Berliner Wirtschaft Oktober 2025

Infrastruktur Bewegung im Berliner Verkehr: neue Brücken im Eiltempo Seite 10 IHK-Umfrage Zufriedene Azubis, aber viele Ausbildungsplätze bleiben unbesetzt Seite 42 IP Festival Wissen wird Wirtschaft Patente als Motor für Unternehmenserfolge: Jetzt anmelden! Seite 63 Mehr in der BW Online Recruiting weltweit Fachkräfte aus Namibia: Gute Idee!, findet Björn Fromm, Präsident des Berliner Handelsverbands und Chef dreier Edeka-Märkte. Mit der TalentsBridge der IHK Berlin wird sie jetzt umgesetzt Seite 18, Interview Seite 26 Das Magazin der Industrie- und Handelskammer zu Berlin 10/2025 ihk.de/berlin

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Sebastian Stietzel ist Präsident der IHK Berlin und Geschäftsführer der Marktflagge GmbH, Management & Investments Es macht sich in Büros ebenso bemerkbar wie in Laboren und Werkstätten: Schon heute bleiben in Berlin rund 45.000 Stellen unbesetzt. Die IHK geht davon aus, dass sich die Zahl bis 2035 vervielfachen wird. Wenn wir führender Innovationsstandort bleiben wollen, müssen wir neue Wege gehen, um Fach- und Arbeitskräfte zu gewinnen und zu halten. Wie mit unserem Projekt TalentsBridge, das wir seit Anfang des Jahres intensiv vorantreiben: Gemeinsam mit Partnern aus Berlin und Namibia organisieren wir die Ausbildung junger Menschen nach deutschen Standards in Berlins Partnerstadt Windhoek. Mit einem in Deutschland anerkannten Abschluss in der Tasche können diese Jugendlichen im Anschluss ohne große bürokratische Hürden direkt in Berliner Unternehmen arbeiten. Dieses und weitere Projekte zur langfristigen Fach- und Arbeitskräftesicherung stellen wir Ihnen in dieser Ausgabe vor (S. 18). Um die Attraktivität des Standorts zu erhöhen, muss Berlin aber auch in Forschung und vor allem den Transfer von wissenschaftlicher Exzellenz zu wirtschaftlich überzeugenden Produkten investieren. Die Bande zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu stärken, ist eines unserer Kernanliegen als IHK Berlin. Deshalb an dieser Stelle der Hinweis auf unser IP Festival am 25. November (S. 63). Hier erfahren Sie, wie Berliner Unternehmen erfolgreich mit Berliner Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen kooperieren und Patente in marktfähige Lösungen verwandeln. Ihr Kein Fortschritt ohne Fachkräfte und Forschung berliner-wirtschaft.de Mehr Business-News und Storys aus den Unternehmen der Hauptstadt, dazu Zahlen, Fakten und Meinungen bietet der Online-Auftritt der „Berliner Wirtschaft“: Infrastruktur Wenn es um den Verkehr in Berlin geht, fallen die Nachrichten meist negativ aus. Dass es auch anders geht, zeigen nicht nur das Vorgehen bei der Ringbahnbrücke, sondern auch der 16. Bauabschnitt der A 100 und die Wuhletalbrücke. „Vorbild für ganz Deutschland“, so das Fazit des Regierenden Bürgermeisters, Kai Wegner. Seite 10 ZEICHNUNG: ANDRÉ GOTTSCHALK; TITEL: AMIN AKHTAR Berliner Wirtschaft 10 | 2025 Editorial | 03

AGENDA 10 Infrastruktur Berlin muss schnell sein beim Brückenbauen – und kann es auch, wie Beispiele zeigen 13 Kolumne Nicole Korset-Ristic erwartet von der Politik pragmatische Lösungen für Berlin 14 Innovation Beim Festival der Berliner Wirtschaft zeigte sich das Potenzial der Unternehmen FOKUS 18 Internationale Fachkräfte Die TalentsBridge und andere IHK-Projekte sorgen für eine qualifizierte Zuwanderung 22 Unternehmenspraxis Rekrutieren weltweit: Shiso Burger, Frisch & Faust Tiefbau und Bäcker Wiedemann 26 Interview Björn Fromm setzt auf die Verständigung zwischen den Kulturen In meinem Unternehmen beschäftigen wir Menschen aus mehr als 20 Nationen. BRANCHEN 30 Gastronomie Brammibal’s Donuts haben mit ihren Kringeln einen Geschmacksnerv getroffen 32 Innovation Smart Cave Solutions liefert mit virtuellen Welten Lösungen für die Realität 36 Jubiläum Aveato Catering ist eine 25-jährige Erfolgsgeschichte 37 Nachhaltigkeit Vinci Construction erhält von der IHK das EMAS-Siegel 38 Start-up Cornelia Steinbock, Xounds GmbH, über ihr Konzept 39 Immobilien Branchen diskutierten über smartes Wohnen im Alter 41 Historie Der erste Föhn sollte auch gegen Rheuma helfen – gefertigt wurde er in Berlin Gastronomie Jessica Jeworutzki will mit Brammibal’s Donuts zeigen, wie lecker vegan sein kann 30 18 Internationale Fachkräfte Um offene Stellen auch in Zukunft besetzen zu können, sind qualifizierte Arbeitskräfte aus aller Welt gefragt Björn Fromm Präsident des Berliner Handelsverbands und Chef dreier Edeka-Märkte 26 Inhalt | 04

03 Editorial | 06 Entdeckt | 52 Seminare | 58 Impressum 65 Gestern & Heute | 66 Zu guter Letzt FACHKRÄFTE 42 Ausbildungsbilanz Auch dieses Jahr bleiben zu viele Plätze unbesetzt 44 Ausbildungsmarketing Recruitingkongress der IHK hilft bei der Azubi-Suche 46 Verbundausbildung Wie man in der Kita das Kochen lernen kann 47 Begabtenförderung Programm für jene, die in der Ausbildung gepunktet haben 48 Prognose IHK-Fachkräftemonitor zeigt Bedarf an Arbeitskräften auf 50 Weiterbildung Portal, das bei Qualifizierung von Mitarbeitenden hilft SERVICE 56 Gründung Wie Beatrice Lerch mit Unterstützung der IHK ihre Firma auf den Weg brachte 58 Standort IHK-Veranstaltung zur Finanzierung von Start-ups 60 Marketing Tipps, wie Unternehmen Social Media nutzen können 62 Beratung Wann Online-Coachings eine Zulassung erfordern 63 IP Festival IHK-Veranstaltung rückt Patente in den Blickpunkt Ausbildungsbilanz Auch bei der IHK Berlin sind neue Azubis am Start, hier mit Hauptgeschäftsführerin Manja Schreiner 42 Schreiben Sie uns Worüber möchten Sie in der „Berliner Wirtschaft“ informiert werden? Senden Sie Ihre Anregungen per Mail an: bw-redaktion@berlin.ihk.de ILLUSTRATION: ADOBE STOCK/NATALIA KOSAREVICH; FOTOS: AMIN AKHTAR, IHK BERLIN/OLIVER LANG Berliner Wirtschaft 10 | 2025 Inhalt | 05 das uns! Überlassen Sie Professionelle Entsorgungslösungen für: Gewerbeabfälle Bedarfsgerechte Konzepte zur Erfassung Ihrer gemischten Gewerbeabfälle – entsprechend der Gewerbeabfallverordnung Altpapier Beste Preise für Industrie, Handel, Gewerbe, Wohnungswirtschaft und Privathaushalte Gewerbefolien Kostengünstige und umweltgerechte Wertstoffentsorgung Andere Abfälle Zuverlässige Erfassung aller anderen Abfälle zur Verwertung (Glas, Holz, Schrott, E-Schrott) Bartscherer & Co. Recycling GmbH Montanstraße 17-21 13407 Berlin Tel: (030) 408893-0 Fax: (030) 408893-33 www.bartscherer-recycling.de Bestellungen direkt im Onlineshop. Günstige Pauschalpreise für Umleerbehälter von 240 l bis 5,5 cbm.

