Digitalisierung, forschungsgetriebene Innovationen und nachhaltige Produktionsbedingungen machen Berlin zum wichtigen Standort von Dr. Mateusz Hartwich Industrie mit Zukunft Wenn heutzutage öffentlich die De- industrialisierung Deutschlands heraufbeschworen wird, kann man in Berlin eigentlich nur müde lächeln. Nicht, weil das Thema nicht ernst wäre, aber Berlin hat die Diskussion schon in den Neunzigern durchgemacht. Der einst größte Industriestandort Deutschlands verlor rasant an wirtschaftlicher Bedeutung, auch durch den Wegfall von Subventionen. Kultur, Kreativwirtschaft, Tourismus und Dienstleistungen sollten von nun an ökonomisch prägend sein. Industrie und Produktion schienen ein Phänomen dunkler Vorzeiten. Förderung von Ansiedlungen Nach knapp 30 Jahren sieht das ganz anders aus. Digitalisierung, forschungsgetriebene Innovationen, nachhaltige Produktionsbedingungen haben die Industrie in Berlin wieder zu einem Zukunftsthema gemacht. Zu verdanken ist das Unternehmen, die am Standort geblieben sind und investiert haben, und solchen, die sich angesiedelt haben. Dafür, dass Berlin diese Ansiedlungen fördert, war ein Umdenken notwendig, insbesondere bei politischen Akteuren. Mit dem „Steuerungskreis Industriepolitik“, 2010 gegründet, schuf der Senat ein Gremium, an dem sich auch die IHK Berlin von Anfang an beteiligt. Im August 2022 wurde die inzwischen vierte Version des Masterplans Industriestadt Berlin (MPI), der industriepolitischen Rahmenstrategie Berlins, für den Zeitraum 2022–2026 verabschiedet. Im Mittelpunkt stehen die digitale und ökologische Transformation sowie die Wandlung der Arbeitswelt. Die geförderten Projekte fokussieren sich daher auf anwendungsorientierte Forschung, Qualifizierung von Beschäftigten und Best-Practice-Beispiele, wie etwa das „Grüne Kraftwerk“ im Gewerbegebiet Motzener Straße sowie branchenspezifische Netzwerke. Ein weiteres Teilprojekt soll unter Federführung der Senatswirtschaftsverwaltung Grundlagen für ein stadtweites Konzept für Industrie- und Gewerbestandorte von morgen schaffen. Schon seit Jahren sorgt der Fokus auf Wohnungsbauprojekte dafür, dass Gewerbegebiete unter Druck geraten. Im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung Berlins als Wohn- und Arbeitsort wäre es wichtig, Standorte für die Entwicklung von Wirtschaftsunternehmen zu sichern und neue auszuweisen. Ein Selbstläufer ist die Berliner Industriepolitik trotz aller politischen Akzente nicht. Immer wieder muss der Sektor hinter anderen Schwerpunkten zurückstehen. Die IHK Berlin wird sich weiter für das verarbeitende Gewerbe starkmachen, denn gute Industriepolitik bedeutet gute Wirtschaftspolitik. ■ Lars Mölbitz, IHK-Key-AccountManager Industrie und Gesundheitswirtschaft Tel.: 030 / 315 10-439 lars.moelbitz@berlin. ihk.de 70 % der privaten Investitionen für Forschung und Entwicklung in Berlin kommen aus der Industrie. Berlins Forschungs- und Wissenschafts landschaft befördert anwendungsgetriebene Innovationen FOTOS: GETTY IMAGES/FRANZISKA & TOM WERNER, FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG AGENDA | Industrie | 18 Berliner Wirtschaft 10 | 2023
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