Berliner Wirtschaft September 2023

Fachkräfte Gemeinsam für Weiterbildung IHK und Partner bündeln Angebote – persönlich, telefonisch, online Seite 48 Energiewende IHK-Barometer zwischen Zuversicht und Sorge um Wettbewerbsfähigkeit Seite 14 Recruiting Berliner Unternehmen suchen Fachkräfte in afrikanischen Ländern Seite 46 Aus Altem wird das neue Neu Berlins Kreislaufwirtschaft ist breit aufgestellt. Ressourcen schonen ist das oberste Ziel, weiß Thomas Wagner vom Gebrauchtwarenkaufhaus NochMall Seite 16, Interview Seite 24 Das Magazin der Industrie- und Handelskammer zu Berlin 09/2023 ihk.de/berlin

© mattrose.de BEI UNS GAB ES SCHON EIN Fahrwerk ALS ANDERE NOCH EIN FUHRWERK HATTEN. Die Sachsen hatten schon immer einen Sinn für Fortbewegung und Fortschritt. Bereits 1904 gründete August Horch in Zwickau seine erste Fabrik für „Motorwagen“. Ab 1910 baute er in einem zweiten Werk Fahrzeuge und gab ihnen den klangvollen Namen „Audi“. Heute ist dort das August Horch Museum Zwickau – ein eindrucksvolles Zeugnis für Sachsens goldenes Industriezeitalter. Und nur eine von vielen Sehenswürdigkeiten auf der Route der Industriekultur in Sachsen. Mehr Informationen unter www.sachsen-industriekultur.de oder bei der Tourismus Marketing Gesellschaft Sachsen, Bautzner Straße 45 47, 01099 Dresden, Tel. +49 351 491700 JETZT KOSTENFREI KARTE BESTELLEN UNTER INFO@ SACHSEN-TOUR.DE

Die Sommerferien sind vorbei und damit auch die Zeit, in der Wildschweine zu Löwen werden und in den Zeitungen ausführliche Politiker-Interviews die weitgehende Abwesenheit politischer Entscheidungen kompensieren. In einem dieser Interviews bin ich über einen irritierenden Satz gestolpert: Berlin habe keine nennenswerte Wirtschaft außer der Kultur, sagte dort ein hochrangiger Berliner Politiker. Bei allem Respekt für die unstrittige Bedeutung der Kulturwirtschaft für Berlin: Das stimmt nicht. Wir mögen kaum rauchende Schlote haben, dafür arbeiten Berlins Unternehmen an der Industrie 4.0. Ein Beispiel von vielen: die Kreislaufwirtschaft. Klimawandel, globale Krisen und knapper werdende Rohstoffe erfordern intelligente Lösungen für einen zukunftstauglichen Umgang mit den kostbaren Ressourcen. Rund 400 Berliner Unternehmen mit mehr als 8.500 Beschäftigten vom Konzern bis zum Start-up kümmern sich darum (S. 16). Und das ist durchaus nennenswert. Ihr Ausbildungsoffensive Um Schülerinnen und Schüler frühzeitig Berufsluft schnuppern zu lassen, hat die IHK Berlin die Praktikumswoche organisiert. Dass die Initiative ein Erfolg ist, konnte man beim Ortstermin mit Senatorin bei Porta sehen. Seite 10 Die „Berliner Wirtschaft“ gibt es auch online: ihk.de/berlin/berliner-­ wirtschaft.de Berlins Wirtschaft hat mehr zu bieten als Kultur ZEICHNUNG: ANDRÉ GOTTSCHALK; TITEL: AMIN AKHTAR Berliner Wirtschaft 09 | 2023 Sebastian Stietzel ist Präsident der IHK Berlin und Geschäftsführer der Marktflagge GmbH, Management & Investments Editorial | 03

Kreativwirtschaft Andrea Peters leitet die Theaterkunst GmbH. Der Fundus an Stoffen ist riesig – zum Tragen und zum Erzählen 32 16 Kreislaufwirtschaft Berliner Unternehmen setzen zum Schutz von Ressourcen auf Abfallvermeidung und Wiederverwertung BRANCHEN 28 Standort Gestaltung des Forums an der Museumsinsel vereint altes und neues Berlin 30 Tourismus Kiezspaziergang der IHK in Mitte bringt Unternehmen und Politik zusammen 31 Gesundheitswirtschaft Berlin und Hamburg treffen sich zum Branchendialog 32 Kreativwirtschaft Theaterkunst GmbH bietet sechs Kilometer Kostüme 36 Start-up Moritz Kern, Co-Founder PsySolutions, im Fragebogen 37 Versicherungswirtschaft Private Absicherung im Alter stand im Themen-Fokus 38 Historie Berliner Stadtgüter sorgten mit Rieselfeldern für Hygiene 40 Gründerstory Mit seinen Tiny Spaces hat Hans-Gert Stuke mobile Rückzugsorte geschaffen AGENDA 10 Ausbildungsoffensive Ortstermin mit Senatorin zur Praktikumswoche bei Porta 12 Unternehmenspreis Herausragendes soziales Engagement im Ludwig Erhard Haus gewürdigt 13 Kolumne Roman Kaupert plädiert für Offenheit und Neugier 14 Energiewende IHK-Barometer: Hohe Preise beeinträchtigen Innovationen und Wettbewerbsfähigkeit FOKUS 16 Kreislaufwirtschaft Geschäftsmodelle bauen auf Abfallvermeidung und Wiederverwertung, das nützt Umwelt und Unternehmen 20 Good Practice Concular, Vanguard und Bartscherer zeigen, wie man Ressourcen schont 24 Interview Thomas Wagner sieht das NochMall-Kaufhaus für Gebrauchtes als Erlebnisort Thomas Wagner Co-Geschäftsführer der NochMall GmbH Möbel sind sehr begehrt, Spielwaren auch, ebenso Musikinstrumente oder Sportgeräte. Inhalt | 04 Berliner Wirtschaft 09 | 2023

FACHKRÄFTE 46 Integration Afrika hat großes Potenzial an motivierten Fachkräften 48 Weiterbildung Gemeinschaftsprojekt bietet zentrale Plattform zum lebenslangen Lernen 49 Wettbewerb Domino’s Pizza fördert die Kreativität seiner Azubis 50 Schlichter IHK-Schlichtungsausschuss Ausbildung sucht Mitglieder 51 Ehrenamt Für Tina Brack, Direktorin des Westin Grand, ist die Prüfertätigkeit bereichernd 52 Good Practice Axel Springer SE setzt zum Karrierestart auf die duale Ausbildung SERVICE 54 Digitalisierung Quantencomputer bieten riesige Speicherkapazitäten 57 Außenwirtschaft Neue China-Website der IHK bündelt Infos und Services 58 Beratung Kein „Hitzefrei“ für mobil arbeitende Angestellte 59 Nachhaltigkeit EMAS-Zertifizierung für System 180 GmbH 62 Gesellschaftsrecht Gesetzesmodernisierung verbessert Status der GbR Ausbildungsoffensive Die Praktikumswoche Berlin war ein voller Erfolg. Auch das Möbelhaus Porta beteiligte sich 10 ILLUSTRATION: GETTY IMAGES/YOUNGGID; FOTOS: CHRISTIAN KRUPPA, INES MEIER/IHK BERLIN 03 Editorial | 06 Entdeckt | 53 Seminare | 65 Gestern & Heute 66 Impressum | 66 Was wurde aus … Schreiben Sie uns Worüber möchten Sie in der „Berliner Wirtschaft“ informiert werden? Senden Sie Ihre Anregungen per Mail an: bw-redaktion@berlin.ihk.de das uns! Überlassen Sie Professionelle Entsorgungslösungen für: Gewerbeabfälle Bedarfsgerechte Konzepte zur Erfassung Ihrer gemischten Gewerbeabfälle – entsprechend der Gewerbeabfallverordnung Altpapier Beste Preise für Industrie, Handel, Gewerbe, Wohnungswirtschaft und Privathaushalte Gewerbefolien Kostengünstige und umweltgerechte Wertstoffentsorgung Andere Abfälle Zuverlässige Erfassung aller anderen Abfälle zur Verwertung (Glas, Holz, Schrott, E-Schrott) Bartscherer & Co. Recycling GmbH Montanstraße 17-21 13407 Berlin Tel: (030) 408893-0 Fax: (030) 408893-33 www.bartscherer-recycling.de Bestellungen direkt im Onlineshop. Günstige Pauschalpreise für Umleerbehälter von 240 l bis 5,5 cbm.