FOTO: ULRICH SCHUSTER Entdeckt | 06 Berliner Wirtschaft 10 | 2025

Sie heißen Mrs. Marianne, Mr. Bobby oder auch Mr. Ulle. Gemeinsam haben sie: Boxermotor im Heck, viel Nostalgie-Charme und dass man sie mieten kann. Old Bulli Berlin bietet die auf- bereiteten Liebhaberstücke mit Seltenheitswert für viele Gelegenheiten an. Für Wochenendtrips, Stadtrundfahrten oder auch ganz spezielle Anlässe, Hochzeiten etwa. Dafür werden die kultigen Klassiker extra herausgeputzt und starten auch mit stilecht gekleidetem Chauffeur. Kopf hinter dem Unternehmen aus Berlin-Biesdorf ist Lucas Kohlruss, gelernter Automobilkaufmann und Bulli-Fan seit Kindheitstagen. 2014 rief er den Verleih ins Leben. Inzwischen nutzen seine Oldtimer auch Filmproduktionen. Selbst kreativ werden kann man, wenn Kohlruss und sein Team die Busse als Foto-Bullis zu rollenden Selfie-Studios umrüsten. Bulli-Parade Berliner Wirtschaft 10 | 2025

„Die Schuldenlast ist langfristig nur dann tragbar, wenn gleichzeitig die wirtschaftliche Dynamik am Standort Berlin und damit die Einnahmebasis gestärkt werden. Auch vor diesem Hintergrund bleibt die geplante Einführung der sogenannten Ausbildungsplatzumlage unverständlich. Sie verursacht zusätzliche Verwaltungskosten von über drei Millionen Euro pro Jahr, belastet Unternehmen in schwierigen konjunkturellen Zeiten zusätzlich und löst keines der eigentlichen Probleme am Ausbildungsmarkt.“ Die sogenannte Ausbildungsplatzumlage belastet die Unternehmen und den Landeshaushalt Umlage bleibt unverständlich gesagt Manja Schreiner, Hauptgeschäftsführerin IHK Berlin 23 Straßenabschnitte in Berlin werden wieder mit 50 statt 30 Stunden- kilometern befahrbar sein. Das hat der Senat beschlossen, weil sich die Luftqualität verbessert hat. Um EU-SchadstoffGrenzwerte einzuhalten, war vor einigen Jahren an 41 Abschnitten Tempo 30 eingeführt worden. kopf oder zahl Dr. Sabine Helling-Moegen Marcus W. Mosen wird zum 1. November die Geschäftsführung der Helmholtz-Gemeinschaft übernehmen. Sie wird ihr Amt zeitgleich mit dem designierten Helmholtz-Präsidenten Martin Keller antreten. Helling-Moegen arbeitet seit 2015 als Administrative Vorständin des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen, einem Zentrum der Helmholtz-Gemeinschaft. wurde als Co-CEO in den Vorstand der N26 SE berufen. Zuvor war er Aufsichtsratschef. Weiterhin werden Arnd Schwierholz und Mitgründer Maximilian Tayenthal dem Gremium angehören. Im Dezember wird Jochen Klöpper als Chief Risk Officer den Vorstand verstärken. Mitgründer Valentin Stalf hat sich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. FOTOS: N26, DZNE/MARCUS GLOGER, PHILIPP ARNOLDT, GETTY IMAGES/ALFIERI, PA/AKG-IMAGES/UDO HESSE Berliner Wirtschaft 10 | 2025 Kompakt | 08

1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 Jul Aug Sep Okt Nov Dez 2024 2019 2025 Mai Jun Apr Jan Feb Mrz in Millionen Passagiere Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg *TXL und SXF 2,29 2,42* 2,61* 1,94 1,56 1,48 2 % mehr Fluggäste nutzten im ersten Halbjahr den BER im Vergleich zum Vorjahr. Dr. André Schmiljun, IHK-Experte für Luftfahrt Tel.: 030 / 315 10-614 andre.schmiljun@berlin.ihk.de Passagieraufkommen steigt Der BER liegt noch deutlich hinter Berlins Flughäfen vor Corona. Im ersten Halbjahr hat der Airport den Abstand leicht verkürzt berliner wirtschaft in zahlen Der britische Architekt Sir Nicholas Grimshaw, nach dessen Plänen das Ludwig Erhard Haus entstand, ist tot. Mit seinem Londoner Büro realisierte er als Wettbewerbssieger von 1994 bis 1998 den Sitz der IHK Berlin. Der preisgekrönte Architekt steht auch in seiner Heimat für markante Entwürfe, etwa die Kuppelbauten des Eden Project in Cornwall. Grimshaw starb am 14. September im Alter von 85 Jahren. bw Architekt des LEH verstorben nachruf Grafiken: BW Kompakt | 09

120 Berliner Brücken müssen in nur einem Jahrzehnt abgerissen und ersetzt werden, also eine Brücke pro Monat. Ende August eröffnet und von einigem Aufregungswert: der 16. Bauabschnitt des Stadtrings A 100 So soll sie aussehen: Die Visualisierung zeigt die Planung für die Ringbahnbrücke agenda

