenmüssen, damit die Gesundheitsbranche der Metropolregion auch künftig im internationalenWettbewerbmithalten kann, betonte Günther Pätz, Ausschuss Gesund- heitswirtschaft: „Dafür muss aber einiges getan werden: Die Genehmigungsprozesse für wich- tige pharmazeutische Herstellungen dauern zu lange! Wir brauchen deutlich vereinfachte Ver- fahren etwa bei der Verlängerung bereits geneh- migter Prozesse. Der Einsatz vorhandener, digita- ler Produkte der Gesundheitswirtschaft darf nicht länger an fehlenden einheitlichen Datenstandards scheitern.“ Aktionsplan Innenstadt gefordert Als Vertreterin des IHK-Ausschusses Handel wies Martina Tittel auf die Folgen der Pandemie hin: „Leerstände, auch an zentralen Stellen wie dem Tauentzien oder der Friedrichstraße. Der Wan- del in den Innenstädten hatte sich schon länger abgezeichnet, aber Corona hat diesen Trend so stark beschleunigt, dass dringender Handlungs- bedarf besteht.“ Tittel, die auch Mitglied der Voll- versammlung ist, wies darauf hin, dass „wir von der Politik dringend einen Aktionsplan Innen- stadt brauchen, um die Geschäftsstraßen vor einem drohenden Funktions- und Bedeutungs- verlust zu bewahren.“ Unerlässlich sei auch die Stärkung der Akteure vor Ort. Von Corona eben- falls stark betroffen ist der Tourismus. Wie Robert Rückel, Ausschuss Tourismus und Mitglied der Vollversammlung, ausführte, hätten Touristen vor Corona 17 Mrd. Euro in der Stadt ausgegeben. „Ohne sie müssten nicht nur Hotels, sondern auch Clubs, Theater, Museen, Attraktionen und Restau- rants schließen, und über 200.000 Berliner wären ohne Arbeit. Vom neuen Senat erwarte ich daher ein klares Bekenntnis zum Tourismusstandort: Die Übernachtungssteuer muss zu 100 Prozent in den Standort reinvestiert werden, statt Besucher mit neuen Abgaben wie einemÖPNV-Zwangsti- cket zu belasten.“ Außerdem fordert Rückel einen Tourismus-Staatssekretär, der Ansprechpartner der Querschnittsbranche sein müsse, „damit das Behörden-Pingpong zwischen vier Senatsverwal- tungen ein Ende hat“. ■ Daniel-Jan Girl IHK-Präsident Wer die Wirtschaft ausbremst, bremst Berlin als einzige Weltstadt Deutschlands aus. 70 außeruniversitäre Forschungsein- richtungen festigen den Ruf Berlins als exzellenten Innova- tionsstandort. FOTO: CHRISTIAN KRUPPA 21 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 11 | 2021 AGENDA | Wirtschaftspolitik

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