Ausbildungsplatzumlage Erhebliche Belastungen für Unternehmen durch Senatspläne Seite 10 Ja zur Ausbildung Nein zur Strafabgabe Ausbildungsplätze jetzt melden! Mehr in der BW Online Der Mix im Team macht’s Civey-Chefin Janina Mütze baut auf gelebte Viefalt. Richtig eingesetzte Diversitätsprogramme helfen Unternehmen, Fachkräfte zu gewinnen und zu binden Seite 18, Interview Seite 26 Das Magazin der Industrie- und Handelskammer zu Berlin 09/2025 ihk.de/berlin
Sebastian Stietzel ist Präsident der IHK Berlin und Geschäftsführer der Marktflagge GmbH, Management & Investments Gelegentlich entsteht der Eindruck, dass Unternehmertum in Berlin bei Teilen der Politik nicht den Stellenwert hat, den es verdient. So füllen führende Vertreter der Berliner Koalition die ferienbedingt nachrichtenarme Zeit mit Überlegungen zur „Vergesellschaftung von Produktionsmitteln“ – eine Debatte, die wenig Zukunftsorientierung erkennen lässt. Parallel droht mit der Ausbildungsplatzumlage ein weiterer Bürokratielast-Test für die Wirtschaft. Bis Ende des Jahres sollen 2.000 zusätzliche Ausbildungsverträge entstehen. Gelingt das nicht, müssen alle Unternehmen eine Abgabe in einen Fonds zahlen, den eine neu zu schaffende Behörde nach eigenen Kriterien wieder verteilt. Mehr Ausbildungsverhältnisse werden so jedoch nicht entstehen – zumal die Verwaltung selbst einräumt, dass auch ihr die Nachwuchsgewinnung schwerfällt. (S. 10) Sachliche Argumente allein werden die Umlage wohl nicht verhindern – nur belastbare Zahlen können das. Mein dringender Appell: Melden Sie alle verfügbaren Ausbildungsplätze bei der Agentur für Arbeit – auch wenn Sie bisher noch keinen Azubi darüber gefunden haben. Es kommt in diesem Jahr auf jeden zusätzlichen Ausbildungsvertrag an. Nutzen Sie deshalb auch alle IHK-Angebote zur Besetzung freier und gern auch zusätzlicher Ausbildungsstellen. Ihr Energiewende Die Berliner Wirtschaft zeigt sich 2025 erstmals optimistisch in Bezug auf die Energiewende. Wie aus dem Energiewende- barometer der IHK Berlin jedoch weiter hervorgeht, bleibt aber auch die Skepsis groß. Besonders die hohen Energiepreise belasten die Unternehmen. Seite 16 Melden Sie bitte alle verfügbaren Ausbildungsplätze! berliner-wirtschaft.de Mehr Business-News und Storys aus den Unternehmen der Hauptstadt, dazu Zahlen, Fakten und Meinungen bietet der Online-Auftritt der „Berliner Wirtschaft“: ZEICHNUNG: ANDRÉ GOTTSCHALK; TITEL: AMIN AKHTAR Berliner Wirtschaft 09 | 2025 Editorial | 03
Handel Die Traditionbuchhandlung Schropp Land & Karte von Regine Kiepert ist ein Solitär im Geschäftsleben Berlins 42 18 Diversity Die Belegschaften zahlreicher Berliner Unternehmen zeichnen sich durch Vielfalt aus – ein Standortvorteil BRANCHEN 30 Außenwirtschaft Aktuelle IHK-Umfrage zeigt die Unsicherheiten, die durch Donald Trumps Handelspolitik hervorgerufen werden 32 Gesundheit Start-up Nia Health bietet App-Lösung für chronische Hauterkrankungen an 37 Start-up Til Bußmann-Welsch von Anita Legal über sein Konzept 38 Initiative Encourage Ventures hilft Frauen bei der Umsetzung ihrer Geschäftsideen 40 Werbemittel Nostalgic-Art Merchandising GmbH bangt um Standort 42 Handel Die Berliner Unternehmerin Regine Kiepert weist mit Globen und Karten den Weg 44 Netzwerk Seit 70 Jahren mischt der Marketing Club Berlin mit im Berliner Wirtschaftsleben 45 Historie Die Maisstärke Mondamin, benannt nach einer Gottheit, wurde zum Küchenschlager AGENDA 10 Ausbildungsplatzumlage Berliner Wirtschaft positioniert sich gegen die Pläne des Senats, eine Strafabgabe für Unternehmen zu erheben 14 Innovation Neustart, eine Initiative für Berlin, will Talente, Erfinder, Visionäre zusammenbringen 15 Kolumne Birol Becer wirbt für Berlin und dafür, dass alle mit Einsatz, Mut und Courage die Stadt voranbringen 16 Energiewende Bürokratie bleibt das größte Hindernis, doch insgesamt ist die Stimmung besser, wie das aktuelle IHK-Barometer zeigt FOKUS 18 Diversity Vielfalt im Unternehmen und Chancengleichheit machen den Standort innovativ und international attraktiv 21 Service IHK bietet Zertifikatslehrgang zum Diversity Manager an 22 Unternehmenspraxis Friedrichstadt-Palast, Greta & Starks Apps sowie Forever Clean über ihre Konzepte für ein respektvolles Miteinander 26 Interview In Meinungsumfragen sei Diversity immer wieder ein Thema, verliere aber in Krisenzeiten an Bedeutung, sagt Janina Mütze von Civey Janina Mütze Mitgründerin Civey GmbH 26 Wir müssen uns fragen, welchen Stellenwert Vielfalt in der Breite der Gesellschaft tatsächlich hat. FOTOS: KKGAS/STOCKSY, GETTY IMAGES BEA VERA, GETTY IMAGS/FSTOP/HALFDARK, AMIN AKHTAR, GENE GLOVER, GETTY IMAGES/MASKOT Inhalt | 04
Modernisierung Digital und flexibel soll die Ausbildung sein – die IHK Berlin treibt deren Weiterentwicklung voran 46 FACHKRÄFTE 46 Modernisierung Die duale Ausbildung braucht ein Update. Die IHK hat dazu einen konkreten Forderungskatalog erstellt 48 Verbundberatung Ahlberg Metalltechnik GmbH setzt in der Ausbildung auch auf die Verbundberatung 50 Nachvermittlung IHK sorgt mit „Passgenauer Besetzung“ für Vermittlung nach dem Ausbildungsstart 53 Azubi-Förderung Bei einem Afterwork-Termin informiert die IHK Berlin über Fördermöglichkeiten für besonders talentierte Azubis SERVICE 56 Klimaschutz Die Einsparung von CO2 kann auch die Kosten senken. Beratung erhalten Betriebe in Berlin bei der KEK 58 Beratung Voraussetzungen für den Betrieb einer Gaststätte mit Alkoholausschank 59 Handelsrecht Laut Urteil des BGH dürfen Domainfirmennamen nicht zu allgemein sein, vielmehr ist Individualität geboten 61 Migrantische Wirtschaft IHK Berlin unterstützt mit Beratung, Vermittlung und auch mit Veranstaltungen 03 Editorial | 06 Entdeckt | 36 Impressum | 52 Seminare 65 Gestern & Heute | 66 Zu guter Letzt Schreiben Sie uns Worüber möchten Sie in der „Berliner Wirtschaft“ informiert werden? Senden Sie Ihre Anregungen per Mail an: bw-redaktion@berlin.ihk.de Berliner Wirtschaft 09 | 2025 Inhalt | 05 das uns! Überlassen Sie Professionelle Entsorgungslösungen für: Gewerbeabfälle Bedarfsgerechte Konzepte zur Erfassung Ihrer gemischten Gewerbeabfälle – entsprechend der Gewerbeabfallverordnung Altpapier Beste Preise für Industrie, Handel, Gewerbe, Wohnungswirtschaft und Privathaushalte Gewerbefolien Kostengünstige und umweltgerechte Wertstoffentsorgung Andere Abfälle Zuverlässige Erfassung aller anderen Abfälle zur Verwertung (Glas, Holz, Schrott, E-Schrott) Bartscherer & Co. Recycling GmbH Montanstraße 17-21 13407 Berlin Tel: (030) 408893-0 Fax: (030) 408893-33 www.bartscherer-recycling.de Bestellungen direkt im Onlineshop. Günstige Pauschalpreise für Umleerbehälter von 240 l bis 5,5 cbm.