Wie passt das zusammen? Die Nachrichten zu den Berliner Verkehrswegen wechseln in diesem Jahr zwischen alarmierend und ermutigend, die Botschaften oszillieren zwischen „Hilfe: Die Brücken bröckeln!“ und „Das kann Vorbild für ganz Deutschland sein, wenn es darum geht, unsere Infrastruktur zukunftsfest zu machen“. Es lohnt sich also, genauer hinzuschauen. Mit letzterem Zitat lobte der Regierende Bürgermeister, Kai Wegner, die Autobahn GmbH des Bundes für die wirklich schnelle Arbeit an den beiden Ringbahnbrücken des Autobahndreiecks Funkturm. Die hatten im März unverzüglich gesperrt werden müssen, wegen massiver Bauwerksschäden. Für den Berliner Verkehr eine Katastrophe. Auch die darunterliegende Ringbahn musste gesperrt werden. Der Schienenersatzverkehr hatte da kaum eine Chance im Umfeld. Der Wirtschaftsverkehr musste weite Umwege suchen. Dann aber ging es schnell. Die Autobahn richtete ad hoc einen Zweirichtungsverkehr auf der A 100 ein, und die Senatsverwaltung organisierte Umfahrungen und nahm dabei auch unverzüglich erarbeitete IHK-Vorschläge auf. Vor allem die schnell verkleinerte U-Bahn-Baustelle der BVG am Kaiserdamm schuf hier Abhilfe. Die große Überraschung war dann allerdings das Tempo, mit dem die beiden maroden Autobahnbrücken abgerissen wurden und alle dafür nötigen Genehmigungen erteilt wurden. Dafür reichten glatt zwei Wochen über Ostern, schon am 28. April konnte der Ringbahnverkehr wieder freigegeben werden. Und dieses Tempo haben die Verantwortlichen, allen voran die Autobahn GmbH des Bundes und die beauftragte Deges GmbH, beibehalten: am 25. August war bereits der Auftrag für den Neubau erteilt. Noch im Oktober werden die ersten Bagger rollen, bereits Mitte 2027 sollen die neuen Brücken dann befahren werden. Das ist wirklich vorbildlich. Dabei sind die beiden Brücken nur ein zentraler Teil des Autobahndreiecks Funkturm mit seinen 25 Brücken, dessen Ersatzneubau schon lange geplant ist. Inzwischen liegt der Planfeststellungsantrag seit über drei Jahren bei der Genehmigungsbehörde. Wird Baurecht erteilt, entsteht das neue Autobahndreieck neben dem alten und integriert die beiden Ringbahnbrücken, bevor das alte Dreieck entfernt wird. Auch die Rudolf-­ Wissell-Brücke, das ganze Autobahndreieck Charlottenburg und die A 111 durch Reinickendorf warten auf den Baubeginn und werden stark eingeschränkt werden. Schnell ging es ebenfalls an der Wuhlheide, als im Mai eine plötzlich einsturzgefährdete Straßenbrücke innerhalb weniger Tage abgerissen wurde und der Tramverkehr darunter schnell wieder fahren konnte. Verkehrssenatorin Ute Bonde dankte allen Beteiligten für diesen besonderen Kraftakt. Doch für die Zukunft braucht Berlin andere Lösungen. Zu lange wurde die Infrastruktur dem Verfall preisgegeben und viel zu wenig investiert. Hartnäckig hatten die politisch Verantwortlichen die Warnungen aus der Wirtschaft ignoriert. Jetzt müssen in nur einem Jahrzehnt 120 Brücken abgerissen und ersetzt werden. Damit Planung, Genehmigung und Umsetzung diese Notwendigkeit einer Brücke pro Monat erreichen können, müssen jetzt Lehren aus den jüngsten Anstrengungen gezogen werden. Voran geht es auch am Marzahner Knoten Auf dem Programm für 2026 stehen unter anderem bereits die Schönhauser-Allee-Brücke, die Dunckerbrücke, die Neue Gertraudenbrücke und die Köpenicker-Allee-Brücke, allesamt kaum verzichtbar. Voran geht es derweil am sogenannten Marzahner Knoten im Zuge der Landsberger Allee, einem Mammutprojekt, bei dem bis 2029 in neun Phasen zahlreiche Brücken neu gebaut werden. Und weiter nördlich im Bezirk Marzahn konnte der neue Berliner Staatssekretär für Verkehr, Arne Herz, am 4. September gemeinsam mit der Bezirksbürgermeisterin Nadja Zivkovic die neue Wuhletalbrücke dem Verkehr übergeben. Demnächst soll die südliche Blumberger-Damm-Brücke folgen. Es gibt sie also, die Erfolgsmeldungen, an denen man die nächsten Projekte ausrichten kann. Nun gilt es, das nötige Geld bereitzustelBerlin muss viele Brücken bauen und das sehr schnell. Dass dies möglich ist, zeigen aktuelle Beispiele von Dr. Lutz Kaden Vorbildliches Rekordtempo Kai Wegner Regierender Bürgermeister Das kann Vorbild für ganz Deutschland sein, wenn es darum geht, unsere Infrastruktur zukunftsfest zu machen. Dr. Lutz Kaden, IHK-Experte für Verkehr und Mobilität Tel.: 030 / 315 10-415 lutz.kaden@berlin.ihk.de » VISUALISIERUNG: DEGES; FOTOS: PA/DPA/SÖREN STACHE, IMAGO/JANINE SCHMITZ/PHOTOTHEK.DE Infrastruktur | 11 Berliner Wirtschaft 10 | 2025

len und Ausweichrouten zu finden. Gerade dafür wird auch eine effektive Koordination der Maßnahmen nötig sein, die es heute leider kaum gibt. Das Projekt mit dem größten Aufregungswert ist in diesem Jahr allerdings das andere Ende der A 100. Am 27. August eröffneten Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder und Kai Wegner den 16. Bauabschnitt, an dem erst das Land und dann die Autobahn GmbH des Bundes seit 2012 gearbeitet hatten. Mit 720 Mio. Euro für 3,2 Kilometer ist er das bisher hochwertigste Autobahnstück geworden mit Tunnel- und Trogführung sowie Flüsterasphalt für den Lärmschutz und eigener Regenwasseraufbereitung. Allerdings wird Treptow erst dann deutlich vom Verkehr entlastet werden, wenn im Herbst die Elsenbrücke wenigstens zur Hälfte fertiggestellt sein wird und die einspurige Behelfsbrücke kein Nadelöhr mehr bildet. Zur Entlastung der Elsenstraße soll aber laut Senatsverkehrsverwaltung bereits kurzfristig ein Bussonderfahrstreifen eingerichtet werden. Dafür soll der Verkehr von der Autobahnabfahrt A 100 nur noch auf zwei der bislang drei Fahrstreifen bis in die Elsenstraße führen. Damit auch die City-Ost durch die Stadtautobahn vom Verkehr entlastet wird, wird auch der 17. – und zugleich letzte – Bauabschnitt gebraucht, wie Patrick Schnieder und Kai Wegner bei der Eröffnung des 16. Baubschnitts betonten. Derzeit wird an konkreten Plänen zum Weiterbau unter dem Ostkreuz und der Frankfurter Allee bis zur Storkower Straße gearbeitet. Sobald diese vorliegen, muss der Entscheidungsprozess starten. ■ Berliner Wirtschaft: Wie geht es bei Ringbahnbrücke und Westendbrücke weiter? Andreas Irngartinger: Wir haben den Auftrag für den Neubau der Ringbahnbrücke im August vergeben und wollen in der zweiten Oktoberhälfte mit dem Bau beginnen. Das Vergabeverfahren für die Westendbrücke läuft auch schon. Hier wollen wir im Herbst beauftragen und im Winter – idealerweise noch in diesem Jahr – mit dem Bau beginnen. Und wir werden schnell bauen: Die Richtungsfahrbahn Nord der A 100 im Abschnitt zwischen Messedamm und Spandauer Damm soll im Sommer 2027 wieder befahrbar sein.. Wann werden die Arbeiten am Autobahn- dreieck Funkturm beginnen? Leider können wir noch nicht sagen, wann die Arbeiten starten werden. Wir haben im April 2022 den Antrag auf Planfeststellung beim Fernstraßen-Bundesamt (FBA) eingereicht. Die Unterlagen haben öffentlich ausgelegen, betroffene Bürger und Institutionen haben Stellungnahmen und Einwendungen eingereicht, die im Frühjahr 2024 erörtert worden sind. Wir liefern Erwiderungen und Aktualisierungen zu – Herr des Verfahrens ist aber das FBA, das am Ende des Tages den Planfeststellungsbeschluss erlässt. Die A 111 steht ebenfalls vor einer umfassenden Sanierung. Wie sieht dort der Fahrplan aus? Die Sanierung der A 111 soll in drei Hauptabschnitten erfolgen: Nord 1 (Landesgrenze Berlin/Brandenburg bis nördlich des Hermsdorfer Damms), Nord 2 (nördlich des Hermsdorfer Damms bis Seidelstraße) und Mitte (Seidelstraße bis Heckerdamm). Derzeit erarbeitet die Deges Detailplanungen für die Sanierung der Abschnitte Nord 1 und Mitte. Die Detailplanung des Abschnitts Nord 2 wird nachlaufend beginnen. Eine genaue Festlegung des Starts der Sanierungsmaßnahmen hängt von den Ergebnissen der Detailplanung ab. Interview: Jens Bartels Andreas Irngartinger, Sprecher der Geschäftsführung der Deges GmbH, zu aktuellen Berliner Autobahnprojekten „Und wir werden schnell bauen“ Wurde am 4. September dem Verkehr übergeben: die Wuhletalbrücke in Marzahn Andreas Irngartinger Deges GmbH Im Ergebnis sollen alle Verkehrs- teilnehmer zügiger und sicherer durch- kommen – und das über viele Jahrzehnte. Interview Das vollständige Interview mit Andreas Irngartinger auf berliner-wirtschaft.de FOTOS: IHK BERLIN/LUTZ KADEN, DEGES AGENDA | Infrastruktur | 12 Berliner Wirtschaft 10 | 2025

