auch die Ökobilanzierung als entwurfsbegleitendes Tool in frühen Planungsphasen. Welche Stellschrauben sehen Sie bei Bestandsobjekten? Auch bei Bestandsobjekten spielt die effiziente Nutzung von Materialien eine Schlüsselrolle: Es lohnt sich, vorhandene Bauteile und Strukturen wiederzuverwenden oder bei Renovierungen auf recycelbare und nachhaltige Alternativen zurückzugreifen. Die Umnutzung von Leerflächen kann den Bedarf an Neubauten vermindern und Ressourcen schonen. Darüber hinaus bieten Transformationen, wie Aufstockungen oder multi- funktionale Nutzungen, Potenzial, Bestandsobjekte modern und zukunftsfähig zu gestalten. Welches Potenzial sehen Sie in Hinblick auf die Wiederverwendung von Materialien? Die Wiederverwendung von Baumaterialien und -teilen bietet immenses Potenzial für Nachhaltigkeit. Dadurch werden natürliche Ressourcen und CO2-Emissionen, die bei der Neuproduktion entstehen, gespart. Viele wiederverwendete Materialien, wie Stahlbeton oder Stahl, überzeugen durch Langlebigkeit und Qualität. Zudem fördert diese Herangehensweise den Erhalt kulturellen Erbes und beflügelt innovative Technologien. Weniger Abfall bedeutet zudem geringere Umweltbelastung. Insgesamt kann die Wiederverwendung im Bauwesen einen entscheidenden Schritt in Richtung einer nachhaltigen Zukunft markieren. ■ BW: Die Immobilienbranche ist in den Fokus der Nachhaltigkeitsdebatte gelangt – überrascht Sie das? Patrick Teuffel: Die Immobilienbranche spielt bei Ressourcen- und Energieverbrauch sowie CO2-Emissionen eine zentrale Rolle. Gebäude verantworten einen erheblichen Anteil weltweiter Treibhausgasemissionen. Es ist nur logisch, dass sie in der Nachhaltigkeitsdebatte von Bedeutung sind. Energieverbrauch, Materialressourcen, Abfall, Landnutzung und Wasserverbrauch sind nur einige der Gründe. Angesichts globaler Bemühungen um Klimaschutz wird die Branche zunehmend in Richtung Nachhaltigkeit gedrängt. Als Planer beschäftigen Sie sich vor allem mit Neubau. Welche Spielräume für Ressourceneffizienz bestehen dort? Als Tragwerksplaner steht Ressourceneffizienz im Mittelpunkt: Durch die Wahl nachhaltiger, vorzugsweise lokal produzierter Materialien wird der CO2-Fußabdruck verringert. Eine durchdachte Bauweise minimiert Abfälle und setzt auf Recycling. Gebäude sollten flexibel gestaltet sein, um Anpassungen und eine längere Nutzungsdauer zu ermöglichen. Zertifizierungen dienen als Leitfaden für nachhaltiges Bauen, und wir verwenden beispielsweise „Durchdachte Bauweise setzt auf Wiederverwertung“ Patrick Teuffel Gründer und Inhaber Teuffel Engineering Consultants E s ist einer der letzten großen Lückenschlüsse im Zentrum Berlins: das Forum an der Museumsinsel. Die Herausforderung, ein Quartier mitten im denkmalgeschützten Gebiet zu entwickeln, in direkter Nähe zum UNESCO-Welterbe Museumsinsel, ist groß genug. Zusätzlich komplizierter und aufwendiger war das Vorhaben dadurch, dass das Areal aus einer Ansammlung von Bestandsgebäuden aus unterschiedlichen historischen Epochen besteht. Jedes von ihnen musste einzeln saniert, entwickelt und einer neuen Nutzung zugeführt werden. Michael Schürer, der für den Eigentümer das Projekt betreut, berichtet vom langen Weg zum fertigen Areal. Die ersten Planungen stammen vom Anfang der 2010er-Jahre, als der Gewerbemarkt in Berlin noch ein ganz anderer war – Büroflächen in zentraler Lage wurden für zehn Euro pro Quadratmeter vermietet, heute sind es 40 Euro. Dafür wurden, entgegen ursprünglicher Planungen, keine Flächen für den Einzelhandel eingerichtet. Im laufenden Baugeschehen wurden Umplanungen getätigt, etwa als eine bereits genehmigte Tiefgarage unter dem „Forum“, einem öffentlichen Stadtplatz an der Ziegelstraße, wieder einkassiert wurde. Originalmaterialien erhalten Das Torhaus zur Oranienburger Straße ist das einzige neu gebaute Objekt, allerdings nach historischen Vorbildern geschaffen. Die strikte Anlehnung an die historische Substanz ist nicht bloß Verkaufsargument. Man kann diesen Fokus aufs Bewahren und Entwickeln als Ausdruck von Nachhaltigkeit sehen, die in der Immobilienbranche noch nicht selbstverständlich ist (siehe Interview rechts). Allein 2.000 Fenster wurden restauriert und wieder eingebaut. Um Fassaden- elemente mit Originalmaterial wiederherstellen zu können, wurden geschlossene Steinbrüche wieder in Betrieb genommen. Wo es geht, wurden Materialien erhalten und in die modern gestalteten Innenräume integriert. Das und der Fokus auf Bestandshaltung zeigen, dass auch private Akteure in Sachen nachhaltiger Entwicklung der öffentlichen Hand nicht nachstehen. In der öffentlichen Diskussion über Stadtentwicklung in Berlin wird das manchmal vergessen. ■ Christof Deitmar, IHK-Public-Affairs-Manager Stadtentwicklungspolitik Tel.: 030 / 315 10-411, christof.deitmar@berlin.ihk.de Patrick Teuffel ist seit 2012 Professor für Innovative Structural Design an der TU Eindhoven (Niederlande) und bearbeitet dort u. a. das EU-Projekt ReCreate. FOTOS: CÉLINE GILS, TEUFFEL ENGINEERING CONSULTANTS Standort | 29
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