Vor ziemlich genau zehn Jahren kam es zum Urknall: Im Oktober 2015 präsentierte das Gründertrio der Popkornditorei Knalle auf einem Manufakturen-Naschmarkt sein Produkt, wenn auch nicht unter dem jetzigen Namen. 2016 erfolgte die Firmengründung. Heute poppt der Mais fettfrei in der Knalle-Backstube in Berlin-Marzahn. Dort kommt er noch einmal in den Ofen (Foto, Mitarbeiter Mathias Teuber), dann wird das fertige Popcorn in Geschmacksrichtungen wie Butterkaramell Tahiti-Vanille an verschiedenen Standorten der Mosaik-Werkstätten für Menschen mit Behinderungen abgefüllt – 25.000 Tüten wöchentlich. Verkauft wird online, im eigenen Shop in Prenzlauer Berg und in regionalen Feinkostgeschäften. Immer wieder gibt es Sondereditionen, in diesem Jahr hat Knalle zusammen mit Spitzenkoch Tim Raue die Sorte Extrakaramell Chipotle Chili Zitrone aufgelegt. Hier knallt es ordentlich FOTO: POPKORNDITOREI KNALLE/GANZ IN WEISE Entdeckt | 06 Berliner Wirtschaft 09 | 2025
Entdeckt | 07 Berliner Wirtschaft 09 | 2025
„Die gute Nachricht ist, dass fast zwei Drittel der Berliner Unternehmen es für möglich halten, dass die Energiewende positive Auswirkungen auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit hat. Aber Bürokratie, fehlende Planbarkeit, eine verlässliche Energiepolitik sowie lange Planungs- und Genehmigungsverfahren bremsen die Transformation. Das Ziel muss sein, mit weniger Bürokratie mehr Klimaschutz in kürzerer Zeit möglich zu machen.“ Laut Energiewendebarometer der IHK Berlin liegen zahlreiche Hürden auf dem Weg zur CO2-Neutralität Weniger Bürokratie, mehr Klimaschutz! gesagt Manja Schreiner, Hauptgeschäftsführerin IHK Berlin 400 digitale Dienstleistungen bietet die Berliner Verwaltung mittlerweile an. Dazu zählen nach Angaben der Sentatskanzlei die elektronische Wohnsitzanmeldung, die An- und Ummeldung von Kraftfahrzeugen sowie das Bestellen eines Anwohnerparkausweises. kopf oder zahl Lisa-Sophie Kleiss Dr. Peter Görlich ist neue CFO von Nextwind. Kleiss kommt von der Axel Springer SE, wo sie seit 2019 verschiedene Führungspositionen innehatte, zuletzt als Senior Vice President Corporate Controlling & Development. Ihre Karriere begann bei Deloitte mit den Themen Business Transformation und Business Process Outsourcing. Danach wechselte sie zu Boston Consulting. ist in die Geschäftsführung von Hertha BSC eingetreten, wo er mit Ralf Huschen die Verantwortung trägt. Görlich war zuletzt Geschäftsführer der SRH Hochschulen GmbH. Von 2015 bis 2021 war der Sportwissenschaftler und Master of Business Administration CEO bei der TSG 1899 Hoffenheim und dort zuständig für Sport, Strategie, Innovation, Kommunikation und Marketing. Energiewendebarometer Mehr zur IHK-Umfrage auf Seite 16 FOTOS: IMAGO, NEXTWIND, MARC TRAN/STOCKSY UNITED, PHILIPP ARNOLDT Berliner Wirtschaft 09 | 2025 Kompakt | 08
Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg Ausländer in Tausend in Tausend Deutsche 2022 2024 2020 2016 2018 2014 2012 2010 2008 2022 2024 2020 2016 2018 2014 2012 2010 2008 Saldo aus Zu- und Fortzügen Zuzüge 188 186 167 143 178 180 185 216 165 169 175 183 144 148 159 127 133 12 15 11 17 39 41 42 41 54 34 29 23 16 85 33 27 -2 37 235 3,69 Millionen Menschen lebten Ende 2024 in Berlin, das sind 0,6 Prozent mehr als 2023. Patrick Schulze, IHK-Experte für Statistik Tel.: 030 / 315 10-226 patrick.schulze@berlin.ihk.de Berlin wird internationaler Rund 70 Prozent der Menschen, die nach Berlin ziehen, kommen aus dem Ausland. Vor 15 Jahren lag die Zahl noch unter 40 Prozent berliner wirtschaft in zahlen Baustellen gehören zum Stadtbild wie Graffiti. Den Verkehrsfluss beeinträchtigen meist Leitungs- oder Straßenarbeiten besonders stark. An der Schloßstraße aber sorgt dafür die Endlos-Hochhausbaustelle Steglitzer Kreisel. Die ist jedoch zugleich seit Jahren eine feste Einnahmequelle des Bezirks Steglitz-Zehlendorf. Immerhin eine Dreiviertelmillion Euro Sondernutzungsgebühren wurden schon fällig. Das Geld fließt, der Verkehr steht. bw Was finden Sie typisch? Schreiben Sie uns: bw-redaktion@berlin.ihk.de Über Gebühr typisch berlin Grafiken: BW Kompakt | 09
Der Berliner Senat will eine Ausbildungsplatzumlage erheben. Sie würde die Unternehmen stark belasten und das Ziel, mehr Jugendliche auszubilden, kein Stück voranbringen von Sabine Hölper Ja zur Ausbildung. Nein zur Strafabgabe Der Senat macht Ernst: Sollte bis Ende 2025 die Zahl der Ausbildungsverträge nicht um 2.000 gegenüber 2023 steigen, wird die sogenannte Ausbildungsplatzumlage fällig. Die Regierungsfraktion plant, das Gesetz dazu im vierten Quartal in das parlamentarische Verfahren einzubringen. Hintergrund sind die mehreren Tausend Berliner Jugendlichen, die Jahr für Jahr keinen Ausbildungsplatz finden. Die Politik geht davon aus, dass die Unterversorgung am mangelnden Ausbildungswillen der Betriebe liegt. Die Wahrheit ist eine andere: Die Wirtschaft will ausbilden, findet aber nicht genügend geeignete Bewerber. Somit geht die Strafabgabe am Ziel, Jugendliche in Ausbildung zu bringen, vorbei. „Die Strafabgabe schafft keinen zusätzlichen Ausbildungsvertrag“, sagt Manja Schreiner, Hauptgeschäftsführerin der IHK Berlin. Dennoch soll jetzt gelten: Wenn die Berliner Unternehmen nicht bis Ende 2025 insgesamt 2.000 zusätzliche Ausbildungsverträge abschließen, müssen alle Unternehmen ab einer bestimmten Bruttolohnsumme von 2027 an eine Strafabgabe zahlen. Betroffen sind alle Betriebe mit mindestens einem Beschäftigten, die oberhalb einer bestimmten, noch nicht definierten Bagatellgrenze liegen. Sie alle müssen erst einmal zahlen, zum Teil sechs- bis siebenstellige Summen. Nur jene Unternehmen, die ausbilden, erhalten später eine Rückerstattung. In welcher Höhe die Firmen belastet werden, ist noch unklar. Laut Referentenentwurf liegt die Abgabenlast bei bis zu 0,5 Prozent der gesamten Bruttolohnsumme eines Jahres. Ein Unternehmen mit 100 Beschäftigten müsste danach bei einer Bruttolohnsumme von 5.037.286 Euro mit gut 25.186 Euro in Vorleistung gehen. Wie hoch die Rückerstattung ist, liegt im Dunkeln. Hierzu steht im Entwurf lediglich, dass diese gestaffelt und pauschalisiert nach Ausbildungsjahren erfolgt, nämlich 100 Prozent der Pauschale für Auszubildende im ersten Jahr, 50 Prozent im zweiten und 25 Prozent im dritten. Die Höhe der Pauschale wird aber erst durch Rechtsverordnung der zuständigen Senatsverwaltung festgelegt. Sie kann theoretisch zwischen unter einem und 100 Prozent der durchStellen melden Offene Ausbildungsplätze sollten unbedingt. der Bundes- agentur für Arbeit gemeldet werden: Mit der vom Senat geplanten Ausbildungsplatzumlage rollt eine Bürokratiewelle auf alle Beteiligten zu FOTOS: GETTY IMAGES/C. J. BURTON, IHK BERLIN/PHILIPP ARNOLDT Berliner Wirtschaft 09 | 2025 agenda