Vollgas mit angezogener Handbremse Berlin könnte nicht nur beim BIP, sondern auch mit einem funktionierenden Arbeitsmarkt glänzen – wenn die Politik auf Aktivierung statt auf Abgabe setzen würde B erlin überrascht. Während die deutsche Wirtschaft insgesamt schwächelt, legt die Hauptstadt überdurchschnittlich zu. Wachstum, Dynamik, neue Chancen – eigentlich beste Voraussetzungen für einen florierenden Arbeitsmarkt. Doch genau hier liegt das Problem: Die Wirtschaft zieht an, aber die passenden Fachkräfte fehlen. Die Zahlen sprechen für sich. Rund 21.000 offene Stellen listet die Arbeitsagentur auf, der IHK-Fach- und Arbeitskräftemonitor kommt sogar auf 45.000 – mehr als doppelt so viele. Und wer sucht, sucht lange: 147 Tage dauert es im Schnitt, bis eine Stelle besetzt wird. Vor einem Jahr lag dieser Wert noch gut zwei Monate darunter. Auseinanderdriften als Alarmsignal Berlins Betriebe wachsen, doch die Politik liefert nicht die Rahmenbedingungen, um Menschen in Arbeit zu bringen. Statt Entlastung zu schaffen, wird sogar eine Ausbildungsplatzumlage diskutiert – ein bürokratisches Monstrum, das Unternehmen bestraft, statt sie zu stärken. Ergebnis: mehr Papier, weniger Praxis. Ausbildungsbereitschaft wird so nicht gefördert, sondern ausgebremst. Gleichzeitig gibt es 68.000 Langzeitarbeitslose in Berlin. Ein Potenzial, das die Stadtwirtschaft dringend braucht, aber derzeit kaum mobilisiert. In einer Metropole, die wirtschaftlich wächst, können wir es uns schlicht nicht leisten, Menschen dauerhaft außen vor zu lassen. Es braucht schnellere Qualifizierung, gezieltere Vermittlung und einen echten Bürokratieabbau. Standortfrage statt Symboldebatte Das ist keine Detailfrage, sondern eine Standortfrage. Denn Wirtschaftswachstum allein reicht nicht. Es verpufft, wenn die passenden Fachkräfte fehlen. Berlin hat die Chance, nicht nur beim BIP zu glänzen, sondern auch mit einem funktionierenden Arbeitsmarkt. Dafür braucht es eine Politik, die auf Aktivierung statt Abgabe setzt, auf pragmatische Lösungen statt Symboldebatten. Nur dann wird aus Wachstum auch Wohlstand für die Stadt. Das Wachstum zeigt, was möglich ist. Die entscheidende Frage lautet: Was wäre noch möglich, wenn die Rahmenbedingungen endlich stimmen würden? ■ Meinung In der Kolumne „Auf den Punkt“ positionieren sich im monatlichen Wechsel Mitglieder des Präsidiums zu wirtschaftspolitischen Fragestellungen aus ihrer persönlichen Sicht. präsidiumsmitglieder beziehen stellung Nicole Korset-Ristic ist Vorständin bei der Bio Company SE und Vizepräsidentin der IHK Berlin FOTO: AMIN AKHTAR Auf den Punkt | 13 Berliner Wirtschaft 10 | 2025

Beim Festival der Berliner Wirtschaft ging es in diesem Jahr um Innovationen – Beispiele zeigen, wie unterschiedlich Unternehmen damit umgehen von Julia Knack Vision und Ziel weisen den Weg Berlin soll Innovations- standort Nummer eins in Europa sein: IHK-Hauptgeschäftsführerin Manja Schreiner mit den Staats- sekretären Michael Biel (M.) und Dr. Henry Marx Manja Schreiner, Hauptgeschäftsführerin der IHK Berlin, rief in ihrer Eröffnung dazu auf, den Schwung und die Inspiration des Tages mitzunehmen und Investitions- und Innovationsstaus aufzulösen. Es brauche eine Verwaltung, die sich als Ermöglicher versteht, eine Vergabe, bei der die beste Lösung gewinnt, und eine Regulatorik, die Luft zum Atmen lässt. Der Anspruch für Berlin, Innovationsstandort Nummer eins in Europa zu sein, wurde von den Staatsekretären Michael Biel (Wirtschaft) und Dr. Henry Marx (Wissenschaft und Forschung) bekräftigt. Wie Innovation konkret im unternehmerischen Alltag aussehen kann, berichtete unter anderem Geschäftsführer Leonardo Mora. Der Unternehmer führt mit earlywings als Reisever- anstalter Gruppen- wie auch individuelle Reisen durch. Mit sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern organisiert das Unternehmen jährlich Reisen für Zehntausende von Studierenden und Mitarbeitenden der Kunden. Der Bedarf nach schnelleren Prozessen hat zur Digitalisierung des Unternehmens geführt: Mithilfe eines Software-Entwicklers wurde, speziell auf das Unternehmen zugeschnitten, ein eigenes Buchungssystem programmiert. Wie können aus Ideen Innovationen werden? Diese und viele weitere Fragen wurde beim Festival der Berliner Wirtschaft am 11. September gemeinsam mit 40 Sprecherinnen und Sprechern sowie 22 Ausstellenden diskutiert und beantwortet. Insbesondere die Entwicklung einer Innovationsstrategie und passenden Unternehmenskultur sowie die Digitalisierung und Nutzung von KI wurden erörtert und beim Networking vertieft. FOTOS: IHK BERLIN/JENS AHNER AGENDA | Innovation | 14 Berliner Wirtschaft 10 | 2025