Radlader Lieferanten, Dienstleister und Handwerksbetriebe haben es oft schwer im engen Stadtraum. Cargobike-Anbieter Onomotion will gewerblichen Kunden mit der Ono eine Alternative zu Pkw oder Kleintransporter bieten – nicht nur in der Letzte-Meile-­ Logistik. 200 Kilo passen ins Containermodul, bei gut zwei Kubikmetern Ladevolumen. Elektrisch unterstützt, kommt das Pedelec auf 25 Stun- denkilometer. Das 2016 ursprünglich als Tretbox GmbH gegründete Unternehmen mit zurzeit rund 50 Beschäftigten fertigt in Berlin. In der hiesigen Werkstatt wartet Techniker Michael Philipp (Foto) gerade ein Kundenfahrzeug. Ein Service, den es für die oft gemieteten Cargobikes auch an anderen Standorten in ganz Deutschland gibt. Onomotion GmbH Seit 2022 ist der Unternehmenssitz an der Schering- straße in Gesundbrunnen.

Konkret dabei Nachhaltigkeit ist der Dreiklang aus ökonomischen, ökologischen und sozialen Aspekten. Die IHK hilft Unternehmen, dies umzusetzen. IHK-Initiative Alle Informationen zur Nachhaltigkeitsinitiative der IHK Berlin unter: ihk.de/berlin/ nachhaltige-wirtschaft Berliner Wirtschaft 09 | 2023 FOTO: ULRICH SCHUSTER Entdeckt | 07

„Um zukunftsfähige Arbeitsplätze und stabile Steuereinnahmen zu sichern, darf Berlin auch in angespannten Haushaltszeiten keinesfalls an standortrelevanten Themen sparen. Vonnöten sind kluge Prioritäten: Dazu gehören eine angemessene Infrastruktur, die adäquate Ausstattung der Verwaltung sowie Bildung, Forschung und Transfer als Zukunftsmotoren Berlins. Dazu muss Berlin beim Klimaschutz eine verfassungskonforme Antwort finden. Der Entwurf des Doppelhaushalts macht den engen finanziellen Spielraum Berlins deutlich Kluge Prioritäten sind vonnöten gesagt 43,4 % mehr Pkws wurden in Berlin im ersten Halbjahr des Jahres 2023 gegenüber dem Vorjahreszeitraum neu zugelassen. Das entspricht einem Plus von 12.451 Fahrzeugen. Bei Pkws mit alternativen Antrieben betrug der Anstieg 46,9 Prozent. kopf oder zahl Christina Aue Fabian Schmitz- Grethlein ist in die Geschäftsführung der Stern und Kreisschifffahrt GmbH sowie der Stern und Kreis Gastronomie und Service GmbH eingetreten. Beide Firmen leitet sie zusammen mit Andreas Behrens. Zuvor hat sie als Geschäftsführerin 16 Jahre lang für den Berliner Fernsehturm die Publikumsbereiche inklusive der eigenen Gastronomie verantwortet. ist vom Aufsichtsrat der landeseigenen Entwicklungs- und Betreibergesellschaft Tempelhof Projekt für anderthalb Jahre zum neuen Geschäftsführer bestellt worden. Der Jurist und Nachfolger der langjährigen Tempelhof-Projekt-Chefin Jutta Heim-Wenzler war zuletzt Baustadtrat des Bezirks Charlottenburg- Wilmersdorf. Sebastian Stietzel, Präsident HK Berlin FOTOS: CLAUDIUS PFLUG, PRIVAT, CHRISTIAN KIELMANN, GETTY IMAGES/FSTOP/HERMANN MÜLLER Berliner Wirtschaft 09 | 2023 Kompakt | 08

Weniger Baugenehmigungen Insgesamt entstehen in Berlin weniger Wohnungen. Deutlich mehr Neubauten hingegen gibt es in Neukölln berliner wirtschaft in zahlen In Wiesbaden sind Linienbusse mit Frontkameras ausgestattet worden. Die ermöglichen Beweisfotos verkehrswidrig im Weg stehender Autos. In Berlin lässt die BVG jährlich Tausende Falschparker von Busspuren abschleppen. Die Kameras könnten helfen, doch es gibt Bedenken wegen des Datenschutzes und des Aufwands. Wiesbaden hat zunächst einen Teil seiner Flotte bestückt – mit raschem Erfolg. Macht’s auch hier bald Klick? bw Was finden Sie typisch? Schreiben Sie uns: bw-redaktion@berlin.ihk.de Beweislast typisch berlin 1,7 % weniger Wohnungen wurden in Berlin im ersten Halbjahr im Vergleich zum Vorjahreszeitraum genehmigt. Patrick Schulze, IHK-Experte für Statistik Tel.: 030 / 315 10-226 patrick.schulze@berlin.ihk.de Reinickendorf Charlottenb.-Wilmersdorf Spandau Tempelhof-Schöneberg Lichtenberg Mitte Marzahn-Hellersdorf Pankow Friedrichshain-Kreuzberg Treptow-Köpenick Steglitz-Zehlendorf Neukölln -81,2 -69,5 -62,6 -53,7 -34,3 -13,7 +11,4 +21,8 +22,5 +40,7 +181,8 +527,5 Grafiken: BW Quelle: Statistik Berlin-Brandenburg O WIE OFFICE, L WIE LAB UND C WIE CAMPUS – NACHHALTIGE NEUBAU-BÜROFLÄCHEN IN DEUTSCHLANDS GRÖSSTEM TECHNOLOGIEPARK BTB-FERNWÄRME MIT 57% ANTEIL ERNEUERBARE ENERGIEN! Eine Projektentwicklung der AUSBAU NACH MIETERWUNSCH AB 250 M² BIS 10.000 M² MIETFLÄCHE DIREKT AM S-BAHNHOF WWW.OFFICELAB-CAMPUS.BERLIN INFO@OFFICELAB-CAMPUS.BERLIN • VERMIETUNG +49 30 8891 3361

Chingiz Akbarli Schüler Wann bekommt man schon mal die Gelegenheit, jeden Tag einen neuen Bereich zu sehen, ein neues Unternehmen. (1) Schirmherrin der Praktikumswoche: Senatorin Katharina Günther-Wünsch zu Gast bei Porta (2) Engagement für Bildung: Stefan Spieker, Geschäftsführer Fröbel International und IHK-Vizepräsident (3) Einblicke ins Berufsleben: Lam Nguyen (l.) und Chingiz Akbarli finden die Praktikumswoche super 1 2 3 agenda

