Berliner Wirtschaft Juli/August 2025

Dr. Ingo Rückert Geschäftsführer Seit April 1999 ist Ingo Rückert in der Wilhelm Dreusicke GmbH & Co. KG tätig. Zuvor hat er zwei Jahre wissenschaftlich am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie gearbeitet. An der TU Berlin hat er Physik studiert. Die Wilhelm Dreusicke GmbH & Co. KG ist 109 Jahre alt. In diesem Zeitraum musste sie sich immer wieder wandeln, um überleben zu können. Mit mechanischen Schreibmaschinen, den Ursprüngen des Unternehmens, würden heute keine hohen Umsätze mehr erzielt werden. Bereits in ihrer Jugend haben die Brüder Carsten und Ingo Rückert miterlebt, wie ihr Vater mit neuen Geschäftsfeldern die Existenz sicherte. Heute sind sie selbst dafür verantwortlich, mit Innovationen den Betrieb auf Kurs zu halten. Berliner Wirtschaft: Sie sind jetzt schon seit rund 25 Jahren Geschäftsführer Ihres Unternehmens, und zwar in dritter Generation. Ist es eine besondere Drucksituation, ein so traditonsreiches Unternehmen in der Spur halten zu wollen? Carsten Rückert: Wir haben vom Kindesalter an mitbekommen, dass sich in einer Technologie-Firma alle zehn bis 20 Jahre die Schwerpunkte ändern. Es ist für uns also relativ normal, dass wir eigentlich immer über neue Standbeine nachdenken. Wie ging es dem Unternehmen, als Sie es zu Beginn dieses Jahrhunderts übernommen haben? Ingo Rückert: Eigentlich ganz gut. Unser Vater hatte gerade die Weichen für die nächste Dekade gestellt. Mitte der Neunzigerjahre waren wir noch sehr mit der Produktion von Gummiwalzen und Leiterplatten für elektronische Schreibmaschinen beschäftigt. Aber es war klar, dass das zu Ende gehen würde. Unser Vater ist dann Kunden in neue Produktbereiche gefolgt. So haben wir dann Walzen für Geld- und Parkautomaten sowie für Etikettendrucker hergestellt. Carsten Rückert: Und jetzt sind wir wieder in einem Wandel. Da der Bargeldverkehr abnimmt, werden weniger Geldautomaten produziert. In Parkgaragen kann zunehmend auf Parkautomaten verzichtet werden, weil eine automatische Kennzeichenerfassung eingeführt wird. Dafür werden aber immer mehr Etikettendrucker benötigt, weil so viele Pakete verschickt werden, die alle ein Etikett benötigen. In der Auto- und in der Pharmaindustrie werden zur Rückverfolgung viele Etiketten mit Seriennummern verklebt. In der Logistik müssen Paletten immer wieder neu gekennzeichnet werden. Da gibt es sehr viele Anwendungsszenarien. So wie Sie den Wandel von Produkten für Schreibmaschinen hin zu Produkten für Auto- maten schildern, war es gar nicht so schwierig, wieder neue Geschäftsmöglichkeiten zu finden? Carsten Rückert: Nein, nein, so einfach war es nicht, und wer wirklich innovativ sein will, muss auch einmal mit Misserfolgen umgehen können. Wir hatten zunächst versucht, Ersatzteile für die Büromaschinenindustrie selbst zu produzieren – also insbesondere für Drucker. Das hat nicht funktioniert. Wir haben dann aber passende Großhändler gefunden und mit ihnen Geschäftsbeziehungen aufgebaut. Es ist gar nicht so einfach, immer die richtigen Ersatzteile zu identifizieren. Wir haben das aber gut hinbekommen und uns bei Herstellern einen Namen aufgebaut und sind zum Beispiel von Epson als Partnerunternehmen autorisiert worden. So sind Sie dann selbst zum Händler geworden. Ingo Rückert: Richtig. Uns kam damals zugute, dass wir durch die Geschäfte mit Schreibmaschinen sehr international aufgestellt waren. Wir haben weltweit an Serviceorganisationen verkauft und gute Kontakte gehabt. So konnten wir auch viele wichtige Handelsbeziehungen in den USA aufbauen; von dort haben wir sehr viele Teile importiert. Diese » Innovation braucht eine offene Gesprächskultur, Vertrauen und Freiräume. Ingo Rückert FOTOS: AMIN AKHTAR Innovation | 27 Berliner Wirtschaft 07-08 | 2025

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