Eine Herausforderung lag bei diesem Projekt in der Vereinbarkeit verschiedener Perspektiven: Wo der Programmierer eine fertige Lösung sah, fanden die Nutzer den Aufbau zu kompliziert. Ein Learning sei es, sich genug Zeit für die Fehlersuche zu nehmen, so Leonardo Mora. Anderen Unternehmen empfahl er, viele Tester zu nutzen, die im Idealfall unterschiedliche Erwartungen mitbringen. Das Projekt brachte den gewünschten Erfolg: Wo vorher drei Tage für die Verarbeitung einer großen Buchung nötig waren, reichen nun 30 Minuten für die Zimmerverteilung. Auch spezielle Kundenwünsche können dadurch besser umgesetzt werden. Nicht nur technologische Innovation kann Unternehmen einen Sprung nach vorn verschaffen. Felix Wasmuth, Geschäftsführer Märkisches Landbrot, betonte die besondere Struktur seines Unternehmens. 1930 in Neukölln als Familienbetrieb gegründet, hat sich Märkisches Landbrot ständig transformiert. Heute ist es ein Betrieb ohne menschlichen Eigentümer – „es gehört sich selbst“, sagt Felix Wasmuth. Dieses Modell soll sicherstellen, dass der Unternehmenszweck inklusive der wahrgenommenen gesellschaftlichen Verantwortung auch in Zukunft gesichert ist. Engagement für Nachhaltigkeit Märkisches Landbrot ist eine GmbH, deren Anteile einer gemeinnützigen Stiftung als Eigentümerin gehören. Die Geschäftsführung kann dadurch keine persönlichen Gewinne aus dem Unternehmen ziehen. Mit dieser Struktur ist langfristig gesichert, dass das Unternehmen Märkisches Landbrot nicht in Privateigentum überführt werden kann. Gesellschaftliche Verantwortung übernimmt das Unternehmen, indem es mindestens ein Drittel des Gewinns in die Stiftung überführt. Diese fördert dann Projekte, die einen Beitrag für ein nachhaltigeres Ernährungssystem leisten, durch Bildung, fortschrittliche Landwirtschaft oder auch gemeinsames Kochen für Senioren. Diese zwei Beispiele zeigen, wie verschieden Innovationswege in Unternehmen aussehen können – je nach Ziel und Zukunftsvision. Auch im nächsten Jahr wird das Format fortgesetzt: 2026 dreht sich das Festival um das Thema internationale Fachkräfte. ■ Julia Knack, IHK-Fachreferentin Nachhaltigkeit Tel.: 030 / 315 10-846 julia.knack@ berlin.ihk.de Christina Lüdtke, IHK-Fachreferentin Finanzierung & Start-ups Tel.: 030 / 315 10-405 christina.luedtke@ berlin.ihk.de Patente im Fokus Beim nächsten großen Festival der IHK im November geht es um das Potenzial der Berliner Wissenschaftslandschaft. Siehe Seite 63. Innovatives Buchungssystem: Reiseunternehmer Leonardo Mora Geschäftsführer Felix Wasmuth erörterte die individuelle Struktur von Märkisches Landbrot Innovation | 15 Der Checkout Boost fürs Weihnachtsgeschäft! Payment für Ihren Onlineshop zum Knallerpreis – ohne Grund und Einrichtungsgebühren. Das Angebot gilt bis 15.10.25 computop.com

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INHALT 22 Zwischen Patty und Kimchi Shiso Burger holt sich internationale Talente 24 Know-how unter der Erde Frisch & Faust Tiefbau setzt ´ auf die TalentsBridge 25 130 Jahre Brot für Berlin Bäcker Wiedemann: eine internationale Familie 26 „Die Verständigung zwischen den Kulturen ist wichtig“ Edeka-Kaufmann und Verbandspräsident Björn Fromm im Interview Um auch in Zukunft offene Stellen besetzen zu können, brauchen Berliner Unternehmen Fachkräfte aus aller Welt Berliner Wirtschaft 10 | 2025 fokus

Brücken bauen nach Berlin Mit Angeboten wie TalentsBridge oder Hand in Hand for International Talents geht die IHK Berlin neue Wege, um die notwendige qualifizierte Zuwanderung voranzutreiben von Almut Kaspar Die Zahlen sprechen für sich, der Berliner Arbeitsmarkt steht unter Druck. Von den mehr als 1,8 Millionen Beschäftigten, die noch Mitte des vergangenen Jahres registriert waren, werden bis 2035 etwa 412.000 in Rente gehen. Für die frei gewordenen Stellen muss Ersatz gefunden werden. Aber schon heute klagt die lokale Wirtschaft, rund 45.000 dringend benötigte Arbeitsplätze nicht besetzen zu können. Und die Krise dürfte sich künftig noch verschärfen. Die IHK Berlin rechnet in ihrem Fach- und Arbeitskräftemonitor bis 2035 mit einem Anstieg der Zahl der offenen Stellen auf mehr als 163.000. Der kumulierte Wertschöpfungsverlust durch den massiven Fachkräftemangel könnte nach der IHK-Prognose bis dahin rund 50 Mrd. Euro betragen. „Wir müssen also rechtzeitig gegensteuern, wenn wir die Wirtschaftskraft nicht gefährden wollen“, mahnt Sebastian Stietzel, Präsident der IHK Berlin. „Die klassischen Arbeitsmarktinstrumente behalten zwar ihre Notwendigkeit, werden aber nicht ausreichen.“ Zu diesen Instrumenten gehören vor allem die Stärkung schulischer Bildung und beruflicher Ausbildung, Anreize, Teilzeitbeschäftigten eine Erwerbstätigkeit in Vollzeit zu ermöglichen, oder Maßnahmen zur Weiterbildung und Qualifizierung von Menschen, die einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen oder arbeitslos sind. Aber selbst bei optimaler Hebung der inländischen Potenziale ist die qualifizierte Zuwanderung ausländischer Fach- und Arbeitskräfte unverzichtbar. „Die IHK Berlin geht deshalb bewusst neue Wege, um unsere Unternehmen bei der Fachkräftesicherung zu unterstützen“, sagt Präsident Stietzel. „Unsere ersten Angebote wie TalentsBridge oder Hand in Hand for International Talents zeigen, dass wir nicht nur Chancen bieten, sondern auch Brücken bauen – und so Berlin als internationalen Ausbildungs- und Arbeitsstandort sichtbarer und attraktiver machen.“ Wer heute Offenheit lebe und konkrete Angebote habe, lege den Grundstein für die Innovationskraft und wirtschaftliche Stärke der Stadt von morgen. „Das Projekt TalentsBridge“, erklärt Stietzel, „eröffnet Unternehmen die Möglichkeit, gezielt junge internationale Talente zu gewinnen, die nicht nur hervorragend ausgebildet sind, sondern auch » ILLUSTRATION: ADOBE STOCK/NATALIA KOSAREVICH Internationale Fachkräfte | 19