I n der heutigen schnelllebigen Arbeitswelt ist es mehr denn je von Bedeutung, frühzeitig in den Blick junger Talente zu rücken. Die Frage, wann der optimale Zeitpunkt ist, sich als möglicher Arbeitgeber bei der aufstrebenden Generation vorzustellen, erhält im Kontext der Praktikumswoche Berlin eine neue Facette. Die Praktikumswoche bietet nicht nur jungen Menschen ab 15 Jahren die Möglichkeit, erste Schritte in die Berufswelt zu wagen, sondern eröffnet Unternehmen auch die Chance, sich als interessanter Arbeitgeber zu positionieren und langfristige Verbindungen zu zukünftigen Fachkräften zu knüpfen. Die von der IHK-Ausbildungsoffensive initiierte und in enger Kooperation mit Partnern aus Politik und Wirtschaft umgesetzte Praktikumswoche Berlin setzt genau hier an. Sie richtet sich an junge Menschen, die vor und während der Sommerferien die Gelegenheit nutzen wollten, durch Tagespraktika aus erster Hand Einblicke in verschiedene Berufsfelder zu erhalten. Strategische Antwort auf Fachkräftemangel Ein Unternehmen, das bei der Praktikumswoche mitgewirkt hat, ist das Möbelhaus Porta. Gemeinsam mit Katharina Günther-Wünsch, Senatorin für Bildung, Jugend und Familie sowie Schirmherrin der Praktikumswoche Berlin, besuchte IHK-Vizepräsident Stefan Spieker Anfang August die Porta-Niederlassung in Berlin-Mahlsdorf. Das Möbelhaus ermöglichte im Rahmen der Praktikumswoche Einblicke in den Bereichen Verwaltung und Verkauf verschiedener Abteilungen und bot so ein facettenreiches Programm mit eigenständigen kleinen Aufgaben an. Die vier Tagespraktikanten Maxim, Lam, Chingiz und Dana, die das Angebot der Praktikumswoche bereits mehrfach in Anspruch genommen hatten, nutzten die Gelegenheit, die Arbeitswelt in einem Möbelhaus hautnah zu erleben. Porta-Geschäftsführerin Bettina Ahranjani bezeichnete die Teilnahme an der Praktikumswoche für Unternehmen als eine „Investition in die Zukunft“. Bildungssenatorin Günther-Wünsch betonte die Bedeutung solcher Ansätze: „Wir werden den Fachkräftemangel nicht alleine reißen. Da brauchen wir Unterstützung von außen, und dafür müssen wir Angebote schaffen.“ Diese Worte verdeutlichen das Kernziel der Praktikumswoche, das über den individuellen Berufseinblick hinausgeht. Unternehmen haben die Möglichkeit, frühzeitig die Begeisterung der Jugendlichen für verschiedene Berufe zu wecken und dies langfristig als strategische Antwort auf den wachsenden Fachkräftemangel zu nutzen. Dabei profitieren nicht nur die Unternehmen von potenziellen zukünftigen Mitarbeitenden, sondern auch die jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die erste wertvolle Erfahrungen sammeln und ihre beruflichen Vorstellungen präzisieren können. Begeisterung bei den Praktikanten Auch bei den Praktikanten kam der Schnuppertag gut an. Chingiz Akbarli, 15 Jahre alt und einer der Praktikanten, äußerte begeistert: „Man kann es jedem nur ans Herz legen. Ich meine, wann bekommt man schon mal die Gelegenheit, so was zu machen und jeden Tag einen neuen Bereich zu sehen, ein neues Unternehmen. Jedem Schüler müsste man das auf jeden Fall weitererzählen.“ Lam Nguyen, 16 Jahre alt, schloss sich dem an: „Also so eine Praktikumswoche, die würde ich auch noch mal machen!“ Die Bilanz der Praktikumswoche Berlin fällt äußerst positiv aus. Viele der Jugendlichen machten von dem Angebot regelmäßig Gebrauch, einige absolvierten sogar bis zu neun Tagespraktika, um ihre künftige Berufswahl genauer zu erkunden. Diese intensive Auseinandersetzung mit verschiedenen Berufsfeldern stärkt nicht nur die individuelle Orientierung, sondern bereitet auch den Boden für künftige Entscheidungen im Hinblick auf Ausbildung und Karriere. Spieker betont: „Und das Tollste wäre, wenn die Praktikanten am Ende sagen: Ich bleibe!“ Gemein- sam mit den Partnern prüft die IHK nun, ob und wie aus dem Pilotprojekt ein dauerhaftes Angebot werden kann. ■ Mehr als 1.500 Ferientage investierten junge Menschen aus Berlin, um bei der Praktikumswoche Einblicke in verschiedene Berufsfelder zu erhalten von Maren Dingeldein Berufe testen statt chillen Katharina Günther-Wünsch Bildungssenatorin Wir werden den Fachkräftemangel nicht alleine reißen. Da brauchen wir Unterstützung von außen. Larissa Knuth, IHK-Ausbildungsoffensive, Beratung & Matching Tel.: 030 / 315 10-335 larissa.knuth@berlin. ihk.de IHK-Service Weitere Informationen zur Praktikumswoche unter: ihk.de/berlin/praktikumswoche FOTOS: INES MEIER/IHK BERLIN Ausbildungsoffensive | 11 Berliner Wirtschaft 09 | 2023

Berliner Unternehmenspreis: Die IHK Berlin und der Regierende Bürgermeister zeichnen Terra Naturkost, Brammibal’s Donuts und dotBerlin aus von Saskia Lössl Ausgezeichnetes Engagement S oziale Verantwortung ist für viele Unternehmen essenzieller Bestandteil ihrer Identität – und der Berliner Unternehmenspreis zeichnet diejenigen aus, die dabei in besonderer Weise herausragen. Am 31. August wurde der diesjährige Preis, der eine gemeinsame Initiative des Regierenden Bürgermeisters und der IHK Berlin ist, im Ludwig Erhard Haus vergeben. Preisträger erhielten 3.000 Euro, die anderen Finalisten jeweils 1.000 Euro. Gegliedert nach Unternehmensgröße, umfasst der Preis drei Kategorien: bis zu neun Mitarbeitende, zehn bis 150 Mitarbeitende und über 150 Mitarbeitende. Die dotBerlin GmbH & Co. KG überzeugte in der kleinen Kategorie mit dem „Kiezhelden“-Projekt. Seit 2018 unterstützt das Unternehmen lokale Berliner Viertel, die unter der Pandemie, Inflation und Online-Shopping leiden. Die Website kiezhelden.berlin zeigt 2.000 Einzelhandelsgeschäfte auf einer Karte. dotBerlin bietet kostenlose Website-Workshops an und vergibt .berlin-Domains für wohltätige Projekte. Zudem fördert es die Berliner Medienwerkstatt KIFRIE. Unter den Unternehmen mit zehn bis 150 Mitarbeitenden belegte die Brammibal’s Donuts GmbH den ersten Platz. Seit 2018 beeindruckt das Unternehmen mit dem „Charity Donut“: Von jedem verkauften Donut geht ein Euro an gemeinnützige Organisationen, nicht verkaufte Donuts werden gespendet. Die Terra Naturkost Handels KG schließlich setzt sich mit der „Bio-Brotbox“ für gesunde Schulmahlzeiten ein und gewann damit bei den Unternehmen mit mehr als 150 Mitarbeitenden. 400 Freiwillige packen jährlich Bio-Brotboxen für Erstklässler. Insgesamt wurden bereits über eine Million Boxen verteilt. Aber auch die anderen Finalisten überzeugen mit ihrem sozialen Selbstverständnis. In der Kategorie mit über 150 Mitarbeitenden waren die idealo internet GmbH, die gemeinnützige Projekte in Berlin unterstützt, und die Pfizer Pharma GmbH mit ihrem Einsatz für benachteiligte Gruppen in der Gesellschaft ebenfalls nominiert. In der mittle- ren Kategorie standen auch die GUD.berlin GmbH im Finale, eine Agentur, die gemeinnützige TeamTage organisiert, sowie die aletto Hotels (aletto Service und Marketing GmbH), die Kinder und Jugendliche unterstützt. Die zwei weiteren Finalisten waren der genossenschaftliche Supermarkt SuperCoop Berlin eG mit seinen fair produzierten Lebensmitteln zu erschwinglichen Preisen und der Entwickler einer Browsererweiterung Faircado UG, der beim Online-Shopping nachhaltige Secondhand-Alternativen vorschlägt. ■ Zwei der Preisträger: Katrin Ohlmer von dotBerlin (Foto links, v.) sowie Jessica Jeworutzki und Bram van Montfort von Brammibal’s Donuts Saskia Lössl, IHK-Nachhaltigkeitsmanagerin Tel.: 030 / 315 10-253 saskia.loessl@berlin. ihk.de Unternehmenspreis Weitere Informationen zu Verleihung und Preisträgern: unternehmenspreis.berlin FOTOS: BRAMMIBAL’S DONUTS, DOTBERLIN AGENDA | Nachhaltigkeit | 12 Berliner Wirtschaft 09 | 2023