Beschäftigten- anzahl Bruttolohn- summe Angenommener Abgabesatz von 0,5% 3 151.119 € 756 € 5 251.864 € 1.259 € 10 503.729 € 2.519 € 50 2.518.643 € 12.593 € 100 5.037.286 € 25.186 € 200 10.074.573 € 50.373 € 500 25.186.431 € 125.932 € 1.000 50.372.863 € 251.864 € 1.500 75.559.294 € 377.796 € 3.000 151.118.588 € 755.593 € 5.000 251.864.313 € 1.259.322 € 10.000 503.728.626 € 2.518.643 € So stark würden Unternehmen belastet IHK-Berechnungen mit angenommener Bruttolohnsumme, orientiert am aktuellen Mediangehalt von 50.372,86 Euro schnittlichen tariflichen Ausbildungsvergütung in Berlin liegen. Eine seriöse Einschätzung darüber, mit wie vielen Auszubildenden man entlastet wird, ist nicht möglich. Auch das Bremer Modell ist keine Vorlage. Das einzige Bundesland, das bislang eine solche Abgabe eingeführt hat, berechnet die Summen anders. Es ist aber davon auszugehen, dass viele Berliner Betriebe unterm Strich draufzahlen. Nach ersten groben Schätzungen der IHK könnten – unter der Annahme des maximalen Strafabgabesatzes – mehr als 400 Mio. Euro in die „Berliner Ausbildungskasse" fließen. Gemäß den aktuellen Plänen würden daraus Rückzahlungspauschalen pro Auszubildendem nur auf Antrag ausgezahlt. Wie konkret diese Ausbildungskasse ausgestaltet wird und ob weitere Maßnahmen querfinanziert werden sollen, bleibt dagegen offen. Unvollständige Datengrundlage Hinzu kommt ein weiteres grundlegendes Problem: Die Idee der Umlage basiert auf einer unvollständigen Datengrundlage, nämlich auf den bei der Agentur für Arbeit gemeldeten freien Ausbildungsstellen. Laut IHK Berlin melden dort aber nur rund drei Viertel der Mitgliedsunternehmen ihre Ausbildungsplätze, weil andere Akquise- Wege erfolgversprechender sind. Gleichzeitig geben viele Jugendliche nicht Bescheid, sobald sie eine Stelle gefunden haben. Außer Acht gelassen werden zudem schulische Ausbildungen, üblich etwa bei Erziehern. Das Gleiche gilt für weitere zentrale Berufe, etwa in der Pflege, bei der Polizei oder Feuerwehr. Auch das verzerrt die Statistik. Ferner geht der Senat davon aus, alle als unversorgt gemeldeten Jugendlichen könnten unmittelbar in eine Ausbildung aufgenommen werden. Für jene Firmen, die händeringend geeignete Auszubildende suchen, ein Schlag ins Gesicht. Denn viele Jugendliche sind nicht erreichbar oder kommen gar nicht erst bei den Unternehmen an. Die mehreren Tausend offenen Ausbildungsstellen, die aktuell auf ausbildung.berlin gelistet sind, zeigen eindrücklich, dass die Unternehmen vergeblich Azubis suchen. „Die Unternehmen werden doppelt bestraft: Sie finden keine Auszubildenden und werden dann auch noch zur Kasse gebeten“, sagt Manja Schreiner. 39 Prozent der befragten Ausbildungsunternehmen gaben in der IHK-Aus- und Weiterbildungsumfrage 2025 an, dass sie angebotene Plätze nicht besetzen können. Ein wesentlicher Grund dafür ist die mangelnde Ausbildungsreife vieler Bewerber. Etliche Jugendliche verlassen die Schule ohne Abschluss, aber selbst mit Zeugnis haben zu viele Abgänger große Lücken bei Grundfähigkeiten wie Rechnen und Schreiben. Auch Tugenden wie Pünktlichkeit und Verlässlichkeit sind oft unterentwickelt. Zudem stehen viele Jugendliche nach der Schulzeit ohne klare berufliche Orientierung da. „Das Problem ist deshalb nicht die Zahl der Ausbildungsplätze. Vielmehr gibt es ein massives Passungs- und Matching-Problem“, sagt Schreiner. „Das wiederum lösen Sie nicht mit einer Strafabgabe, sondern mit guter Bildung, strukturierter Berufsorientierung in allen Schulformen und intensiver Beratungs- und Vermittlungsarbeit in der Jugendberufsagentur.“ Mit der Abgabe bestraft werden auch jene, die vor allem hoch spezialisierte Akademiker brauchen, etwa Tech-Start-ups, und Firmen, die übertarifliche Löhne zahlen. Vieles an der geplanten Ausbildungsplatzumlage wirkt undurchdacht und der aktuelle Gesetzesentwurf lässt noch etliche Fragen offen. Und sollte das Gesetz wirklich in Kraft treten, würde damit noch mehr Bürokratie geschaffen, für Verwaltung wie Unternehmen. Außerdem wäre die Strafabgabe ein Standortrisiko, das Neuansiedlungen erschwert und Unternehmen vertreibt. Schwer vorstellbar, dass das im Sinne der Politik ist. Dabei hat sie es in der Hand, das zu ändern, indem sie dafür eintritt, dass die duale Ausbildung gesellschaftlich aufgewertet wird. Vor allem aber muss sie eine anständige schulische Bildung gewährleisten. ■ Anne Neidhardt, IHK-Senior-Public- Affairs-Managerin Tel.: 030 / 315 10-838 anne.neidhardt@ berlin.ihk.de Lukas Bülter, IHK-Public-Affairs- Manager Tel.: 030 / 315 10-503 lukas.blueter@ berlin.ihk.de Grafik: BW Quelle: IHK Berlin Manja Schreiner IHK-Hauptgeschäftsführerin Die Unternehmen werden doppelt bestraft: Sie finden keine Auszubildenden und werden dann auch noch zur Kasse gebeten. Ausbildungsplatzumlage | 11 Berliner Wirtschaft 09 | 2025
Ich lehne diese branchenübergreifende Ausbildungsplatzumlage ab. Dabei ist uns in der Baubranche das Umlagesystem nicht unbekannt. Wir haben bereits eine Ausbildungsumlage – auf der Basis des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren (VTV). Sie ist also keine gesetzliche Strafabgabe, sondern ein von den Tarifparteien ausgehandeltes Modell. Diese Umlage dient dazu, die Ausbildungskosten fair zu verteilen – sie hilft dabei, den Mehraufwand einer mehrjährigen Ausbildung abzufedern. Aber sie schafft keinen einzigen zusätzlichen Ausbildungsplatz. Die Entscheidung, ob ein Unternehmen ausbildet, hängt von Faktoren wie Auftragslage, Fachkräftebedarf und personeller Kapazität ab – nicht von einer finanziellen Belastung. Trotz der bestehenden Umlage gelingt es uns oft nicht, alle Ausbildungsplätze zu besetzen. Das liegt nicht am mangelnden Engagement der Betriebe, sondern an strukturellen Problemen, für die die Politik Verantwortung trägt. Wenn Jahr für Jahr zahlreiche Jugendliche die Schule ohne Abschluss verlassen, wenn die Jugendberufsagenturen nicht einmal verlässlich erfassen, wer tatsächlich unversorgt ist, und Jugendliche keine umfassende Berufsorientierung erhalten – dann ist das nicht das Versagen der Wirtschaft. Wir als Betriebe stehen bereit, aber wir können die Probleme des Bildungssystems nicht allein ausgleichen.