eine ausgeprägte Motivation, interkulturelle Kompetenzen und das erforderliche Sprachniveau mitbringen.“ Er sehe darin eine echte Win-win-Situation: „Durch unsere Investition in die Fachkräfte von morgen gewinnen wir engagierte und international erfahrene Talente – die Verbindung von deutscher Ausbildung im Heimatland mit gezieltem Sprach- und Kulturtraining ist für mich ein entscheidender Faktor, um die Integration nachhaltig zu stärken und einen wertvollen Beitrag für die wirtschaftliche Zukunft Berlins zu leisten.“ In Berlins Partnerstadt Windhoek, der Hauptstadt Namibias im Südwesten Afrikas, entsteht gerade das TalentsBridge-Ausbildungszentrum für junge Namibierinnen und Namibier, die ab 2026 eine hochwertige und praxisorientierte Ausbildung nach deutschen Standards durchlaufen können – gestartet wird mit 100 Azubis, später können es bis zu 3.000 werden. Der Campus mit Schule, Werkstätten, ausbildenden Unternehmen und Unterkünften wäre dann das größte deutsche Berufsbildungsprojekt in Afrika. TalentsBridge wird unterstützt von der namibischen Regierung, weil dort weit über 40 Prozent der Jugendlichen arbeitslos sind. Die IHK Berlin übernimmt die inhaltliche Steuerung, die Qualitätskontrolle und die Anerkennung der Abschlüsse. Berliner Unternehmen wirken aktiv an TalentsBridge mit und werden in die Ausbildung und ihre Module eingebunden – möglich sind dabei Praktika, Stipendien oder die Entsendung von Ausbildungspersonal oder sogar die Ansiedlung einer Niederlassung auf dem Campus. Ein geplantes Finanzierungsmodell sieht vor, dass sich Unternehmen an der Ausbildung ihrer zukünftigen Fachkräfte mit einem monatlichen Beitrag beteiligen und dann eine Übernahmepauschale zahlen. „Zurzeit sind wir mit über 100 Unternehmen im Austausch“, heißt es aus der IHK, „so können wir die Ausbildungsgänge passgenau auf den Berliner Arbeitsmarkt abstimmen.“ Ihr Interesse können Betriebe durch einen Letter of Intent signalisieren. Ganzheitlicher Ansatz der TalentsBridge Einen solchen Letter of Intent hat Dieter Mießen bereits unterschrieben, kaufmännischer Leiter der Frisch & Faust Tiefbau GmbH (s. S. 24). Ihn hat der ganzheitliche Ansatz von TalentsBridge überzeugt, weil neben der bedarfsorientierten Fachausbildung die afrikanischen Azubis auch sprachlich und kulturell auf ihre Integration in Berlin vorbereitet werden. Auch der geschäftsführende Gesellschafter der Bäcker Wiedemann GmbH, Alexander Gerstung, will über TalentsBridge neues Personal rekrutieren (s. S. 25). „Hier werden Brücken über kulturelle Unterschiede geschlagen, und der deutsche Spracherwerb erfolgt schon vor Ort und nicht erst hier“, sagt er, Sprache sei schließlich der Grundstein für Teilhabe. Um qualifizierte Zuwanderung erfolgreich zu gestalten, müssten zudem Bildungs- und Ausbildungsabschlüsse schneller anerkannt werden oder wie im Fall der TalentsBridge schon im Heimatland erworben werden. „Dass die bürokratischen Hürden noch sehr hoch sind und die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse oft noch zu lang dauert, muss sich ändern“, sagt Cansel Kiziltepe, Senatorin für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung. „Im Senat haben wir gerade eine neue Fassung des Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes beschlossen – wir werden die Verfahren einfacher und transparenter gestalten und deren Dauer verkürzen.“ Ihre Verwaltung unterstütze die Zuwanderung internationaler Fach- und Arbeitskräfte so gut wie möglich: „Wir haben ein modernes Willkommenszentrum an der Potsdamer Straße mit einer hervorragenden Rechts- und Sozialberatung, mein Haus fördert unter anderem das Berliner Jobcoaching für Geflüchtete, die mobile Jobberatung oder das BEMA, das Berliner Beratungszentrum für Migration und Gute Arbeit.“ Auch mit der IHK Berlin, so Senatorin Kiziltepe, arbeite man gut zusammen. Um Berliner Unternehmen bei der Akquise und der Integration ausländischer Arbeitnehmer zur Hand gehen zu können, hat die IHK das neue 163 000 offene Stellen erwartet die IHK Berlin laut ihrem Fach- und Arbeitskräftemonitor bis 2035. 3 000 Azubis sollen perspektivisch im TalentsBridge- Campus in Namibia ausgebildet werden, zum Start sind es 100. 100 Unternehmen stehen zur TalentsBridge im Austausch mit der IHK. Mit einem Letter of Intent bekunden sie Interesse. Windhoek Namibia ILLUSTRATION: ADOBE STOCK/NATALIA KOSAREVICH; FOTOS: AMIN AKHTAR/IHK BERLIN, ANKE ILLING FOKUS | Internationale Fachkräfte | 20 Berliner Wirtschaft 10 | 2025

Projektteam „Internationale Fachkräfte“ aufgestellt. Es organisiert Veranstaltungen wie „Work in Berlin – Talente gewinnen. Vielfalt gestalten. Zukunft sichern“, die im Juni im Ludwig Erhard Haus stattfand, oder Matching-Events und Network-Treffen, führt eine LinkedIn-Seite zum Thema und hilft generell mit praxisnahen Services über den gesamten Zyklus – von der Planung über Recruiting und Einstellung, Onboarding und Integration bis zur Weiterbildung der internationalen Talente. Gemeinsam mit der Handwerkskammer und den Berliner Jobcentern hat die IHK gerade wieder die Jobmesse FuTog (Future Together) ausgerichtet, die Geflüchtete mit engagierten Unternehmen zusammenbringt. Fachkräfte suchen und betreuen Hand in Hand for International Talents (HiH) ist ein weiteres Projekt, das die IHK Berlin als direkter Ansprechpartner begleitet. HiH, umgesetzt von der DIHK Service GmbH in Kooperation mit der Bundesagentur für Arbeit und gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, vermittelt beruflich und sprachlich qualifizierte Fachkräfte in Brasilien, Indien, auf den Philippinen und in Vietnam nach Deutschland. Interessierte Unternehmen können potenzielle Mitarbeitende, die umfassend auf die Einreise vorbereitet und auch danach in Zusammenarbeit mit den aufnehmenden Unternehmen betreut werden, während regelmäßig ausgerichteter Recruiting Days unverbindlich kennenlernen. Nach erfolgreicher Vermittlung wird eine Dienstleistungspauschale fällig – von 2.900 Euro für Klein- bis 5.400 Euro für Großunternehmen. Die Berliner Restaurantkette Shiso Burger beispielsweise ist bei HiH bereits fündig geworden (s. S. 22). Die verstärkte Nachfrage nach ausländischen Fachkräften hat auch dazu geführt, dass immer mehr junge Menschen aus anderen Ländern in Deutschland eine Ausbildung beginnen. Während im vergangenen Jahr die Zahl der inländischen Azubis um vier Prozent zurückging, nahm laut Statistischem Bundesamt die Zahl ausländischer Azubis um 17 Prozent zu, sie stellen nun 15 Prozent aller Ausbildungseinsteiger. Auch ein Großteil der hier Studierenden – immerhin zwei Drittel – will nach dem Abschluss zunächst in Deutschland bleiben, mehr als die Hälfte strebt nach einer Umfrage des Deutschen Akademischen Austauschdienstes hier eine langfristige Berufstätigkeit an. Und von den 1,8 Millionen Beschäftigten in Berlin haben schon über 20 Prozent keinen deutschen Pass. Tendenz steigend. ■ Cansel Kiziltepe Senatorin für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung Dass die bürokratischen Hürden sehr hoch sind und die Anerkennung ausländischer Berufsab- schlüsse oft zu lang dauert, muss sich ändern. Sebastian Stietzel Präsident IHK Berlin Die Verbindung von deutscher Ausbildung im Heimatland mit gezieltem Sprach- und Kulturtraining ist für mich ein entscheidender Faktor. Liana Georgiewa, IHK-Projektleitung Internationale Fachkräfte Tel.: 030 / 315 10-305 liana.georgiewa@ berlin.ihk.de Berliner Wirtschaft 10 | 2025 Internationale Fachkräfte | 21

Khai Hien Tieu ist Mitgründer und CEO der Restaurantkette Shiso Burger Bei uns bringen wir das Beste aus zwei Welten zusammen. Khai Hien Tieu FOKUS | Internationale Fachkräfte | 22