Das Internet ist immer noch Neuland Angela Merkel hatte recht: Denn Entwicklungen machen das Internet ständig zu etwas Neuem – begegnen kann man dem nur mit Offenheit und Neugier Als Angela Merkel vor zehn Jahren über das Neuland Internet sprach, wurde sie von vielen, die sich als „Digital Natives“ verstanden, wahlweise milde belächelt oder unsanft verspottet. Man hielt ihren Blick auf das Internet für naiv. Vielleicht war er es, vielleicht nicht. Ungefähr 50 Prozent der Deutschen waren 2003 online, 2013 waren es 75 Prozent, heute sind es über 90 Prozent. Darin spiegeln sich demografische Veränderungen, aber dahinter verbirgt sich weit mehr Wandel. Das Internet ist nicht nur allgegenwärtig, es war und ist in Entwicklung, es wird auch größer – und ist allein damit immer wieder Neuland für alle. Nur ein Beispiel: TikTok gab es 2013 noch nicht, jetzt sind es allein in Europa 150 Millionen Nutzende. Das ist nicht einfach für Gen Z wichtig, sondern ebenso für alle Unternehmen, die diese Generation erreichen wollen. Wie das Internet von 2033 sein wird, weiß heute niemand. Wenn das Internet nicht immer wieder Neuland wäre, wäre es ein gedrucktes Buch. OpenAI wurde 2015 gegründet – wie viele unserer Online-Interaktionen werden in zehn Jahren mit KI sein? Wird es Websites, wie wir sie kennen, dann noch geben? Was bedeutet das für Geschäftsmodelle? Während einige Geschäftsmodelle direkt durch das Internet bedroht sind – jetzt oder später –, geht es viel öfter darum, wer sich besser immer wieder neu darauf einstellt. Nicht KI bedroht einen, sondern jene Wettbewerber, die besser damit umgehen. Laut einer aktuellen Umfrage ziehen sich angesichts einer bedrohlich wahrgenommenen Welt voller Krisen immer mehr Menschen ins Private zurück. Auf Netflix kommen keine Nachrichten. In der eigenen WhatsApp-Gruppe gibt es keine anderen Weltbilder. Wer mit solchen Scheuklappen lebt, den Blick auf die Welt so einschränkt, der neigt nicht nur zu Fehlwahrnehmungen, der will kein Neuland mehr entdecken, nirgendwo. Es ist oft nicht das, was man nicht weiß, was wirklich Schwierigkeiten bringt. Es ist das, was man sicher weiß, was aber einfach nicht (mehr) so ist. Komfortzone kills. Das gilt für kleine Unternehmen und für große. Man frage nur Warenhauskonzerne, Shoppingcenter, Autohersteller oder Videotheken. Denn eigentlich ist Neuland natürlich überall, nicht nur im Internet. Gute Unternehmer und Unternehmerinnen wissen das. Jeder Tag ist Tag eins, so Jeff Bezos. Auf die Welt da draußen sollte man deshalb immer neugierig bleiben, in Veränderungen immer auch Chancen sehen und immer die Stärke haben, auch sich selbst zu hinterfragen. ■ Meinung In der Kolumne „Auf den Punkt“ positionieren sich im monatlichen Wechsel Mitglieder des Präsidiums zu wirtschaftspolitischen Fragestellungen aus ihrer persönlichen Sicht. präsidiumsmitglieder beziehen stellung Roman Kaupert ist Geschäftsführer der Kreativagentur Zepter und Krone sowie Präsidiumsmitglied der IHK Berlin FOTO: AMIN AKHTAR Auf den Punkt | 13

Die Energiewende bietet zahlreiche Chancen für Innovationen, grüne Technologien und das Schaffen neuer Märkte. Allerdings bleiben negative Auswirkungen nicht aus. Insbesondere gerät die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen zunehmend in Gefahr. Dies geht aus dem jährlichen Energiewende-Barometer der IHK-Organisation hervor. Während 2020 die positiven Effekte der Energiewende auf die Wettbewerbsfähigkeit noch leicht überwogen, so stufen nur drei Jahre später 29 Prozent mehr der Unternehmen die Auswirkungen als negativ bis sehr negativ ein. Im Vorjahr 2022 bewerteten noch ein Viertel der Unternehmerschaft die Auswirkungen als positiv. 2023 sind es ganze zehn Prozent weniger. Ein ebenfalls besorgniserregender Trend zeigt sich in der Verlagerung von Kapazitäten und Produktionen ins Ausland. In den Jahren 2021 bis 2023 sind Vorhaben, Produktionen ins Ausland zu verlagern, pro Jahr um etwa drei Prozent gestiegen. Im laufenden Jahr planen 14 Prozent der Unternehmen diesbezüglich Maßnahmen, zwei Prozent haben hierzu laufende Aktivitäten, und drei Prozent haben diesen Weg schon eingeschlagen. Somit verliert der Standort Berlin 19 Prozent an inländischer Produktion. Auf Bundesebene liegt der Wert bei 17 Prozent. Ein Hauptgrund für den Verlust der Wettbewerbsfähigkeit am Standort Deutschland ist der Anstieg der Energiepreise. Ein Großteil der Berliner Unternehmen sieht sich dadurch auch gezwungen, Investitionen in Kernprozesse sowie in Klimaschutzmaßnahmen als auch in Forschung und Innovation zu reduzieren. Wandel bringt auch Chancen mit sich Veränderungen bieten jedoch auch neue Chancen. Für fast ein Viertel der Unternehmen (24 Prozent) hat der tiefgreifende Wandel in der Energiebranche es ermöglicht, neue Geschäftsfelder zu erschließen beziehungsweise sich entsprechenden Maßnahmen zu widmen. Innerhalb der Betriebe sind ebenfalls positive Entwicklungen zu verzeichnen. So haben 23 Prozent Energie- effizienzmaßnahmen bereits umgesetzt, während 36 Prozent Maßnahmen planen oder derzeit realisieren. Mehr als zwei Drittel der Berliner Unternehmen investieren hierbei in effiziente Technologien, um den Energieverbrauch und damit auch die Kosten zu senken. Darüber hinaus setzen viele Unternehmen auf Digitalisierung und Automatisierung von Messinfrastruktur und Steuerungsprozessen, auch, um den EnerDas IHK-Energiewende-Barometer 2023 zeigt: Es entstehen zwar neue Geschäftsmodelle, doch der Energiepreis drückt auf die Wettbewerbsfähigkeit von Larissa Scheu Zwischen Licht und Schatten FOTO: GETTY IMAGES/FSTOP/ANDREAS SCHLEGEL

