Die duale Ausbildung gilt international als Erfolgsmodell und ist eine tragende Säule der Fachkräftesicherung in Deutschland. Doch wirtschaftlicher, technologischer und gesellschaftlicher Wandel machen eine Weiterentwicklung dieses Systems unverzichtbar. „Die international anerkannte duale Berufsausbildung, die seit Jahrzehnten als Vorbild für praxisnahes Lernen gilt, muss gezielt modernisiert werden, um den Anforderungen einer sich wandelnden Arbeitswelt gerecht zu werden und auch für kommende Generationen attraktiv zu bleiben“, fasst Sebastian Stietzel, Präsident der IHK Berlin, zusammen. Bedarf nach Anpassungen ist groß Eine Onlinebefragung der IHK Berlin in Zusammenarbeit mit dem Institut für Betriebliche Bildungsforschung (IBBF) unter 410 Unternehmen, davon 91 Prozent mit langjähriger Ausbildungserfahrung, hat gezeigt, dass aktuelle Ausbildungsinhalte nicht immer den Anforderungen der Betriebe entsprechen. Weniger als die Hälfte der Befragten (44 Prozent) sieht eine weitgehende Übereinstimmung zwischen schulischer Theorie und betrieblichem Bedarf. 77 Prozent wünschen sich daher eine engere Zusammenarbeit zwischen beruflicher Schule und Betrieb. Auch die jährliche, bundesweit durchgeführte Aus- und Weiterbildungsumfrage belegt den Wunsch nach Anpassungen im Ausbildungssystem. Berliner Betriebe priorisieren dabei anwendungsorientiertes Lernen (80 Prozent), Verbesserungen in der personellen und technischen Ausstattung der Berufsschulen (74 Prozent) sowie eine bessere Zusammenarbeit zwischen Schule und Betrieb (72 Prozent). Mehr als die Hälfte der Befragten (57 Prozent) befürworten zudem eine spätere Spezialisierung der Auszubildenden. Ähnliche Reformen wünschen sich Auszubildende. 420 Berliner Auszubildende haben an der IHK-Umfrage zur Modernisierung der dualen Berufsausbildung teilgenommen. 88 Prozent der Befragten wünschen sich eine bessere inhaltliche Abstimmung zwischen Schule und Betrieb, 76 Prozent mehr Flexibilität und Wahlmöglichkeiten in der Ausbildung. Besonders wichtig ist den Auszubildenden neben Anerkennung und Wertschätzung ihres Abschlusses eine stärkere Gleichstellung zwischen beruflicher und akademischer Bildung. Die IHK Berlin hat diese Reformbedarfe aufgegriffen und konkrete Modernisierungsvorschläge für eine Stärkung der beruflichen Bildung entwickelt, die durch die Vollversammlung verabschiedet wurden: ➜ Lernortkooperationen stärken Um betriebliche Praxis besser mit schulischen Inhalten zu verknüpfen, sollte die Lernortkooperation gesetzlich festgeschrieben und durch regelmäßige Austauschformate institutionalisiert werden. Betriebliche Expertise sollte stärker in den Unterricht integriert werden, zum Beispiel durch innovative Formate wie Projektwochen, an denen betriebliche Ausbildende aktiv mitwirken. Für eine intensivere Lernortkooperation sollten auch Potenziale der Digitalisierung genutzt werden. So könnte eine bundesweit nutzbare digitale Plattform den Austausch von Lehrmaterialien und die Verfolgung von Lernerfolgen erleichtern. ➜ Ausbildungsstrukturen flexibilisieren und modernisieren Modulare Ausbildungsmodelle mit Zwischenabschlüssen auf DQR-Niveau 2 bis 4 könnten das duale Ausbildungssystem attraktiver gestalten, durch flexible Einstiegs- und Wechselmöglichkeiten individuellere Karrierewege ermöglichen und Abbrüchen entgegenwirken. Dabei wird im ersten Ausbildungsjahr für geeignete Ausbildungsberufe eine gemeinsame Basisqualifizierung angeboten, gefolgt von berufsübergreifenden Aufbaumodulen (Jahr 2) und berufsspezifischen Spezialisierungen (Jahr 3). Bei der Umsetzung solcher Modelle sollten betriebliche Bedarfe im Fokus stehen, um Planungssicherheit zu gewährleisten. Zur Zukunftssicherung des Systems sollten Ausbildungsordnungen alle fünf Jahre automatisch aktualisiert und auch Prüfungsformate entsprechend digitalisiert und modular angepasst werden. ➜ Stärkung von Gleichwertigkeit und Durchlässigkeit Um die Gleichwertigkeit beruflicher und akademischer Abschlüsse zu stärken und Bildungswege durchlässiger zu gestalten, sollte ein bundesweit einheitliches Anrechnungssystem etabliert werden. Ein zentrales Element ist die Einführung eines Leistungspunktesystems für die berufliche Bildung, das sich am Hochschulmodell (ECTS) orientiert. Für mehr Transparenz über mögliche Bildungs- und Karrierewege könnte zusätzlich ein digitales, KI-gestütztes Bildungskonto sorgen, das individuelle Kompetenzen dokumentiert und Weiterbildungsoptionen vorschlägt. ■ IHK-Position zum Thema Die Forderungen der IHK Berlin auf einen Blick: Katja Wiesner, IHK-Public-Affairs-Managerin Ausbildungspolitik Tel.: 030 / 315 10-452 katja.wiesner@berlin. ihk.de 88 % der Auszubildenden wünschen sich eine bessere inhaltliche Abstimmung zwischen Schule und Betrieb. Sebastian Stietzel Präsident IHK Berlin Die international anerkannte duale Berufsausbildung muss auch für kommende Generationen attraktiv bleiben. FOTOS: GETTY IMAGES/MASKOT, AMIN AKHTAR/IHK BERLIN Modernisierung | 47 Berliner Wirtschaft 09 | 2025
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