Auf der Weltkarte, die im Konferenzraum des Headquarters von Shiso Burger in Berlin-Mitte hängt, markieren 15 Fähnchen die aktuellen Standorte der Restaurantkette: vier in Berlin, zwei in Hamburg, zwei in Paris, zwei in Wien, jeweils einer in Lissabon, in Genf und in Zürich sowie zwei auf der französischen Insel Réunion im Indischen Ozean. Bei diesen 15 Shiso-Burger-Läden soll es nicht bleiben, weitere Franchise-Partner werden gesucht, die Zeichen stehen auf Expansion. Denn das kulinarische Konzept des Unternehmens kommt an. „Bei uns bringen wir das Beste aus zwei Welten zusammen“, sagt CEO Khai Hien Tieu, „indem wir die Vorteile klassischer Burger mit der Raffinesse der asiatischen Küche verbinden.“ Konzept offene Küche Die Speisen bei Shiso-Burger werden frisch in offenen Küchen zubereitet: traditionelle Hamburger und Cheeseburger mit Angus-Rindfleisch und asiatischer Note zum Beispiel, Shiso Burger mit mariniertem Thunfisch, Bulgogi Burger mit marinierten Rinderscheiben, Chili-Paste und Teriyaki-­ Soße sowie Ebi Burger mit Garnelen-Patty oder Veggie Burger mit Tofu und gegrillter Aubergine. Buns und Soßen kommen aus eigener Herstellung, die Gewürze – darunter das Würz- und Heilkraut Shiso – werden meist importiert. Beilagen wie hausgemachte Süßkartoffel-Pommes, Kimchi oder Salate runden das Sortiment ab. Khai Hien Tieu, ein in Vietnam geborener und größtenteils in Schweden aufgewachsener Chinese, gründete Shiso Burger mit einem Partner, der dem Unternehmen heute nicht mehr angehört. 2013 wurde das erste Shiso-Burger-Restaurant an der Auguststraße in Berlin-Mitte eröffnet. „Aktuell arbeiten bei uns rund 100 Mitarbeitende“, sagt Geschäftsführer Tieu, der nun selbst schwedischer Staatsbürger ist, „15 bis 20 Prozent davon haben keinen deutschen Pass, verfügen aber natürlich über Arbeitserlaubnis oder Aufenthaltstitel.“ Sie kommen vor allem aus Korea, Vietnam, Indien oder der Ukraine. „Entscheidend für eine Einstellung ist nicht nur die Begeisterung für unsere Produkte, sondern auch die Identifikation mit unserer Marke.“ Fachkräfte übers IHK-Pilotprojekt Für die Personalentwicklung bei Shiso Burger ist Kevin Bao Vy Tran als Head of Operations zuständig. Neben regulären Stellenausschreibungen oder internen Empfehlungen sucht Recruiter Tran auch über andere Wege nach Fach- und Arbeitskräften. Dabei ist er vor Kurzem auf das IHK-Pilotprojekt Hand in Hand for International Talents (HiH) aufmerksam geworden, das beruflich und sprachlich qualifizierte Fachkräfte aus Brasilien, Indien, Philippinen und Vietnam an deutsche Unternehmen vermittelt. Mit mehreren Kandidatinnen und Kandidaten hat Kevin Bao Vy Tran bereits Gespräche vor Ort geführt, die er gemeinsam mit dem Projektteam der IHK nach Berlin holen und im Prozess des Ankommens unterstützen will. „Für uns spiegelt Hand in Hand for International Talents eine moderne Einwanderungspolitik wider“, schwärmt Tran, „und deshalb freut es uns, bei diesem Projekt dabei zu sein.“ Er weiß, dass Deutschland gerade in Vietnam hohes Ansehen genießt und viele junge Menschen dort interessiert sind, hier zu arbeiten und sich weiterzubilden. Weil Shiso Burger mit seinen Mitarbeitenden wachsen will, ermöglicht das Unternehmen nicht nur den Quereinstieg in verschiedenen Abteilungen, sondern auch ein duales Studium. „Dieses Potenzial sehe ich bei einigen Personen, die ich über Hand in Hand kennengelernt habe – für eine langfristige Zusammenarbeit über die Arbeit am Gast hinaus.“ HiH ist für Shiso-Burger-CEO Khai Hien Tieu inzwischen ein wichtiges Instrument, „um qualifizierten internationalen Fachkräften mit hoher Motivation eine Perspektive in Deutschland zu geben“. Im Berliner Headquarter stehe man den Ankömmlingen bei Fragen und Hilfestellungen jederzeit zur Seite. Mitarbeit: Hannes Leber Shiso Burger setzt auf asiatische Kulinarik zwischen Buns – und auf internationale Teams in den Restaurants. Dabei hilft die IHK Berlin Patty trifft Kimchi Gut vernetzt Der QR-Code führt zum Unternehmen auf LinkedIn: 100 Mitarbeitende hat Shiso Burger derzeit in 15 Filialen. 15 bis 20 Prozent von ihnen haben keinen deutschen Pass. FOTO: CHRISTIAN KIELMANN Internationale Fachkräfte | 23 Berliner Wirtschaft 10 | 2025

Das Know-how von Frisch & Faust ist in ganz Deutschland gefragt: Mit modernsten Techniken und Maschinen treiben die Spezialisten aus Berlin-Pankow etwa im Microtunneling-Verfahren grabenlos Kanäle und Rohrleitungen unter die Erde – eine umweltschonende Methode, mit der weder Anwohner noch Verkehr beeinträchtigt werden. „Schwerpunkte unserer Arbeit“, sagt Dieter Mießen, „sind der geschlossene und offene Kanalbau, der gesteuerte Rohrvortrieb, der Rohrleitungsbau und die Sanierung von Kanälen und Röhren.“ Mießen ist kaufmännischer Leiter der Frisch & Faust Tiefbau GmbH, sitzt in der Vollversammlung der IHK Berlin, leitet den Themenausschuss Bildungsstarke Stadt und gehört dem Berufsbildungsausschuss an. Der Fachkräftemangel trifft auch Frisch & Faust. „Schon vor der Pandemie haben wir Fachkräfte gesucht, obwohl wir eine sehr hohe Ausbildungsquote hatten“, erklärt Mießen. „Es hat aber nicht gereicht, unseren Bedarf zu decken – akute Vakanzen gibt es immer noch im Rohrleitungs- und Kanalbau.“ Nach Personal fahndet die Firma im Social Web, über Schulkooperationen und Praktika, bei Ausbildungs- und Berufsorientierungsmessen, über die Agentur für Arbeit und nicht zuletzt bei Handwerkskammer und IHK. „Dass die IHK Berlin mit TalentsBridge ein Modellprojekt für internationale Fachkräftesicherung initiiert hat, fand ich gut, weil damit auch die Berliner Wirtschaft aktiv bei der Lösung des Fachkräftebedarfs mitwirken kann.“ Der Diplom-Ingenieur ist nun Repräsentant des IHK-Projekts, informiert andere lokale Unternehmen über TalentsBridge und steuert im Austausch mit denen und der IHK Impulse zur praxisnahen Ausrichtung der Ausbildungsmodule in Namibia bei. „Ich lasse dabei meine Erfahrungen aus dem betrieblichen Alltag einfließen, um sicherzustellen, dass die Module dem deutschen Standard entsprechen.“ 31 der rund 160 Frisch-&-Faust-Beschäftigten haben keinen deutschen Pass, sie kommen überwiegend aus Polen, Einzelne auch aus dem Iran, Syrien, Ghana oder Mali. „Wir unterstützen die Zugewanderten mit Sprachkursen und stellen ihnen möblierte Appartements auf unserem Firmengelände zur Verfügung.“ Nun hofft Mießen, auf TalentsBridge: „Nach der zweijährigen Ausbildung der jungen Namibierinnen und Namibier zu Tiefbaufacharbeiterinnen und -arbeitern haben wir die Möglichkeit, sie bei uns ein weiteres Jahr auszubilden, damit sie dann bei entsprechender Qualifizierung einen zusätzlichen Abschluss als Geselle oder sogar als Meister absolvieren.“ ■ Dieter Mießen ist kaufmännischer Leiter und Prokurist der Frisch & Faust Tiefbau GmbH Gut vernetzt Der Unternehmer auf LinkedIn unter dem QR-Code: Die Frisch & Faust Tiefbau GmbH kann trotz eigener Ausbildung ihren Fachkräftebedarf nur im Ausland decken. Und beteiligt sich deswegen an der TalentsBridge der IHK Know-how unter der Erde Dieter Mießen Dass die IHK mit TalentsBridge ein Modellprojekt für inter- nationale Fachkräftesicherung initiiert hat, fand ich gut. FOTOS: CHRISTIAN KIELMANN Berliner Wirtschaft 10 | 2025