Grafiken: BW Quelle: IHK Berlin gieverbrauch zu optimieren. Im Bereich erneuerbarer Energien haben 36 Prozent Maßnahmen geplant, umgesetzt oder am Laufen, um etwa auf Biomasse, Geothermie und auf C02-ärmere Wärmeerzeuger – etwa Wärmepumpen – umzusteigen. 33 Prozent planen außerdem den Aufbau eigener erneuerbarer Energieerzeugungskapazitäten oder befinden sich in der Umsetzungsphase. Im Bereich der Mobilität wollen 42 Prozent der Unternehmen Elektrofahrzeuge anschaffen, sind gerade dabei oder haben diese bereits in ihren Betriebsalltag integriert. Auch die Politik ist gefordert Die größte Hürde für Unternehmen bei ihren Bemühungen um mehr betrieblichen Klimaschutz bleibt nach wie vor die übermäßige Bürokratie (47 Prozent). Anders als im vergangenen Jahr geben in der aktuellen Umfrage vier von zehn Unternehmen an, dass die mangelnde Informationslage, Planbarkeit und Verlässlichkeit in der Energiepolitik äußerst problematisch sind. Unsicherheiten bezüglich zukünftiger energiepolitischer Maßnahmen und Regelungen erschweren es den Unternehmen, langfristige Strategien für den Klimaschutz zu entwickeln und umzusetzen. Die anhaltend hohen Energiepreise und der Fachkräftemangel wirken sich weiterhin negativ auf die Fähigkeit der Unternehmen aus, ihre Anstrengungen im Bereich Energie- und Klimaschutz zu verstärken. Aus Sicht der Unternehmen sind verbesserte Rahmenbedingungen für die Eigenversorgung und Direktlieferverträge von entscheidender Bedeutung, um die Energiewende und den betrieblichen Klimaschutz voranzutreiben (84 Prozent). Wichtige Leitprinzipien, die dabei weiterhin beachtet werden sollen, sind Wirtschaftlichkeit, Freiwilligkeit und Technologieoffenheit (66 Prozent). Als drittwichtigste politische Maßnahme wird eine weitere Senkung der Steuern und Abgaben auf den Strompreis gesehen (53 Prozent). Die derzeitigen Strom- und Gaspreisbremsen werden von lediglich 17 Prozent der Unternehmen als hilfreich empfunden, was darauf hinweist, dass diese Maßnahmen die finanzielle Belastung der Unternehmen durch Energiekosten nicht signifikant mindern können. Um auf Bundes- wie auf Landesebene die Energie- und Klimaziele zu erreichen, ist es von entscheidender Bedeutung, ein stabiles und attraktives Umfeld zu schaffen, das nachhaltige Energiepraktiken fördert, ohne die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu gefährden. ■ 24 % der Unternehmen haben durch den Wandel in der Energiebranche neue Geschäftsfelder erschlossen. 19 % inländischer Produktion gehen dem Standort Berlin durch Abwanderung verloren. 23 % der Betriebe haben Energieeffizienzmaßnahmen umgesetzt, 36 Prozent sind in Pla- nung oder Umsetzung. Nachteile gegenüber Konkurrenz Beurteilung der Auswirkungen der Energiewende auf die Wettbewerbsfähigkeit (Angaben in Prozent) Barometer Umfrage-Ergebnisse zur Energiewende unter dem QR-Code: Larissa Scheu, IHK-Public- Affairs-Managerin Energie- und Klimaschutzpolitik Tel.: 030 / 315 10-686 larissa.scheu@berlin. ihk.de 2023 20,2 25,2 7,5 8,2 34,6 4,3 weiß nicht/keine Angabe 14,7 19,6 11,2 29,8 14,6 10,1 2022 10,3 15,3 10,5 9,1 41,6 13,2 2021 3,6 12,9 9,8 10,0 50,2 13,5 2020 sehr gut positiv neutral negativ sehr negativ Zurückhaltung bei Investitionen Konsequenzen der Energiepreise für Investitionen (Mehrfachnennungen möglich, Angaben in Prozent) Verlust der Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland 16,2 24,0 Zurückstellung von Investitionen in Kernprozesse 13,7 24,1 Keine Auswirkungen 34,5 29,1 Weniger Investitionen in Forschung und Innovationen 25,6 30,8 Weniger Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen 39,9 36,9 2023 2022 Bürokratie bremst Maßnahmen aus Hindernisse bei Transformation zu mehr Klimaschutz (Mehrfachnennungen möglich, Angaben in Prozent) 2023 2022 15,9 24,0 Sonstiges 22,9 28,6 schwierige Finanzierung 28,4 26,7 langsame Planungs- und Genehmigungsverfahren 29,0 25,6 Fachkräftemangel 33,5 28,4 hohe Energiepreise 43,2 15,9 fehlende Planbarkeit und Verlässlichkeit 47,4 49,9 zu viel Bürokratie Energiewende | 15 Berliner Wirtschaft 09 | 2023

INHALT 20 Digitaler Pass für Baustoffe Concular spart bei vielen Materialien Ressourcen 22 Erneuert statt neu hergestellt Vanguard bereitet teure Medizinprodukte auf 23 Ab ins Blaue Bartscherer sammelt Papier – und vieles mehr 24 „Erlebnisort für Kreislaufwirtschaft“ Thomas Wagner, Co-Geschäftsführer der NochMall GmbH, im Interview fokus

WEG VOM MÜLL Mit Innovationen Ressourcen schonen hat in Berlin Konjunktur. Von Geschäftsmodellen, die auf Wiederverwertung und Abfallvermeidung bauen, profitieren Umwelt und Unternehmen von Almut Kaspar ILLUSTRATION: GETTY IMAGES/YOUNGGID Kreislaufwirtschaft | 17 Berliner Wirtschaft 09 | 2023

Die Richtung ist klar: weg von der Wegwerfwirtschaft, hin zur Kreislaufwirtschaft, in der bestehende Materialien und Produkte so lange wie möglich geteilt, geleast, repariert, aufgearbeitet, wiederverwendet und recycelt werden. Gut 400 Unternehmen mit weit mehr als 8.500 Beschäftigten gehören zur Berliner Circular Economy, die bereits zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor geworden ist. „Das Spektrum reicht von den klassischen Entsorgern und spezialisierten Wiederverwertern über Innovatoren, die neue Technologien für die Kreislaufwirtschaft entwickeln, bis zu Start-ups, die aus Sekundärrohstoffen neue Produkte herstellen“, weiß Wolfgang Korek, Bereichsleiter Energie, Umwelt, Smart City bei der Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie GmbH, an der auch die IHK Berlin beteiligt ist. Ein wahrer Riese ist die Berliner Stadtreinigung (BSR), die für saubere Straßen, Wege und Plätze sorgt und sich um die Abfälle von zwei Millionen Haushalten kümmert. Wenn Deutschlands größtes kommunales Stadtreinigungs- und Abfallwirtschaftsunternehmen nun für den renommierten Deutschen Nachhaltigkeitspreis im Bereich Entsorgungs- und Recyclingwirtschaft nominiert worden ist, wird damit auch das Engagement für nachhaltige Abfallvermeidung, umweltgerechte Stadtreinigung und klimafreundliche Kreislaufwirtschaft gewürdigt. „Die Nominierung bestätigt uns in unserer Arbeit für einen verantwortungsbewussten Umgang mit Ressourcen, den Schutz des Klimas und mehr Lebensqualität in Berlin“, freut sich Stephanie Otto, Vorstandsvorsitzende der BSR. Vom Gebrauchtwarenkaufhaus NochMall über die BSR-Kieztage bis zum digitalen Tausch- und Geschenkmarkt – mit solchen bedarfsorientierten Services und Re-Use-Angeboten demonstriert das Unternehmen, wie Abfallvermeidung, Wiederverwendung und Recycling funktioniert. Neben den klassischen Entsorgern wie BSR oder Alba gibt es spezialisierte Entsorgungsbetriebe wie Bartscherer, der vor allem Altpapier der Wiederverwertung zuführt (siehe auch S. 23), zu den Innovatoren zählt Korek Firmen wie Made of Air, die geringwertige Holzabfälle in hochwertige und kohlenstoff-negative Thermoplaste verwandelt, oder EcoLocked, die an der Entwicklung und Vermarktung von CO2-optimierten Rezepturen für Beton arbeitet. Humus aus Babywindeln Mit überraschenden Geschäftsmodellen warten Start-ups auf wie Kaffeeform, das aus Kaffeesatz mit recycelten Naturfasern zum Beispiel To-go-Becher produziert, oder Dycle, das aus benutzten Babywindeln fruchtbaren Humus macht. Weil 60 Prozent der deutschen Abfälle aus dem Bausektor kommen, hat sich Concular dem zirkulären Bauen verDr. Caroline Heil ist Vorständin der New Meat Company AG und Mitglied im Präsidium der IHK Berlin. In zirkulären Geschäftsmodellen sieht sie Wettbewerbsvorteile sowie ein Plus an Wirtschaftlichkeit und Resilienz FOTO: AMIN AKHTAR/IHK BERLIN FOKUS | Kreislaufwirtschaft | 18

