Berliner Wirtschaft September 2025

gerpotenzial für einzelne Personengruppen. In der Anhängerschaft der AfD ist Diversity definitiv ein Politikum. Aber auch bis in die Mitte der Gesellschaft hinein wird gesagt: Da wurde auch ein bisschen übertrieben. Deshalb ist es jetzt ganz wichtig, genau zu reflektieren, was eigentlich mit Diversitätsprogrammen erreicht werden sollte und inwiefern das Thema für Firmen ein strategisches Ziel ist. Warum halten Sie diese Reflexion für so wichtig? Weil sie hilft, die Kommunikation zu verbessern. Mit Diversitätsprogrammen können sehr gezielt Schwachstellen im Unternehmen abgebaut werden – beispielsweise die Überalterung der Belegschaft. Mithilfe solcher Programme können Unternehmen auch der Herausforderung begegnen, neue Talente für sich zu gewinnen und ins Unternehmen zu integrieren. Dahinter stehen wichtige und klare ökonomische Ziele, die auch kommunikativ stärker in den Vordergrund gestellt werden sollten. Können Unternehmen sich nicht einfach aus Haltung und Verantwortung für Vielfalt einsetzen? Mit dem Motiv der Verantwortung engagieren sich Unternehmen auch für andere Themen wie Demokratie und Nachhaltigkeit. Aber unsere Studien zeigen immer wieder, dass es Unternehmen in Zeiten der Wirtschaftskrise besonders um Kosteneffizienz und Prozessoptimierung geht, also um ökonomische Ziele. Ich glaube, beides muss im Einklang sein. Ist das Thema Diversity unwichtiger geworden? Nein, aber andere Themen haben an Bedeutung gewonnen. Es sind meist nur die Top-drei-Themen, die in der Öffentlichkeit breite Aufmerksamkeit erfahren, und für das Topmanagement sind es derzeit eher Energiekosten, Bürokratie und Wettbewerbsfähigkeit, die sie umtreiben – also Aspekte, bei denen es um das Überleben der Unternehmen geht. Welche ökonomischen Ziele werden mit Vielfalt, Gleichheit und Inklusion verbunden? In erster Linie die Fachkräftesicherung. Außerdem gibt es Studien, die belegen, dass gemischte Teams erfolgreicher sind – das sehen wir auch im Startup-Umfeld. Andere Untersuchungen haben gezeigt, dass die Belegschaft deutlich zufriedener ist, wenn die Unternehmensspitze divers aufgestellt ist. Mit diesen Argumenten kann Diversity auf sehr viel und sehr breite Akzeptanz stoßen, denn es gibt weiterhin einen Konsens in der Mitte der Gesellschaft, der heißt: Wir wollen unsere Unternehmen zukunftsfest aufstellen. Ungerechtigkeiten, auf der anderen Seite, schwächen die Akzeptanz. Woran denken Sie dabei? Zum Beispiel an die Besetzung von Führungspositionen. Die Menschen wollen Chancengerechtigkeit und finden die Gleichstellung von Mann und Frau erst mal richtig. Auf politische Einflussnahme wird allerdings oft allergisch reagiert, sie kann schnell als übergriffig wahrgenommen werden. Es ist – wo möglich – immer besser, wenn möglichst viel Entscheidungsfreiheit in den Unternehmen verbleibt. Heute liefern Sie Firmen mit Ihrer Meinungsforschung Argumente zum Beispiel für Diversitätsprogramme. War das von Anfang an Ihr Ziel? Nein, das hat sich entwickelt. Als wir Civey gegründet haben, 2015, wollten wir die Meinungsäußerungen im Internet quantifizieren. Es gibt online so viele Meinungen, aber es ist unmöglich, daraus ein valides Abbild des Meinungsspektrums der gesamten Bevölkerung zu erkennen. Es ist eher so, dass die laute Minderheit alles dominiert, die leise Mehrheit wird nicht wahrgenommen. Das heißt: Die Populisten gewinnen oft den Meinungsstreit in sozialen Medien. Können Sie erklären, welche Innovationen Civey als digitale Marktforschung hervorgebracht hat? Unser Anspruch war es, das Teilnehmerproblem der Branche zu lösen: Wie erreicht man in Zukunft noch Janina Mütze mit ihrem Mitgründer Gerrit Richter FOTO: AMIN AKHTAR FOKUS | Diversity | 28 Berliner Wirtschaft 09 | 2025

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