“ Unsere Fachkräfte bilden wir im eigenen Haus aus. Doch in der Nachwuchsgewinnung stehen wir im Wettbewerb mit bekannten Marken und müssen viel investieren, um überhaupt wahrgenommen zu werden. Die geplante Ausbildungsumlage bedeutet für uns vor allem mehr Bürokratie – und geht am Kern des Problems vorbei. Auch wenn wir finanziell davon profitieren könnten, hilft das nicht weiter. Was wir wirklich brauchen, sind eine frühzeitige und bessere Berufsorientierung, mehr Praktikumsmöglichkeiten während der Schulzeit und eine stärkere gesellschaftliche Wertschätzung der dualen Ausbildung.“ Die Ausbildungsplatzumlage verfehlt ihr Ziel, wenn sie Unternehmen belastet, die bereits Verantwortung übernehmen. Gerade in spezialisierten Branchen wie der Immobilienwirtschaft gibt es viele Berufsbilder, die gar nicht ausbildungsfähig im klassischen Sinn sind – etwa in der Projektentwicklung oder im Innovationsbereich. Anstatt mit einer pauschalen Umlage abzustrafen, sollte gezielt dort unterstützt werden, wo Ausbildung tatsächlich stattfindet. Ein partnerschaftlicher Ansatz würde mehr bewirken als ein weiterer bürokratischer Eingriff.“ Aktuell bieten wir bei Thalia rund 600 jungen Menschen eine Ausbildungsstelle – und damit eine klare berufliche Perspektive. Unsere Auszubildenden werden deutschlandweit eingesetzt, auch an unseren rund 20 Berliner Standorten. Wir erleben seit Jahren, dass es zunehmend schwieriger wird, geeignete Bewerberinnen und Bewerber für die duale Ausbildung zu gewinnen. Das ist kein spezielles Problem Berlins, sondern betrifft den Ausbildungsmarkt bundesweit. Was wir brauchen, ist eine gesellschaftliche und politische Aufwertung der dualen Ausbildung – durch gezielte Förderung, bessere Rahmenbedingungen und mehr Anerkennung. Eine pauschale Abgabe, die Betriebe zusätzlich belastet – unabhängig von ihrem tatsächlichen Engagement –, halten wir für den falschen Weg. Statt Strafen für engagierte Unternehmen braucht es Anreize und Wertschätzung für diejenigen, die Ausbildung aktiv gestalten.“ Marcus Butt ist Geschäftsführer Produktion & Technik der traditionsreichen Moll Marzipan GmbH, die rund 100 Mitarbeitende und sechs Auszubildende beschäftigt Jana Mrowetz ist Geschäftsführerin der GIBE Real Estate GmbH mit Sitz in Berlin, die Quartiers- und Tourismusprojekte mit hohem ESG-Standard entwickelt Johannes Brancke, Vertriebsdirektor Nord der Thalia Bücher GmbH, des marktführenden Buchhandels- unternehmens im deutschsprachigen Raum Dieter Mießen Prokurist der Berliner Frisch & Faust Tiefbau GmbH und Vorsitzender des IHK-Ausschusses Bildungsstarke Stadt Das sagt die Berliner Wirtschaft zu den Plänen FOTOS: BETTINA ENGEL-ALBUSTIN/FOTOAGENTUR RUHR MOERS, FRISCH & FAUST, GIBE REAL ESTATE GMBH, MOLL MARZIPAN, ABB, HEINLEIN GRUPPE, B. BRAUN SE AGENDA | Ausbildungsplatzumlage | 12 Berliner Wirtschaft 09 | 2025
Stefan Rohde Personalleiter und Director Human Resources (HR) für die Standorte Berlin der B. Braun SE, einem der größten Medizintechnologie-Unternehmen in Berlin Aus unserer Sicht als Familienunternehmen der Medizintechnologie, das seit vielen Jahren erfolgreich Fachkräfte für den eigenen Bedarf ausbildet, ist eine Ausbildungsumlage nicht das richtige Instrument, um die Ausbildungslandschaft in Berlin zu verbessern. Im Gegenteil. Sie führt stattdessen zu zusätzlichen bürokratischen Anforderungen, ohne dass ein einziger zusätzlicher Ausbildungsplatz geschaffen wird, und bestraft diejenigen, die soziale Verantwortung für junge Menschen übernehmen. Langfristig könnte eine Umlage sogar abschreckend wirken. Wir bilden immer mit dem primären Ziel aus, die Nachwuchskräfte zu übernehmen. Seit einigen Jahren haben wir allerdings große Probleme, unsere 50 Ausbildungsplätze adäquat zu besetzen. Wir appellieren daher an die Verantwortlichen, die geplante Ausbildungsumlage zu überdenken und stattdessen Maßnahmen zu ergreifen, die Unternehmen in ihrer Ausbildungsbereitschaft fördern. Der Fokus muss darauf liegen, junge Menschen in der Berufsorientierung mehr zu unterstützen und wieder einen besseren Match von Ausbildungsplätzen sowie Bewerberinnen und Bewerbern zu fördern, indem auch die duale Ausbildung im Vergleich zur akademischen Laufbahn aufgewertet wird.“ In Berlin sind genügend Ausbildungsplätze für ausbildungswillige Jugendliche vorhanden. Mehrere Tausend Ausbildungsplätze konnten im vergangenen Jahr nicht besetzt werden. Es wird unnötigerweise ein neues Bürokratiemonster entstehen. Jährlich sollen Betriebe ihre Bruttolohnsumme melden, Beiträge eingezogen und ausgezahlt und die Kriterien ständig neu festgelegt werden – das verursacht einen enormen Verwaltungsaufwand. Davon abgesehen: Ein Ausbildungsplatz in den technischen Berufen kostet in der Realität rund 100.000 Euro pro Azubi und mehr. Die geplanten Rückflüsse decken diese Kosten bei Weitem nicht. Die Aussage, dass ausbildende Unternehmen nicht belastet würden, ist daher nicht haltbar. Statt neuer Abgaben braucht es gezielte Maßnahmen: bessere Berufsorientierung an allen Schulformen, passgenauere Vermittlung durch die Arbeitsagenturen, modern ausgestattete Schulen, mehr Berufsschullehrkräfte, bezahlbaren Wohnraum für Azubis und vor allem mehr Wertschätzung für die duale Ausbildung und die Ausbildungsbetriebe.“ Da sich die Ausbildungsplatzumlage nach der Höhe des Gesamtlohns und nicht nach der Mitarbeiterzahl richtet, bestraft sie die Unternehmen, die gute Gehälter für gute Arbeit zahlen. Mit sechs Auszubildenden auf gut 100 Mitarbeiter gehen wir vorbildlich voran und bilden so viel aus, wie organisatorisch wie fachlich vertretbar ist. Trotzdem werden wir weiter zur Kasse gebeten - nur: Ändern kann sich dadurch nichts. Gerade da wir eine große Anzahl hoch qualifizierter Mitarbeiter zu sehr guten Gehältern beschäftigen, müssten wir weit mehr Auszubildende einstellen, als organisatorisch und fachlich vertretbar ist. Unternehmen mit hoch qualifizierten Mitarbeitern und sehr guten Gehältern können gar nicht so viele Azubis einstellen, wie sie müssten, um die Strafabgabe zu umgehen. Zumal wir dann oft auch die Berufsbilder beschäftigen, die gar keine Ausbildungsberufe sind. Die Menge der Auszubildenden müsste an der Anzahl der Mitarbeiter ausgerichtet werden – und statt zu strafen, muss partnerschaftliches Miteinander belohnt werden, wenn ausgebildet wird. Obwohl wir sechs Auszubildende auf gut 100 Mitarbeiter beschäftigen, würden wir zur Kasse gebeten werden – da kann man nicht auf Verständnis in der Wirtschaft hoffen.“ Gerd Woweries ist Geschäftsführer des ABB Ausbildungszentrums Berlin, einem etablierten Bildungsdienstleister im Bereich Metall- und Elektrotechnik Peer Heinlein ist CEO der Heinlein Gruppe mit Sitz in Berlin. Das Unternehmen steht für digitale Souveränität, Datenschutz und Open Source Ausbildungsplatzumlage | 13 Berliner Wirtschaft 09 | 2025