schrieben und will damit die Bauwirtschaft revolutionieren (siehe auch S. 20), und Circleback hat sich das Ziel gesetzt, durch ein Pfandsystem einen geschlossenen Kreislauf für Mehrwegverpackungen aus Kunststoff im Onlinehandel aufzubauen. Zu den größeren Playern der Kreislaufwirtschaft gehören die Vanguard AG, die durch Medical Remanufacturing hochwertigen Medizininstrumenten weitere Lebenszyklen verschafft (siehe auch S. 22), oder der Secondhand-Riese Rebuy, der gebrauchte Medien und vor allem gebrauchte Elektronikprodukte kauft, gegebenenfalls repariert und weiterverkauft. „Verbraucherinnen und Verbraucher fragen sich vermehrt, ob sie wirklich alles neu kaufen müssen – oder ob sie auch mit gebrauchten und wiederaufbereiteten Geräten zufrieden sind“, sagt Rebuy-Chef Philipp Gattner. Dazu beigetragen hätten die Corona-Pandemie und die hohe Inflationsrate. „Die Implementierung zirkulärer Geschäftsmodelle macht es möglich, sich im Wettbewerb als ein nachhaltigeres Unternehmen zu positionieren und eine höhere Kundenbindung und Anziehungskraft als Arbeitgeber zu erlangen, während gleichzeitig die Wirtschaftlichkeit und Resilienz des Unternehmens gesteigert werden können“, sagt IHK-Präsidiumsmitglied Dr. Caroline Heil. Viele Berliner Unternehmen würden gern Circular-Economy-Strategien umsetzen wollen, scheiterten jedoch bislang an zentralen Hürden, „beispielsweise an unklaren Rahmenbedingungen, die parallel mit komplexer Bürokratie einhergehen, aber auch an begrenzten Ressourcen im Betrieb oder fehlendem Fachwissen“. Um die Etablierung zirkulärer Geschäftsmodelle voranzutreiben, so Caroline Heil, müsse bei der zirkulären Transformation durch Netzwerkbildung, Beratungsangebote und Investitionsprogramme gezielt unterstützt werden. „Zudem sollte der Wissensaufbau durch die Stärkung von Kompetenzen und Kapazitäten in den Unternehmen aktiv gefördert werden.“ So veranstaltet zum Beispiel die IHK Berlin im Rahmen ihrer „EU-Taxonomie Kompakt“-Reihe am 26. September eine Online-Session, in der auch über den Transformationsprozess in die Circular Economy informiert wird (Anmeldung über den QR-Code rechts). Berliner Circular-Economy-Player können sich in Umweltcluster, Kreislaufwirtschaft-Ini- tiativen und ähnliche Netzwerke einbringen und dort wertvolle Informationen und Anregungen bekommen. „Die Stadt kann dabei mit der räumlichen Nähe der Akteure punkten, die es erlaubt, sich besonders gut zu vernetzen, sowie mit der Existenz physischer Hubs wie dem Impact Hub, der auch mit seinem Gebäude exemplarisch für das Thema Kreislaufwirtschaft steht“, sagt Wolfgang Korek von Berlin Partner. Der Impact Hub hat seinen Sitz im CRCLR House, einer vor allem aus Holz, Stroh, Lehm und Kalk umgebauten und aufgestockten Halle der früheren Kindl-Brauerei in Neukölln. „Punkten kann Berlin auch damit“, so Korek, „dass regionale Netzwerke wie circular.berlin über die Hauptstadtregion hinaus mit ähnlichen Initiativen bundes- und europaweit kooperieren, sich aber zunehmend auch international vernetzen – zum Beispiel im Projekt CircularPSP.“ Fördermittel für Forschungskooperationen Zudem profitiert die wachsende Berliner Kreislaufwirtschaft von der hohen Dichte an wissenschaftlichen Einrichtungen in der Stadt. „Vorhandene Fördermittel stellen zum Teil explizit auf die Zusammenarbeit zwischen innovativen kleinen und mittelständischen Unternehmen einerseits und Forschungsinstituten andererseits ab“, erklärt der Experte Korek. Forschung sei dabei kein Selbstzweck: „Viele Ansätze der Circular-Economy-Start-ups erfordern durchweg Expertise aus der Forschung sowie Labore, Maschinen oder anderes teures Equipment zur Materialtestung oder -weiterentwicklung.“ Außerdem würden zahlreiche Start-ups direkt aus den Universitäten ausgegründet und proaktiv gefördert: „Dadurch werden Forschungserkenntnisse in Geschäftsmodelle transferiert.“ Um auch die Öffentlichkeit für die nachhaltige Kreislaufwirtschaft zu sensibilisieren, hat jetzt die erste deutsche Zero-Waste-Agentur (ZWA) ihre Arbeit aufgenommen. Im Zuge des Abfallwirtschaftskonzepts 2030 des Landes Berlin ist die ZWA als eine unabhängige Einheit bei der Berliner Stadtreinigung angesiedelt worden und soll sich übergreifend dem Thema „Null Verschwendung“ widmen. „Die ZWA will die Abfallwirtschaft in Berlin zur Kreislaufwirtschaft transformieren“, sagt ZWA-Leiterin Meike Al-Habash, die vorher für die IHK Berlin tätig war. „Uns geht es darum, aktuelle und zukünftige Maßnahmen in Berlin rund um das Thema Zero Waste zu vernetzen, zu koordinieren und durch gemeinsame Synergien die Kräfte zu bündeln.“ Abfallvermeidung und Wiederverwendung funktionierten nur im Dreiklang Verbrauchende, Wirtschaft sowie Politik und Verwaltung. „Wir wollen das Bewusstsein dafür schärfen, dass der beste Abfall der ist, der gar nicht erst entsteht.“ ■ 8.500 Mitarbeitende haben die rund 400 Unternehmen der Berliner Circular Economy insgesamt. PLUS Punkte 1 Die Circular Economy ist in Berlin ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. 2 Neben den klassischen Entsorgern gibt es viele spezialisierte Start-ups. 3 Netzwerke bieten wichtige Branchenkontakte über Berlins Grenzen hinaus. Andreas Kubala, Public Affairs Manager Umwelt- und Klimaschutzpolitik Tel.: 030 / 315 10-758 andreas.kubala@berlin. ihk.de IHK-Veranstaltung In der Online-Reihe „EU-Taxonomie Kompakt“ heißt es am 26. September (10 bis 11.30 Uhr) „Mit Circular Economy Kosten senken & Gewinne steigern“. Weitere Infos und Anmeldung unter dem QR-Code: Berliner Wirtschaft 09 | 2023

Alles begann mit einer konkreten Beobachtung auf einer Baustelle: Dort wurden noch ungebrauchte und original eingeschweißte Türen, die offenbar übrig geblieben waren, nicht etwa an den Hersteller zurückgeschickt, sondern in einen Abfall-Container geworfen. „Eine gängige Praxis, wie wir feststellen mussten“, sagt Julius Schäufele. Deshalb gründete er mit drei Kollegen vor mehr als zehn Jahren die Online-Plattform Restado, auf der gebrauchte oder zurückgebliebene Baustoffe und -materialien angeboten werden konnten. Erklärtes Ziel: wiederverwenden statt zu verschwenden. Inzwischen hat sich Restado zum größten digitalen Marktplatz Europas für wiedergewonnene Baumaterialien und Bauteile entwickelt. „Restado wird“, so Schäufele, „hauptsächlich von Privatpersonen genutzt und funktioniert ähnlich wie Ebay, das heute als Kleinanzeigen firmiert.“ Weil bei Restado nur kleinere Produktmengen umgesetzt werden, wurde 2020 das Start-up Concular gegründet. „Mit Concular wollen wir zirkuläres Bauen für die professionelle Immobilienbranche umsetzbar machen“, sagt Geschäftsführer Schäufele. „Als digitales Ökosystem für kreislaufgerechtes Bauen setzen wir uns aktiv dafür ein, einen möglichst ökologisch verträglichen Neu- und Rückbau oder Abriss von Gebäuden umzusetzen, um damit emissions- sowie CO2-neutrale Bauprojekte zu realisieren.“ Dafür entwickelte man eine Software, die es ermöglicht, wiederverwendbare Baustoffe und Materialien digital zu erfassen und sogenannte Materialpässe zu erstellen. „Die Baustoffe werden bewertet und schnellstmöglich für weitere Bauvorhaben weitervermittelt, um ihre Nutzungsdauer zu verlängern und Ressourcen zu schonen.“ Die Audit-App zeigt das Potenzial Am Anfang des zirkulären Prozesses stehen die Erfassung und Digitalisierung des Bestandsgebäudes, das rück- oder umgebaut werden soll. „Während einer Erstbegehung stellen wir grundlegende Gebäudedaten fest und machen eine Potenzialanalyse“, erklärt Julius Schäufele. „Im nächsten Schritt werden Materialien und Bauteile detailliert gelistet – wir erfassen dabei mit Egal ob Rückbau, Umbau oder Neubau: Die Expertise der Concular GmbH hilft in vielen Fällen, Materialien zu sparen oder wiederzuverwerten Digitaler Pass für Baustoffe Mitgründer und Geschäftsführer Julius Schäufele hilft mit Concular, Ressourcen am Bau zu schonen Gut vernetzt Der QR-Code führt zum Unternehmen auf LinkedIn: FOTO: CHRISTIAN KIELMANN Berliner Wirtschaft 09 | 2023

