Berliner Wirtschaft November 2021

Unternehmerin Sonja Jost, Unternehmer Kaweh Niroomand und IHK-Präsident Daniel-Jan Girl schlagen im Gespräch neue Pflöcke für Berlin ein von Claudia Engfeld „Stadt der Ideen, des Muts und der Taten“ V ieles muss sich ändern, in der Stadt, in der Politik und in der Mentalität – IHK-Präsi- dent Daniel-Jan Girl, selbst Unternehmer, markiert gemeinsam mit Sonja Jost und Kaweh Niroomand die Aufgaben für ein funkti- onierendes Berlin. daniel-jan girl : Lasst uns über Berlin sprechen, die Berliner Wirtschaft, die IHK, die Rolle der IHK, Start-ups, aber auch über die Risiken in den nächsten Monaten. Also, Sonja Jost hat ein Start-up in der Chemiebranche. Wenn ich das richtig verstanden habe, findet Ihr in Deutsch- land keine Finanzierung. Ihr seid jetzt mit Japan in Verhandlungen, oder?Wieso ist das in Deutsch- land so schwierig? sonja jost : Das ist ein echtes Problem. Industrie- Start-ups sind kapitalintensiv. Es dauert länger, bis es zu Rückflüssen kommt. Du kennst das ja auch selbst aus demHardware-Bereich. Da inves- tieren Risikokapitalgeber aus Deutschland nicht gerne. Das führt aber dazu, dass Innovationen, die es in Berlin eigentlich gibt, am Ende nicht auf dem Markt landen. Girl : Was würdest du denn raten? Jost : Wir müssen Industrie-Start-ups den Zugang zu Kapital ermöglichen. Wenn du hier einem Investment-Manager von deinemChemie-Start- up erzählst, dann schlägt der die Hände über dem Kopf zusammen und sagt: „Ach, ich war schon in der Schule so schlecht in Chemie.“ Im besten Fall ruft er vielleicht irgendeinen alten Buddy aus seinem Netzwerk an, der bei der BASF arbeitet. » Daniel-Jan Girl, Präsident der IHK Berlin, leitet ein Unternehmen für multimediale Kundenbindungs- systeme Da arbeiten aber über 100.000 Leute. Und kann dann ausgerechnet dieser eine Buddy deine Idee inhaltlich einschätzen? Der Fonds der Univer- sität von Tokio ist ein super Beispiel dafür, was andere Länder besser machen. Wenn du die dorti- gen Fondsmanager nach Kapital fragst, dann las- sen die deine Geschäftsidee von den Fach-Exper- ten an der Uni bewerten. Girl : Das Wissen haben wir hier ja auch an den Unis und Forschungseinrichtungen. Wir müs- sen also Wege finden, wie wir Innovation, fach- liche Expertise und Kapital zusammenbringen. Das sollten wir als IHK unbedingt vorantreiben. Kaweh Niroomand : Ich würde sagen, da haben wir schon den ersten Auftrag an den neuen Prä- sidenten: Brücken zu schlagen zwischen Start- ups auch aus der Industrie zu Wissenschaft und Politik. Ichmöchte aber einen inhaltlichen Schritt zurückgehen und über IhreWahl zum IHK-Präsi- denten sprechen. Waren Sie eigentlich überrascht über das Wahlergebnis? Das war ja so nicht unbe- dingt zu erwarten gewesen. Girl : Natürlich habe ichmich über das eindeutige Vertrauen sehr gefreut. Und ich finde, wir haben in der Vollversammlung bewiesen, welche Vorteile Demokratie hat und wozu ein Diskurs führt. Es hat gezeigt, dass Mut belohnt wird. Und wir brau- chen jetzt alle viel Mut für Berlin, endlich die Pro- bleme anzupacken und zu lösen. Dabei dürfenwir nicht unsere Grundprinzipien der sozialenMarkt- wirtschaft aufgeben, sondern im Gegenteil, den Menschen und Unternehmen muss wieder mehr zugetraut und zugemutet werden. Daniel-Jan Girl Präsident der IHK Berlin Wir brauchen einen höheren Frauenanteil in der Vollver- sammlung. Wir wollen deshalb gezielt Frauen ansprechen und sie zur Mitgestaltung animieren. FOTO: INES MEIER AGENDA | Unternehmergespräch 14 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 11 | 2021

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