Holger Lunau, IHK Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Tel.: 030 / 315 10-276 holger.lunau@berlin.ihk.de Konzepte einreichen Ideen für Berlin können hochgeladen werden unter: neustartberlin.info Initiative von „Berliner Morgenpost“, „Tagesspiegel“ und Euref-Campus: Neustart will Talente, Erfinder, Visionäre zusammenbringen von Holger Lunau Zukunftsideen für Berlin gesucht Konzepte für die Zukunft Berlins hat es schon viele gegeben. Für die Ankurbelung der Wirtschaft, die Stadtentwicklung und den Verkehr, für die Sicherheit und den Sport, für das friedvolle Miteinander der Bürgerinnen und Bürger, die Liste ließe sich nahezu unendlich fortsetzen. Die Initiative Neustart unternimmt nunmehr einen weiteren Versuch, der Stadt positive und optimistische Impulse zu geben, wie es die Initiatoren selbst formulieren. Dazu gehören die „Berliner Morgenpost“, der „Tagesspiegel“ und der Euref-Campus Berlin in Zusammenarbeit mit radioeins vom rbb. Als Unterstützer ist Schneider Electric dabei. Idee von Neustart ist es, die gemeinsame Reichweite zu nutzen, um ganz unterschiedliches Publikum, Talente, Erfinder und Visionäre an einen Tisch zu bringen, um die Herausforderungen einer wachsenden Metropole in einer sich rasant verändernden Welt zu meistern, Berlin attraktiv für die Menschen zu machen und die große Anziehungskraft der Stadt zu bewahren. Vorläufiger Höhepunkt der Kampagne soll ein Kongress am 21. November dieses Jahres auf dem Euref-Campus Berlin in Schöneberg sein. Zunächst einmal aber wird gesammelt: In einer ersten Phase können Ideengeber ihre Projekte einreichen. Das kann noch bis Mitte September geschehen. Eine Jury wählt dann die spannendsten und vielversprechendsten Vorhaben aus. In einer zweiten Phase werden die ausgewählten Projekte bei der Konferenz auf dem Euref-Campus vorgestellt und von Expertinnen und Experten auf ihre Umsetzbarkeit überprüft. In der dritten Phase sollen die Projekte mit der Politik und der Stadtgesellschaft diskutiert werden. Dabei geht es der Initiative Neustart nach eigenem Bekunden darum, herauszufinden, wie etwas gehen kann, nicht, warum etwas nicht geht. Es gibt eine Website, auf der das Projekt vorgestellt wird und über die Unterlagen hochgeladen werden können (s. links unten). Der Kongress soll allen offenstehen, Entscheidern aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, aber auch interessierten Bürgerinnen und Bürgern. Die Veranstalter rechnen bei freiem Eintritt mit 400 Teilnehmenden. Vorgesehen ist, dass die Ideengeber ihre Projekte vorstellen und Fragen beantworten und dass dann unabhängige Expertinnen und Experten die Realisierungschancen unter konstruktiver Berücksichtigung von typischen Hindernissen wie Finanzierung, Zuständigkeiten, Entscheidungswegen, Bürgerbeteiligung oder Denkmalschutz beurteilen. ■ Runde Sache: Die Initiative Neustart will, dass Berlin fit für die Zukunft wird, und sucht dafür neue Ideen FOTO: GETTY IMAGES/SIEGFRIED LAYDA AGENDA | Innovation | 14 Berliner Wirtschaft 09 | 2025
Wo der European Dream zu Hause ist Der American Dream war gestern: Gemeinsam werden wir unsere Weltmetropole Berlin vorantreiben und der Welt ein Vorbild sein, mit Courage statt Pessimismus Die vergangenen Monate, Wochen sowie Tage waren für mich sowohl als Unternehmer wie auch als Familienvater nicht einfach. Unser Alltag wird zurzeit von den Nachrichten, die unser Gemüt prägen, beeinflusst: Kriege nahezu überall, insbesondere vor den Toren Europas, Zunahme der rechtsradikalen Kräfte, ein aktuell geführter Handelskrieg unter anderem gegen Europa und eine spürbar schrumpfende deutsche Wirtschaft – und alles klingt danach, als stehe der Untergang der Welt unmittelbar bevor. Doch ist die Lage heute wirklich dramatischer als früher? Ein Blick zurück – gut 80 Jahre in die Vergangenheit – relativiert das Bild schnell. Krisen, Umbrüche, wirtschaftliche und politische Herausforderungen hat es immer wieder gegeben – teils in epischem Ausmaß. Und doch hat Europa immer wieder neue Kraft und neue Perspektiven gefunden, um aus jeder Misere herauszukommen. Lethargie und Pessimismus sind keine Lösungen, ganz im Gegenteil. Gerade jetzt ist es wichtiger denn je, nach vorne zu schauen und zu fragen: Was können wir entgegensetzen? Was macht Europa – und Berlin – attraktiv und zukunftsfähig? Wir bieten mehr als wirtschaftliche Sta- bilität: Freiheit, Sicherheit, Vielfalt, Kultur und soziale Absicherung – den idealen Raum zur Selbstverwirklichung. Was einst der amerikanische Traum war, kann heute der europäische werden: ein Ort, an dem Innovation gedeiht, Ideen wachsen und die klügsten Köpfe im globalen Wettbewerb zusammenkommen. Europa hat das Potenzial, diesen Traum zu leben – und Berlin ist mittendrin. Trotz aller Herausforderungen sind wir eine starke Wirtschaftsmacht mit einem Umfeld, das Kreativität und Unternehmertum fördert. Die EU ist mit rund 15 Billionen Euro das größte Wirtschaftsgebiet der Welt, und seit über zehn Jahren wächst das reale BIP in der Hauptstadt stärker als die gesamtdeutsche Wirtschaft. Hinzu kommt der Bedarf an internationalen Talenten: Rund 90.000 Fachkräfte fehlen allein in Berlin. Das sind fast 100.000 Menschen, denen wir Perspektiven bieten und von deren Einsatz unsere Stadt profitiert. Um Ernst Reuter abzuwandeln: Völker der Welt, kommt in diese Stadt! In meinen Kolumnen zuvor habe ich als gebürtiger Berliner für unsere bezaubernde Weltmetropole geworben und werde an dieser Stelle erneut unterstreichen, dass diese Stadt „unique“ ist. Es gelingt uns nur dann, diese bezaubernde Weltmetropole voranzutreiben, wenn wir gemeinsamen Einsatz, Mut und Courage, fern von Pessimismus, zeigen. ■ Meinung In der Kolumne „Auf den Punkt“ positionieren sich im monatlichen Wechsel Mitglieder des Präsidiums zu wirtschaftspolitischen Fragestellungen aus ihrer persönlichen Sicht. präsidiumsmitglieder beziehen stellung Birol Becer ist Präsidiumsmitglied der IHK Berlin und geschäftsführender Inhaber der Ferdinand Dameris GmbH & Co. Strumpfwarenproduktion und -handel KG FOTO: IHK BERLIN/AMIN AKHTAR Auf den Punkt | 15 Berliner Wirtschaft 09 | 2025