unserer Concular-Audit-App verschiedene Informationen wie Menge, spezifische Eigenschaften, Materialqualität oder auch Herkunft und Rückbaufähigkeit, um die digital gesammelten Daten schließlich als Materialpass auszuwerten.“ Ein solcher Material- oder Gebäuderessourcenpass – vergleichbar mit einem Reisepass – gibt den Materialien und Bauteilen eine eindeutige Identität, um Verwertungsszenarien zu ermöglichen und sie bis zum Wiedereinbau weiterzuverfolgen. „Wir bieten Dienstleistungen und Beratungen entlang des gesamten Gebäudelebenszyklus an, um kreislauforientierte Wertschöpfungsketten aufzubauen“, so Schäufele. Die meisten Auftraggeber – Immobilienunternehmen, private oder staatliche Bauherren – verfügen über mehrere Gebäude und wollen ermitteln lassen, wie mit dem vorhandenen Bestand oder Neubau am effizientesten umgegangen werden kann. „Gemeinsam schauen wir uns verschiedene Szenarien an und prüfen Rückbau, Umbau oder Neubau an virtuellen Modellen und Simulationen – in jedem Fall wird jedes Gebäude sorgfältig auf vorhandene Ressourcen und Möglichkeiten geprüft.“ Eine gründliche Untersuchung ist notwendig, um festzustellen, ob ein Abriss wirklich notwendig ist oder das Gebäude durch Umbaumaßnahmen noch eine längere Nutzungsdauer haben kann. „Ist das nicht der Fall, ist es unser Ziel, einen Teil der Materialien und Baustoffe für eventuelle Neubauten zu verwenden und den Rest über unseren Online-Shop an externe Umbau- und Neubauprojekte weiterzugeben.“ Seit 2020 war Concular mit derzeit 55 Mitarbeitenden aus zwölf Nationen schon an rund 275 Bauprojekten beteiligt, darunter der Umbau der Mercedes-BenzArena in Stuttgart, der FAZ-Campus in Frankfurt oder die Bestandserfassung von Karstadt am Berliner Hermannplatz. ■ Julius Schäufele In jedem Fall wird jedes Gebäude sorgfältig auf Ressourcen und Möglichkeiten geprüft. Kreislaufwirtschaft | 21 www.messe-essen.de WILLKOMMEN IN DER MESSE ESSEN 11.–15.09.2023 WIR ÖFFNEN WELTEN

P ro Krankenhausbett fallen in Deutschland jeden Tag fünf bis sechs Kilogramm Abfall an – darunter auch für den einmaligen Gebrauch deklarierte Medizinprodukte für Kardiologie und Chirurgie. Diesen Produkten verschafft die vor 25 Jahren gegründete Vanguard AG durch speziell entwickelte Verfahren weitere Lebenszyklen. „Beim sogenannten Medical Remanufacturing bereiten wir hochkomplexe und teure Einmalprodukte wieder auf, beispielsweise Ultraschallscheren für chirurgische Eingriffe oder Elektrophysiologie-Katheter für Herzuntersuchungen“, erläutert die Vanguard-Vorstandsvorsitzende Ulrike Marczak. Für Neuware würden pro Stück hohe drei- bis vierstellige Beträge in Rechnung gestellt, weil diese Ins- trumente modernste Technik enthalten und während ihrer Herstellung einmal um den ganzen Globus geschickt werden. „Die von uns in Berlin, Aschersleben und Friedeburg aufbereiteten Produkte“, so Ulrike Marczak, „sind allein schon dadurch günstiger, dass lange Lieferketten entfallen.“ Die aktuell rund 1.000 Vanguard-Kunden – vor allem Krankenhäuser und Kliniken im In- und Ausland – profitieren nicht nur wirtschaftlich, sondern sorgen auch für einen ökologischen Nutzen: „Nach einer Fraunhofer-Studie emittiert beispielsweise ein aufbereiteter Elektrophysiologie-Katheter 50 Prozent weniger CO2 und verbraucht 28 Prozent weniger Ressourcen als in der Neuherstellung.“ Zwei bis vier Produktkreisläufe Seit dem Jahr 2000 hat die Vanguard AG mit rund 200 Beschäftigten insgesamt um die drei Millionen Produkte aufbereitet – etwa 1.000 verschiedene Artikel hat das Unternehmen derzeit im Portfolio. „Kunden können diese CE-zertifizierten Medizinprodukte auch erwerben, ohne vorher gebrauchte eingesendet und dem Kreislauf zugeführt zu haben“, sagt Vorständin Marczak, „preislich gibt es da keinen Unterschied.“ Die Sicherheit für Patienten und Personal stehe bei Vanguard an erster Stelle: „Der komplette Aufbereitungsprozess ist gesetzlich streng reguliert, und diese Vorgaben sind selbstverständlich auch für uns bindend.“ Wie oft ein Produkt wiederaufbereitet werden kann, unterscheidet sich nach seiner Komplexität – in der Regel zwei- bis viermal. Dabei übernimmt Vanguard bei CE-Medizinprodukten anstelle des Originalherstellers die gesamte Produkthaftung. Sind alle Möglichkeiten ausgeschöpft, setzt Vanguard im letzten Schritt auf das End-of-Life-Recycling, bei dem einzelne Bestandteile eines Produkts wiederum neue Verwendung finden können. ■ Die Vanguard AG verhilft Medizinprodukten zu mehreren Lebenszyklen – kostensparend für Kliniken, aber immer streng kontrolliert Erneuert statt neu hergestellt Gut vernetzt Das Unternehmen auf LinkedIn finden Sie unter dem QR-Code: Ulrike Marczak Die von uns aufbereiteten Produkte sind allein dadurch günstiger, dass Lieferketten wegfallen. Ulrike Marczak ist Vorsitzende des Vorstands bei der Vanguard AG, die seit 25 Jahren am Markt ist 50 % CO2-Emissionen spart die Verwendung aufbereiteter Elektro- lyse-Katheter gegenüber neu hergestellten Produkten ein. FOTOS: CHRISTIAN KIELMANN Berliner Wirtschaft 09 | 2023 FOKUS | Kreislaufwirtschaft | 22

Bartscherer ist auf Altpapier spezialisiert, sammelt aber auch Kunststoffe, Schrott und Holz Ab ins Blaue Rund 250.000 Tonnen Altpapier sammelt die Bartscherer & Co. Recycling GmbH im Jahr. „Seit es unseren 1921 gegründeten Familienbetrieb gibt, ist die Erfassung und Verwertung von Altpapier Schwerpunkt unserer Arbeit“, sagt Geschäftsführer Martin Lange. Zum Einsatz kommen Umleerbehälter, blaue Tonnen unterschiedlicher Größen – in der Wohnungswirtschaft, vor allem aber im Gewerbebereich. „Unseren Großkunden stellen wir diverse Behälterlösungen zur Verfügung, von Abroll- und Selbstpresscontainern über Absauganlagen bis zu stationären Ballenpressen.“ Altpapiersorten werden so getrennt erfasst. Fachpersonal von Bartscherer unterstützt Großkunden, Füllstände der Anlagen können per Fernwartung überwacht werden. „Damit können wir die Behälter optimal auslasten, um unnötige Transporte mit unseren mehr als 70 Fahrzeugen zu vermeiden.“ Durch lange Markterfahrung und gute Kontakte zu Papierfabriken in Deutschland und Europa würden mit der Vermarktung des Altpapiers für die Kunden optimale Erlöse erzielt, so Lange: „Damit holen sich unsere Großkunden einen Teil ihrer Entsorgungskosten wieder herein.“ ■ Geschäftsführer Martin Lange Gut vernetzt Zum Unternehmen per QR-Code auf LinkedIn: Sie suchen schlagfeste Argumente? Unsere Schutzhelme sind nicht auf den Kopf gefallen. IHR IGEFA-EFFEKT JETZT SERVICELEISTUNGEN ENTDECKEN www.igefa-effekt.de Ein Mitglied der

