Berliner Wirtschaft November 2021
aber auf eine Mischung aus Erfahrung und Bauchgefühl. „Die beste Prüfung der Kom- petenz ist, wenn Unternehmer selbst für ihre Behauptungen einstehen müssen – was aber leider eben nicht immer der Fall ist“, so der Unternehmer. Dies unterscheide zum Bei- spiel auch die Politik von der Privatwirtschaft. Kofler ver- wies in diesem Zusammen- hang auf die aktuelle Enteignungsdebatte von großen Immobilienkonzernen in Berlin. Außer- dem könne er – nachdem die Berliner gerade mit demMietendeckel „brutalst möglichen Anschau- ungsunterricht“ gehabt hätten, wie sozialisti- sche Instrumentarien krachend scheitern – nur über die „faszinierende Unbelehrbarkeit“ von einigen Menschen staunen. Um zurück auf die Frage nach unternehmerischen Entscheidun- gen zu kommen, stellte Eder die Anschlussfrage: „Nach welchen Maßstäben gehen Sie Investitio- nen ein?“ Kofler erklärte, auch hier spiele Intui- tion eine große Rolle: „Man kann ja nur auf Men- schen setzen. Unternehmen sind Organisationen, in denen Menschen wirken, daher schaue ich vor allem auf die Gründer – und natürlich auf die Geschäftsidee.“ Dafür müsse man seinem inne- ren Kompass vertrauen. Im Laufe der Diskussionsrunde sprach Jung- unternehmerin Katharina Marioth-Lange die frustrierenden Bürokratiehürden beimGründen an. Kofler stimmte ihr zu und stellte der Berliner Verwaltung das Prädikat „katastrophal“ aus. „Ich befürchte, dass Berlin mittlerweile eine der am schlechtesten verwalteten Hauptstädte Euro- pas ist“, urteilte Kofler. Das sei eine Blamage für Deutschland – ebenso wie die Wahlpannen in Berlin. Und weiter: „In der deutschen öffentli- chen Verwaltung ist ein Bürokratie- monster gezüchtet worden, das die Dynamik lähmt und die Trägheits- gesetze verabsolutiert.“ Die Prozesse müssten dringend beschleunigt und vereinfacht werden. Auch in Sachen Digitalisierung läge Deutschland weit hinten. Als Nächstes berichteten Peter Sänger von Green City Solutions und auch Unternehmerin Sarah Funk von den Unsicherheiten und dem Druck, unter dem viele Start-ups stehen. Kofler bekräf- tigte, dass das Unternehmertum voller Risiken stecke und Scheitern dazugehöre. Daher schlug der Unternehmer vor, dass in Deutschland eine Art Sonderwirtschaftszone für Start-ups geschaf- fen werden müsse: „Mehr Risikokapital in die Privatwirtschaft geben, dies durch beschleu- nigte Abschreibungen attraktiver machen und im Gegenzug die meisten öffentlichen Förder- programme abschalten.“ International würden schließlich Milliarden darauf warten, in deutsche Unternehmen investiert zu werden. Zudemwolle er nicht, dass Beamte und Staatssekretäre ent- scheiden, wer oder was in Deutschland gefördert werde, sondern der Markt – die Unternehmer und Risikokapitalgeber. Für junge Unternehmer gab er noch folgenden Tippmit auf denWeg: „Das Unter- nehmertum ist ein Abenteuer, und jedes Aben- teuer hat einen Preis. Dieser Preis heißt Risiko. DiesemRisikomuss man ins Auge schauen, mutig sein und damit so locker wie möglich umgehen.“ Ein Trick im Umgang mit Risiken sei, sich vor- zustellen, man hätte noch eine andere Option. Zum Abschluss der Diskussion ging es – natürlich – auch darum, wie die nächste Regie- rung aussehen solle. Seine parteipolitischen Prä- ferenzen hat der Unternehmer selbst mehrfach öffentlich gemacht. „Ich freue mich, dass es bei den Erstwählern nicht nur die Generation ,Fri- days for Future‘ gibt, sondern auch eine junge Generation, die marktwirtschaftlich denkt.“ Von der nächsten Regierung erhoffe er sich vor allem „echten Aufbruch, Mut zu Unkonventio- nellem und zur Priorisierung – insbesondere bei den Themen Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Verwaltung“, schloss Georg Kofler. ■ Jan Eder, Daniel-Jan Girl, Dr. Georg Kofler und Sebastian Stietzel (kl. Foto v. l.) bei der Veranstaltung, die im Hybrid-Format stattfand Dr. Georg Kofler In der deutschen öffentlichen Verwaltung ist ein Büro kratiemonster gezüchtet worden. FOTOS: CHRISTIAN KRUPPA 12 IHK BERLIN | BERLINER WIRTSCHAFT 11 | 2021
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