Die Berliner Wirtschaft zeigt sich 2025 erstmals seit Jahren optimistisch in Bezug auf die Energiewende. Das aktuelle Energiewendebarometer der IHK Berlin verzeichnet einen positiven Barometerwert von +2,6, ein bemerkenswerter Umschwung nach dem Tiefpunkt von -20,7 im Jahr 2023. Damit hebt sich Berlin deutlich vom bundesweiten Durchschnitt ab, der laut DIHK weiterhin bei -8,3 liegt. Fast ein Drittel der Berliner Unternehmen bewertet die Energiewende mittlerweile positiv. Dennoch bleibt die Skepsis groß: 29 Prozent sehen weiterhin negative Auswirkungen auf ihre Wettbewerbsfähigkeit. Besonders die hohen Energiepreise belasten die Betriebe. 54 Prozent berichten von gestiegenen Stromkosten, 63 Prozent von höheren Wärmepreisen und 47 Prozent von gestiegenen Transportkosten. Fast die Hälfte der Betriebe gibt diese Mehrkosten an ihre Kunden weiter – ein klarer Hinweis für die anhaltende Belastung der Unternehmen durch die Energiepreisentwicklung. Diese hat zudem Auswirkungen auf Investitionspotenziale, so berichten 60 Prozent der Berliner Betriebe von Einschränkungen in allen Investitionsbereichen – von Klimaschutz über Forschung bis hin zu betrieblichen Kernprozessen. Investitionen in Kernprozesse und Klimaschutzmaßnahmen werden häufig zurückgestellt (jeweils rund 23 Prozent). Die größten Hemmnisse bei der Transformation bleiben Bürokratie, fehlende Planbarkeit und Verlässlichkeit der Energiepolitik sowie langsame Genehmigungsverfahren (s. Grafik rechts oben). Besonders der Bausektor leidet unter einer Kombination aus Fachkräftemangel, hohen Energiepreisen und mangelnder Planbarkeit. Die Berliner Wirtschaft zeigt zunehmend Eigeninitiative bei der Energiewende. 21 Prozent IHK-Energiewendebarometer 2025: Das größte Hindernis bleibt die Bürokratie, insgesamt aber ist die Stimmung erstmals im Plusbereich von Larissa Scheu Gebremster Fortschritt 62 % der Unternehmen sehen die Bürokratie als größtes Hemmnis für den Klimaschutz. 76 % der Betriebe haben Maßnahmen zur Energieeffizienz umgesetzt oder sind dabei. 20 % der Unternehmen im Baugewerbe erwägen eine Verlagerung ihres Standorts ins Ausland. ILLUSTRATION: GETTY IMAGES/ISTOCKPHOTO/SIBERIAN ART AGENDA | Energiewende | 16 Berliner Wirtschaft 09 | 2025
der Unternehmen haben bereits eigene erneuerbare Energiequellen aufgebaut, weitere 17 Prozent planen dementsprechende Maßnahmen. Auch die Energieeffizienz steht hoch im Kurs: 76 Prozent der Betriebe haben Projekte umgesetzt oder sind dabei – ein deutlicher Fortschritt gegenüber dem Vorjahr. In der Wärmeversorgung setzen viele Unternehmen auf CO2-arme Technologien und erneuerbare Energien. Die Nutzung von Wasserstoff bleibt gering. Hinsichtlich Klimaneutralität wollen 84 Prozent der Unternehmen sie bis spätestens 2045 erreichen, 12 Prozent sind bereits am Ziel. Trotz wachsender Eigeninitiative bleibt die Sorge um den Wirtschaftsstandort präsent. 13 Prozent der Berliner Unternehmen planen oder realisieren Einschränkungen der Produktion im Inland oder Verlagerungen ins Ausland – im Bausektor haben dies sogar 20 Prozent vor. Bundesweit ist der Trend noch ausgeprägter: Vier von zehn Industriebetrieben denken über eine Standortverlagerung nach. Gleichzeitig zeigt sich die Versorgungssicherheit stabil – 80 Prozent der Unternehmen berichten von zuverlässiger Stromversorgung. Dennoch nimmt die Zahl kurzer Ausfälle zu, sodass 47 Prozent sich anders abgesichert haben. Forderungen an die Politik Von der Politik erwartet die Berliner Wirtschaft vor allem bessere Rahmenbedingungen für Eigenversorgung und Direktstromlieferverträge, eine Senkung der Strompreisabgaben sowie den zügigen Ausbau der Netzinfrastruktur (62 Prozent). Auch der Emissionshandel und grüne Leitmärkte zur Förderung klimafreundlicher Technologien finden Zustimmung. Die Zustimmung zur CO2-Abscheidung und -Speicherung ist deutlich gesunken, und die Unternehmen sind in ihrer Haltung dazu gespalten (s. Grafik rechts). Trotz etablierter Unterstützungsstellen bleibt der Beratungsbedarf hoch. Vor allem geht es dabei um Unterstützung bei der Identifizierung von Einsparpotenzialen, Fördermittel und energieeffiziente Technologien (s. auch S. 56.). Insgesamt zeigt sich die Berliner Wirtschaft widerstandsfähiger als der Bundesdurchschnitt. Der positive Barometerwert ist ein Hoffnungsschimmer, doch strukturelle Probleme wie Bürokratie oder Energiepreise bleiben bestehen. Nur mit klaren politischen Signalen und praxisnahen sowie verlässlichen Rahmenbedingungen kann die Energiewende wirtschaftlich tragfähig gestaltet werden – in Berlin und darüber hinaus. ■ Grafiken: BW Quelle: IHK Berlin Die größten Hemmnisse bei der Transformation Wenn es um Hindernisse auf dem Weg zu mehr Klimaschutz geht, hat die Bürokratie 2025 noch mal zugelegt (Mehrfachnennungen möglich) Barometer erstmals im Plusbereich In diesem Jahr zeigt sich die Berliner Wirtschaft in Bezug auf die Energiewende zum ersten Mal optimistisch Larissa Scheu, IHK-Public-Affairs- Managerin Energie- und Klimaschutzpolitik Tel.: 030 / 315 10-686 larissa.scheu@berlin. ihk.de Barometer 2025 Weitere Informationen zur Energiewende- Umfrage unter: ihk.de/ berlin/energiewendebarometer Erwartungen an die Politik Maßnahmen, die aus Sicht der Wirtschaft für das Gelingen der Energiewende nötig sind (Mehrfachnennungen möglich) 2023 Angaben in Prozent 2024 2025 zu viel Bürokratie langsame Planungs- und Genehmigungsverfahren fehlende Planbarkeit in der Energiepolitik Fachkräftemangel schwierige Finanzierung hohe Energiepreise 62,3 37,6 22,9 46,5 26,8 17,2 14,5 29,0 25,8 33,5 43,3 43,2 24,5 22,9 41,6 28,4 57,6 47,4 in Prozent Verbesserung von Rahmenbedingungen für Eigenversorgung und Direktlieferverträge 75 Steuern und Abgaben auf den Strompreis senken 68 Engpässe bei Übertragungs- und Verteilnetzen reduzieren 62 Wirtschaftlichkeit, Freiwilligkeit und Technologieo enheit als Leitprinzipien für Energieezienzmaßnahmen 59 Einführung grüner Leitmärkte 46 Emissionshandel weiter ausbauen 45 Zugang zu Wassersto planungssicher herstellen 38 CO-Abscheidung, Transport, Nutzung bzw. Speicherung ermöglichen 36 +2,6 2020 -20 -15 -10 -5 +5 positiv negativ 0 2021 2022 2023 2024 2025 Energiewende | 17 Berliner Wirtschaft 09 | 2025