Thomas Wagner Geschäftsführer Co-Geschäftsführer der NochMall GmbH ist Thomas Wagner seit 2022. Für die Bral GmbH arbeitet er seit Februar 2016, im Juni 2017 übernahm er deren Geschäftsführung. Zuvor war er Geschäftsführer der Callparts Recycling GmbH und anderer Firmen der Branche. Thomas Wagner schaut sich Produkte aus der NochMall an. Die Kunden suchen an den Ständen häufig nach Schnäppchen Das Gebrauchtwarenkaufhaus NochMall hat die Berliner Stadtreinigung (BSR) am 8. August 2020 eröffnet – inmitten der Pandemie. Geschäftsführer Thomas Wagner ist überzeugt davon, dass sich das Konzept bewährt. Die Besucherzahlen steigen, und außerdem spenden die Berliner immer mehr gut erhaltene Waren. Berliner Wirtschaft: Sie bezeichnen sich als Gebrauchtwarenkaufhaus, betonen aber, Sie sind kein Secondhand-Kaufhaus. Wo sehen Sie den Unterschied? Thomas Wagner: Wir sind mehr als ein Secondhand-Kaufhaus. Wir verfolgen ein ganzheitliches Konzept und präsentieren Gebrauchtwaren als Trend. Wir wollen aufzeigen, wie man Dingen noch mal ein neues Leben geben kann und dass die Waren das auch wert sind. Wir haben in der NochMall einen Upcycling-Bereich, aus Altem wurde etwas Neues gemacht und dort von uns angeboten. Dazu geben wir dem Thema „unverpackt“ Raum. Wir wollen so aufzeigen, dass es nicht nur um Gebrauchtwaren geht, sondern auch darum, nachhaltig einzukaufen und nachhaltig zu denken. Insofern kann die NochMall als eine Plattform bezeichnet werden. Warum verstehen Sie sich als Plattform? Wir geben in der NochMall zum Beispiel Initiativen und Firmen Raum, damit sie ihre Produkte und Ideen bei uns präsentieren können. Bei uns finden auch viele Veranstaltungen und Workshops wie auch Repair-Cafés und Upcycling-Workshops statt. Wir bieten bei uns gemeinsam mit Partnern Services zum Thema Nachhaltigkeit an. Schulklassen besuchen uns, um mehr über Nachhaltigkeit zu lernen. Unser Anspruch ist es, ein Erlebnisort für Kreislaufwirtschaft und Abfallvermeidung zu sein. Dabei sind wir immer konsequent: bis dahin, dass auch in unserem Café nur Bio-Produkte angeboten werden. Also gibt es bei Ihnen nicht nur Altes? So ist es. Wir arbeiten mit Unternehmen zusammen, die sich dem Thema Nachhaltigkeit verschrieben haben und bieten deren Produkte in unserem Green-Label-Bereich in der NochMall an. Ein Partner ist beispielsweise eine Firma, die sehr stylishe Accessoires – wie Taschen und Rucksäcke – aus alten Fischfuttersäcken herstellt. Grundsätzlich geht es bei uns um nachhaltige Lösungen, um Wiederverwendung und Abfallvermeidung. Wir wollen zeigen, dass man nicht alles wegschmeißen muss, sondern dass es sich lohnt, Neues daraus zu machen. Wie ist die Idee zur NochMall entstanden? Die Idee dafür gab es in der BSR seit Langem. Mein Geschäftsführer-Kollege Frieder Sölling war daran von Anfang an beteiligt und wurde sehr aktiv vom BSR-Vorstand sowie dem Bereich Müllabfuhr unterstützt. Wir haben aber zunächst eine Studie durchgeführt, weil wir keine bestehenden Strukturen „Erlebnisort für Kreislaufwirtschaft“ Thomas Wagner ist Co-Geschäftsführer der NochMall in Reinickendorf. Dort will er mehr als Gebrauchtwaren anbieten. Er sieht das Projekt als Plattform für den Re-Use-Trend von Michael Gneuss » Wir wollen zeigen, dass man Dingen noch mal ein neues Leben geben kann. Thomas Wagner FOTO: AMIN AKHTAR FOKUS | Interview | 24 Berliner Wirtschaft 09 | 2023

kaputt machen wollten. Das Ergebnis war, dass es noch keine strukturierte Landschaft gab. Gleichzeitig stellten wir fest, dass ein erhebliches Potenzial besteht. Als Entsorgungsunternehmen haben wir über die Recycling-Höfe Zugriff auf viele alte Produkte, die in einem Gebrauchtwarenhaus verkauft werden können. Verkaufen Ihnen die Berlinerinnen und Berliner alte Produkte? Nein, alle Waren, die wir in der NochMall verkaufen, sind Spenden, die an derzeit drei Recycling-Höfen oder im Gebrauchtwarenkaufhaus abgegeben werden. Inzwischen holen wir Waren aber zuätzlich direkt von den Spendern ab. Die Eröffnung haben Sie am 8. August 2020 gefeiert, mitten in der Pandemie. Ja, der Beginn ist natürlich durch die Corona-Krise gestört worden. Nachdem wir eröffnet hatten, mussten wir relativ schnell wieder schließen. Aber jetzt steigen die Besucherzahlen kontinuierlich. Mittlerweile kommen wir auf rund 26.000 Besucher pro Monat. Und wir sammeln immer mehr Spenden für das Kaufhaus ein. Wir haben inzwischen ein Sortiment von mehr als 2.000 Produkten. Es ist eine tolle Aufgabe, so ein einzigartiges Projekt zum Erfolg zu führen. Bei welchen Produkten ist die Nachfrage am größten? Es gibt viele Produktgruppen, in denen wir noch viel mehr verkaufen könnten, wenn es mehr Spenden gäbe. Möbel sind zum Beispiel sehr begehrt, Spielwaren auch, ebenso Musikinstrumente oder Sportgeräte. Aber leider landen solche Produkte immer noch viel zu oft im Restmüll. Die Restmülltonne ist für viele Bürger der einfachste Weg, aber er ist nicht immer der beste. Beim Thema Nachhaltigkeit geht es um das Mitmachen, nicht darum, den bequemsten Weg zu wählen. Auch das möchten wir hier mit der NochMall rüberbringen. Wer kauft bei Ihnen? Wir haben natürlich in erster Linie Kunden, die preisbewusst unterwegs sind, und natürlich Schnäppchenjäger. Es gibt aber auch Sammler mit Jagdinstinkt, die sich gut auskennen und hoffen, besondere Bücher, Schallplatten, Kleidungsstücke oder auch Elektrogeräte zu finden. Darüber freuen wir uns, denn es zeigt, dass unser Angebot für jeden etwas bereithält. Die NochMall ist ein Erlebnisort für alle, an dem man sich länger aufhalten und schmökern kann. Billig soll bei uns nicht das Hauptargument sein. Sondern? Re-Use ist ein Trend. Es ist nachhaltig und damit cool, Waren aus dem Gebrauchtwarenkaufhaus oder dem Upcycling-Bereich zu kaufen. Sind Sie mit der Noch Mall schon profitabel? Wie jedes Start-up brauchen auch wir ein bisschen Zeit, um profitabel zu werden. Aber wir sind auf dem Weg dahin. Ich sehe gute Chancen, dass wir schwarze Zahlen schreiben werden. Bislang haben Sie mit der Auguste-Viktoria-Allee in Reinickendorf nur einen Standort? Können Sie sich eine Expansion vorstellen? Das Potenzial für einen weiteren Standort in einem anderen Bezirk ist auf jeden Fall da. Die Herausforderung besteht darin, eine geeignete Immobilie zu finden, an der sich der Betrieb wirtschaftlich darstellen lassen kann – angesichts der derzeit sehr hohen Preise für Einzelhandelsflächen auf dem Immobilienmarkt ist das keine leichte Aufgabe. Aktuell haben wir daher noch keine konkreten Expansionspläne, für die Zukunft ist das aber nicht auszuschließen. Thomas Wagner erklärt im Interview mit Redakteur Michael Gneuss das Konzept der NochMall Gut vernetzt Kontakt zu Thomas Wagner auf LinkedIn über den QR-Code: FOTO: AMIN AKHTAR Berliner Wirtschaft 09 | 2023

RkJQdWJsaXNoZXIy MTk5NjE0NA==