Alexander Gerstung ist geschäftsführender Gesellschafter der Bäcker Wiedemann GmbH B eworben wird ein sicherer Arbeitsplatz in einem Traditionsunternehmen, das es seit 1895 gibt und das stolz ist auf sein familiäres Betriebsklima. „Wir sind ein Unternehmen, das Vielfalt schätzt und fördert“, heißt es in den Stellenausschreibungen, „wir sind offen für alle Menschen, die Lust haben, etwas zu bewegen.“ Geboten wird eine attraktive Vergütung, darunter Zuschläge für Überstunden, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit oder großzügige Personalrabatte. Die Bäcker Wiedemann GmbH mit ihren 30 Filialen und dem Produktionsstandort in Berlin-Mariendorf hat aktuell fast 200 Mitarbeitende, etwa ein Drittel davon kommt aus dem Ausland. „Das sind Kolleginnen und Kollegen aus 16 verschiedenen Ländern“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter Alexander Gerstung, „aus Ost- und Südeuropa, Nahost, Afrika und Asien.“ Sie arbeiten gemeinsam mit den deutschen Beschäftigten im Verkauf, in der Betriebstechnik oder in der Logistikflotte – vor allem aber auch in der Produktion. Denn Handwerk wird bei Bäcker Wiedemann großgeschrieben. Aus frischem Natursauerteig formen Bäckerinnen und Bäcker die Brote von Hand, bevor sie im Steinofen ihre knusprige Kruste erhalten, und die Brötchen werden nach ausgiebiger Teigreife in den Filialen ofenfrisch gebacken. Für Schnitten, Kuchen und Desserts ist die hauseigene Konditorei zuständig. Die Rekrutierung ausländischer Fach- und Arbeitskräfte sei herausfordernd, berichtet Geschäftsführer Gerstung: „Neben den bürokratischen Hürden und den Sprachbarrieren gibt es einen angespannten Wohnungsmarkt, der den Zuzug erheblich erschwert.“ Trotzdem: Die Internationalität seiner Belegschaft sei kulturell bereichernd, die Motivation der ausländischen Kolleginnen und Kollegen hoch, „weil sie dankbar sind für die Möglichkeiten, die sie bei uns haben“. Bislang hat Bäcker Wiedemann nach weiterem Personal über Stellenportale wie Indeed oder Kleinanzeigen gesucht, dazu über Videos und Flyer in den Filialen. „Jetzt aber wird der Leidensdruck größer, sodass wir uns auch mit den verschiedenen Angeboten der Kammern beschäftigen.“ Gerstung wünscht sich, dass die IHK Berlin und die Handwerkskammer Berlin sowie die Innungen bei der Mitarbeitergewinnung stärker kooperieren und verdichtete gemeinsame Initiativen und Portale schaffen. Das IHK-Projekt TalentsBridge findet er „deutlich innovativer und integrativer als tradierte Vermittlungsmodelle – deshalb bin ich sehr gespannt und extrem neugierig, wie wir TalentsBridge für uns nutzen können“. ■ Gut vernetzt Der QR-Code führt zum Unternehmer auf LinkedIn: Bäcker Wiedemann baut auf familiäres Arbeitsklima und vielfältige Teams aus 16 Nationen. Neue Tools sollen beim Recruiting helfen 130 Jahre Brot für Berlin Alexander Gerstung Der Leidensdruck wird größer, sodass wir uns mit den verschiedenen Angeboten der Kammern beschäftigen. Internationale Fachkräfte | 25 Berliner Wirtschaft 10 | 2025

Björn Fromm in seinem Edeka-Markt in der Müllerstraße 12 Es ist ein Erfolg versprechender Ansatz, die Menschen bereits im Ausland auszubilden. Björn Fromm FOKUS | Internationale Fachkräfte | 26

Björn Fromm Geschäftsführender Gesellschafter An der Freien Universität Berlin hat Björn Fromm seinen Master in Business Administration absolviert. Im Jahr 2012 gründete er die Fromm Lebensmittel GmbH, in der er heute drei Edeka-Märkte betreibt. Neben seiner Unternehmer-Tätigkeit in der Fromm Lebensmittel GmbH, zu der zwei Edeka-Märkte in Wedding und einer in Buckow gehören, engagiert sich Björn Fromm jeweils als Präsident im Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels e.V. sowie im Handelsverband Berlin-Brandenburg e.V. Er weiß daher, wie schwer der Fachkräftemangel die Einzelhändler trifft, und befürwortet Initiativen, die mit neuen Ansätzen der Herausforderung begegnen. Berliner Wirtschaft: Können Sie sich vorstellen, künftig Fachkräfte aus Namibia einzustellen? Björn Fromm: Selbstverständlich. Wir suchen jeden Tag händeringend Mitarbeitende und auch Auszubildende. Sie spielen auf das Projekt TalentsBridge an: Ja, das ist interessant für uns. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt beschäftigt mich das Projekt aber eher in meiner Funktion als Präsident des Handelsverbands Berlin-Brandenburg. Warum? TalentsBridge ist ein sehr spannendes und herausforderndes Projekt. Aus meiner Sicht ist es ein sehr lobenswertes Engagement der IHK Berlin. Jetzt geht es auch darum, die Idee in der Berliner Wirtschaft in die Breite zu tragen. Wir unterstützen als Verband das Projekt und werden es über unser Netzwerk publik machen. Welche Reaktionen kommen aus dem Netzwerk? Das erste Feedback ist – wie so oft – sehr vielfältig. Es besteht viel Interesse, dabei zu sein. Bisher ist es ein lockerer Austausch. Das Projekt steht noch am Anfang, es kann ja heute noch keine ausge- bildeten Einzelhandelskaufleute oder Verkäuferinnen und Verkäufer für Berlin anbieten. Im Verband und unter unseren Mitgliedsunternehmen wissen wir aber: Vor zehn Jahren war es noch viel einfacher, Mitarbeiter zu finden, und es wird in den kommenden Jahren wahrscheinlich immer schwerer werden. Der Arbeitsmarkt ist sehr angespannt. Uns ist also allen bewusst: Mitarbeitende fallen nicht vom Himmel, wir müssen etwas tun. Deshalb wird die Bereitschaft für dieses Projekt immer weiter zunehmen. Worin sehen Sie die Vorzüge des Projekts in Namibia? Es ist ein Erfolg versprechender Ansatz, die Menschen bereits im Ausland auszubilden. Wir haben bisher große Probleme mit der Anerkennung von Zeugnissen und Abschlüssen, wenn Fachkräfte aus dem Ausland zu uns kommen wollen. Ich gehe davon aus, dass es im Rahmen von TalentsBridge deutlich weniger Schwierigkeiten mit der Bürokratie geben wird, wenn dabei nach deutschen Standards ausgebildet und ein IHK-Abschluss erworben wird. Und ich glaube, dass das Land Namibia gut gewählt ist, ein Land, in dem Englisch Amtssprache ist. Eine Grundverständigung ist schon mal da. Aber für Sie im Einzelhandel ist doch vor allem die deutsche Sprache wichtig. „Die Verständigung zwischen den Kulturen ist wichtig“ Björn Fromm wirbt als Präsident des Berliner Handelsverbands für das Projekt TalentsBridge. Auch als Chef dreier Edeka-Märkte kann er sich vorstellen, Fachkräfte aus Namibia einzustellen von Michael Gneuss » FOTO: AMIN AKHTAR Internationale Fachkräfte | 27 Berliner Wirtschaft 10 | 2025

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