Die Vielfalt bringt’s Diverse Unternehmenswelten, Chancengleichheit und Teilhabe sind wichtige Standortfaktoren. Berlins Wirtschaft verdankt ihnen mehr Innovationsfähigkeit und internationale Attraktivität von Jens Bartels Rund drei Millionen Menschen arbeiten im deutschen Einzelhandel, und alle sind auf ihre Weise verschieden. Sie bringen unterschiedliche Perspektiven, Erfahrungen und Bedürfnisse ein. Umso mehr sollten sich Handels- unternehmen in Zeiten des Fachkräftemangels mit dem Thema Vielfalt auseinandersetzen, um ein möglichst breites Spektrum potenzieller Bewerber anzusprechen. Eine aktuelle Unter- suchung des Vereins „EHI Retail Institute“ beleuchtet den Status quo sowie die zentralen Herausforderungen im deutschen Einzelhandel mit Schwerpunkt auf Diversität. Das Ergebnis: Für nahezu jeden zweiten Händler besitzt Diversity, Equity und Inclusion (DEI) eine hohe bis sehr hohe Bedeutung. In der überwiegenden Zahl der Fälle (74 Prozent) haben die Unternehmen bereits eine konkrete DEI-Strategie. „Für die meisten Händler sind Begriffe wie Diversität oder Inklusion keine Fremdwörter mehr“, sagt Studienautorin Ulrike Witt. „Denn nicht nur die Kundschaft ist vielfältig, auch die eigenen Mitarbeitenden erwarten eine gerechte Teilhabe. Allerdings bleiben auch Herausforderungen: Gut die Hälfte der befragten Personalverantwortlichen gibt an, dass nicht genügend Ressourcen für DEI-Maßnahmen zur Verfügung stehen. Dabei sollte die Richtung eigentlich klar sein: Vielfalt, Chancengleichheit und Teilhabe sind mehr als moralische Gebote. Sie sind messbare Wirtschaftsfaktoren. Zahlreiche Studien belegen immer wieder, dass eine vielfältige Belegschaft die Innovationskraft steigert. Unterschiedliche Perspektiven fördern kreative Lösungen, stärken die Motivation und erhöhen die Mitarbeiterbindung. Auch die meisten Berliner Unternehmen nutzen die Vorteile einer diversen Unternehmenswelt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Diversity-Umfrage der IHK Berlin aus dem Frühjahr 2025. Demnach hat die große Mehrheit der 850 befragten Berliner Unternehmen bereits Diversity-Strategien umge- » FOTOS: KKGAS/STOCKSY, GETTY IMAGES BEA VERA, GETTY IMAGS/FSTOP/HALFDARK Berliner Wirtschaft 09 | 2025 fokus
INHALT 21 Vielfalt verstehen und gestalten Zertifikatslehrgang Diversity Manager 22 Bühne für alle Menschen Der Friedrichstadt-Palast kämpft für Diversität 24 Inklusion im Kinosaal Barrierefreie Kultur mit Greta & Starks Apps 25 25 Jahre im Team vereint Gebäudereiniger Forever Clean setzt auf Inklusion 26 „Diversity hat Triggerpotenzial“ Janina Mütze, Civey GmbH, im Interview Diversity | 19 Berliner Wirtschaft 09 | 2025
setzt oder plant dies. Die Unternehmen verbinden damit vor allem zwei Ziele: die Fachkräftebindung (96 Prozent) und die Gewinnung qualifizierter Mitarbeiter (81 Prozent). Auch gesellschaftliche Verantwortung spielt eine Rolle: 78 Prozent wollen Vielfalt fördern und 67 Prozent den Frauenanteil in Führung erhöhen. In einer Stadt wie Berlin, in der täglich neue kulturelle Impulse entstehen, kann das ein entscheidender Wachstumstreiber sein. Berlin steht für Vielfalt und Offenheit So sieht es auch IHK-Vizepräsidentin Nicole Korset-Ristic. Sie ist sich sicher: „Berlin steht wie kaum eine andere Stadt für gelebte Vielfalt und Offenheit – und genau das macht unseren Wirtschaftsstandort so besonders.“ Als Hauptstadt ist Berlin nicht nur politisches Zentrum, sondern auch kultureller Schmelztiegel mit einer einzigartigen Geschichte, einer lebendigen Kunst- und Musikszene und Menschen aus mehr als 190 Nationen, die hier friedlich zusammenleben. „Diese gelebte Diversity ist weit mehr als ein gesellschaftlicher Wert – sie ist ein echter Standortvorteil“, fügt Korset-Ristic hinzu. „Denn gerade unsere Offenheit und Internationalität helfen uns, Fachkräfte aus aller Welt zu gewinnen und zu halten.“ Aber wie lässt sich in der Arbeitswelt mehr Vielfalt, Chancengleichheit und Teilhabe integrieren? Die IHK Berlin begleitet zum Beispiel Unternehmen dabei mit praxisnahen Angeboten, angefangen bei der Diversity-Toolbox mit Checklisten und Beispielen über Workshops zur diskriminierungsfreien Personalarbeit bis hin zu Netzwerkveranstaltungen, bei denen sich Unternehmen über Best Practices austauschen können. „Bewusstsein entsteht vor allem durch Aufmerksamkeit – und genau dafür sind auch sichtbare Zeichen und öffentlichkeitswirksame Initiativen unverzichtbar“, so Korset- Ristic. In diesem Zusammenhang ist etwa die Unterzeichnung der „Charta der Vielfalt“ durch die IHK Berlin wie auch durch zahlreiche Unternehmen mehr als ein symbolischer Akt: Sie ist ein klares Bekenntnis zu einer offenen Haltung und zugleich ein Signal an alle Berliner Betriebe, Vielfalt nicht nur zu tolerieren, sondern aktiv zu gestalten. Hinter der Charta der Vielfalt steht die Selbstverpflichtung, eine Unternehmenskultur zu schaffen, die Vielfalt aktiv anerkennt, wertschätzt und einbezieht. „Die Zahl der Organisationen, die die Charta der Vielfalt unterzeichnet haben, ist seit unserer Gründung stetig gewachsen“, sagt Cawa Younosi. Er ist Geschäftsführer des Vereins Charta der Vielfalt. Aktuell sind es deutschlandweit etwa 6.600 Unternehmen und Institutionen, darunter auch Dax-Unternehmen, Hochschulen, gemeinnützige Vereine oder Ministerien. In Berlin haben aktuell 862 Organisationen die Charta unterzeichnet. Damit ist Berlin beim Ranking der Bundesländer auf dem zweiten Platz, Spitzenreiter ist Nordrhein-Westfalen. Cawa Younosi betont: „Vielfalt ist nicht nur ein Wort. Wer Arbeitsplätze gestaltet, an denen sich alle sicher fühlen, hat einen klaren Wettbewerbsvorteil.“ Das im April vom Verein eingeholte Stimmungsbild zeigt, dass das Engagement der Unterzeichnenden trotz internationalem Druck nicht weniger wird. Trotzdem gibt es Verunsicherungen, gerade bei den international tätigen Unternehmen. „Auch Berliner Arbeitgebende sind weiterhin sehr aktiv beim Thema Vielfalt“, weiß Cawa Younosi. „Die Stimmung ist aufmerksam und engagiert, aber auch kritisch: Zwischen Purpose und Polarisierung entsteht gerade eine neue Realität“, erzählt der Charta-Geschäftsführer. „Diversity ist kein Projekt mehr: Es ist Teil einer Haltung, die von der ganzen Organisation getragen werden muss.“. Wer sich als Berliner Unternehmer selbst auf den Weg zu mehr Vielfalt machen möchte, kann neben den Angeboten der IHK Berlin oder Aktionen wie Nicole Korset-Ristic Vizepräsidentin IHK Berlin Gelebte Diversity ist mehr als ein gesellschaftlicher Wert – sie ist ein Standortvorteil. 862 Unternehmen aus Berlin gehören zu den Unterzeichnern der Charta für Vielfalt der gleichnamigen bundesweiten Initiative. FOTOS: KKGAS/STOCKSY, IHK BERLIN/AMIN AKHTAR, UHLALA GROUP FOKUS | Diversity | 20 Berliner Wirtschaft 09 | 2025
der Unterzeichnung der Charta der Vielfalt auch auf Organisationen wie die Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft Berlin (EAF) zurückgreifen. „Für mehr Diversity braucht es vor allem eine klare Haltung von ganz oben, Führungskräfte, die mit gutem Beispiel vorangehen, und oftmals tatsächlich einen langen Atem – Veränderungen, die mit einem Kulturwandel einhergehen, brauchen Zeit“, erklärt EAF-Expertin Simone Rajilić. Sie empfiehlt, Bedarfsanalysen partizipativ zu gestalten und realistische Ziele zu setzen. In einem senatsgeförderten sowie in Kooperation mit IHK und Handwerkskammer Berlin umgesetzten Modellprojekt hat die EAF in den vergangenen zwei Jahren zehn Unternehmen beraten, sich intensiv mit den Themen Gleichstellung und Vielfalt zu befassen. „Dabei konnten viele tolle Veränderungen angestoßen werden, die bis heute nachwirken“, freut sich Rajilić. „Wir stehen mit vielen Unternehmen nach wie vor in engem Kontakt und sind natürlich auch weiterhin für die Berliner Wirtschaft zu allen Fragen und Anliegen rund um das Thema Diversity ansprechbar.“ Karrieremesse als Bühne Von diesen praktischen Erfolgen führt der Weg direkt zu den großen Chancen der kommenden Jahre. Ein Schaufenster für gelebte Vielfalt ist die Karrieremesse „Sticks & Stones“. Hier wird die Hauptstadt zur Bühne für Unternehmen, die Vielfalt sichtbar in ihre DNA schreiben. Mehr als 120 Aussteller aus Branchen wie IT, Pharmazie, Medien und Tourismus präsentieren sich jährlich auf diesem Karriereevent. „Für viele queere Fachkräfte ist Berlin ein Sehnsuchtsort, weil sie hier auf Offenheit hoffen, aber Hoffnung allein reicht leider oft nicht aus“, sagt Stuart Cameron. „Sie wollen in Unternehmen arbeiten, in denen sie nicht bloß geduldet, sondern wertgeschätzt werden“, so der Organisator der Messe und CEO der Uhlala Group. „Und genau das macht Sticks & Stones sichtbar: welche Arbeitgeber Haltung zeigen, welche wirklich für Vielfalt stehen und wer einfach nicht auffindbar ist.“ Bis 2030 werden nach Überzeugung von Cameron Unternehmen nur dann erfolgreich sein, wenn sie ihre Vielfalt nicht nur zeigen, sondern leben und dabei alle mitnehmen. „Vielfalt ist kein Selbstzweck, sie ist ein Wachstumsmotor, eine Frage der Innovationsfähigkeit und vor allem eine Frage von Menschenwürde im Alltag“, ist der Berliner Unternehmer überzeugt. „Wer das versteht, wird nicht nur als Arbeitgeber, sondern als Unternehmen insgesamt gewinnen.“ ■ Areti Schäfermann, IHK-Produktmanagerin Weiterbildung Tel.: 030 / 315 10-822 areti.schaefermann@ berlin.ihk.de Vielfalt verstehen und gestalten Neuer Zertifikatslehrgang von IHK Berlin und Bildungsteam Berlin-Brandenburg bildet zum Diversity Manager weiter Die IHK Berlin setzt auf innovative Weiterbildung, um Unternehmen in der Hauptstadt zukunftsfähig aufzustellen. Ziel ist es, ein vielfältiges und hochwertiges Bildungsangebot sichtbar zu machen und gemeinsam mit Berliner Weiterbildungseinrichtungen sowie engagierten Mitgliedsunternehmen weiterzuentwickeln. Ein erstes Ergebnis dieser Initiative ist der neue Zertifikatslehrgang „Diversity Manager – Vielfalt verstehen und gestalten (IHK)“, der in Kooperation mit dem Bildungsteam Berlin-Brandenburg entstanden ist. Der praxisnahe Lehrgang richtet sich an Führungskräfte, Human-Resources-Verantwortliche und strategisch beratende Mitarbeitende – mit besonderem Fokus auf kleine und mittlere Unternehmen. Teilnehmende erhalten fundiertes Wissen und konkrete Werkzeuge, um Diversity-Strategien im eigenen Unternehmen zu entwickeln und umzusetzen. Der Lehrgang umfasst insgesamt 74 Unterrichtsstunden im Blended-Learning-Format und dauert rund drei Monate. Die sieben Module behandeln dabei unter anderem rechtliche Grundlagen, Diversity-Strategien in der Personalentwicklung oder die Gewinnung internationaler Fachkräfte. Vermittelt wird zudem, wie unbewusste Denkmuster erkannt und so psychologische Barrieren abgebaut werden können. Ein weiteres Lehrgangsmodul beschäftigt sich mit der Integration spezifischer Bedarfe benachteiligter sozialer Gruppen in die Unternehmenskultur. Die Teilnahmegebühr beträgt 2.550 Euro. Mit dem Fokus auf Diversity, Nachhaltigkeit, digitale Transformation und Fachkräftesicherung adressiert die IHK Berlin zentrale Zukunfts- themen. Weitere Ausschreibungen zur Entwicklung innovativer Weiterbildungsformate folgen regelmäßig – abgestimmt auf aktuelle Markt- bedarfe. har Zertifikatslehrgang Weitere Informationen und Anmeldung unter: ihk.de/berlin/ diversity-manager Bildungsteam Berlin-Brandenburg Mehr zum IHK- Kooperationspartner: bildungsteam.de Vielfalt ist kein Selbstzweck, sie ist ein Wachstums- motor, eine Frage der Innovations- fähigkeit. Stuart Cameron CEO Uhlala Group Diversity | 21 Berliner Wirtschaft 09 | 2025
Berndt Schmidt ist Intendant und Geschäftsführer des Friedrichstadt- Palasts Das globale Klima verändert sich – teils besorgniserregend rückwärtsgewandt. Deshalb ist unser Engagement heute wichtiger denn je. Berndt Schmidt Berliner Wirtschaft 09 | 2025 FOKUS | Diversity | 22
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