Wenn Joachim von Arnim Besuchern die Tür zum Heiligtum seiner Firma öffnet, ruft er ihnen noch schnell ein „bitte nichts anfassen“ zu. Wer das steril-weiße Labor auf dem Gelände des Pharmagiganten Bayer in der Müllerstraße in Wedding betritt, sieht schnell, was der ganze Stolz des Ingenieurs ist: Im Zentrum des Raums steht Dagobah, die vierte Generation des 3-D-Druckers, der aus menschlichen Zellen Organ-Patches druckt, die sich, nachdem sie dem Patienten eingepflanzt wurden, zu vollständigem Organgewebe weiterentwickeln können. „Wir bauen mit Zellen menschliche Strukturen nach, die der Körper als Organgewebe erkennt und selbstständig fertigstellt“, erklärt von Arnim das Verfahren. Als Business Angel ist er vor vier Jahren bei Cellbricks eingestiegen. Heute ist er Chief Strategy Officer und leitet das Start-up zusammen mit CEO Alexander Leutner und COO Dr. Simon MacKenzie. Angesichts des Mangels an Spenderorganen wären frisch gedruckte Organe ein Segen für Patienten. Da die Zellen aus dem eigenen Körper stammen werden, wären nicht einmal Absto- ßungsreaktionen zu erwarten. Irgendwann einmal, so von Arnims Vision, steht ein solcher 3-D-Bio- printer in jedem Krankenhaus rund um den Globus und könnte bei Bedarf sofort mit dem Druck neuen Organgewebes beginnen. Alles, was es für einen solchen Druck braucht, sind vitale körper- eigene Zellen des betreffenden Organs und eine extrazelluläre Matrix, die die Zellen einem Klebstoff gleich zusammenhält und in Form bringt. Sie besteht zum Beispiel aus Kollagen und Hyaluronsäure. Zudem braucht der Drucker den Bauplan des Zielorgans, den die Cellbricks-Forscher ihm mittels Software zuführen. Spin-off der Technischen Universität „Mit dieser Technologie wollen wir aus Berlin heraus einen internationalen Champion bauen, sozusagen das Biontech Berlins werden.“ Gegründet wurde Cellbricks 2016 als Spin-off der Technischen Universität Berlin. Heute finanziert es mit Risikokapital und staatlicher Forschungsförderung und entwickelt unerlässlich neue Druckergenerationen, Gewebestrukturen und Rezepturen für die Bio-Tinte. Zum Ende dieser Dekade, so hofft von Arnim, sollen die ersten Brust- und Leberimplantate marktreif sein. Später dann auch Bauchspeicheldrüsen, Nieren, vielleicht sogar mal Herzen – aber das ist Zukunftsmusik. Zurzeit arbeitet von Arnim mit seinem 25-köpfigen Team aus Biologen und Biotechnologen, Chemikern und Biochemikern, Maschinenbauern, Ingenieuren, BWLern und Software-Entwicklern daran, Brustgewebe aus Fettzellen herzustellen. Es könnte zum Beispiel Brustkrebs- patientinnen nach einer Amputation anstelle von Silikon implantiert werden. „Solches ersetzendes Brustgewebe muss im Gegensatz zu Organgewebe noch keine spezielle Organfunktion erfüllen“, erklärt von Arnim, während er Dagobah für den Präsentationsdruck vorbereitet. Mit menschlichen Zellen führt von Arnim den 3-D-Drucker nicht vor – das wäre zu teuer, – stattdessen demonstriert er das Verfahren mit einer speziellen Gelatinelösung, um zu zeigen, wie ein Gewebelappen aus dem Drucker kommen kann. Ist der Druck gestartet, wird aus der anfangs noch flüssigen Bio-Tinte Schicht für Schicht eine dreidimensionale Form. Nach etwa sechs Minuten ist der Drucker fertig; in der Petrischale landet ein handtellergroßes Stück. Diesmal ist es nur ein Gelatinelappen, im konkreten Verfahren entsteht so lebendiges Gewebe, dessen Zellen und Struktur ähnlich angeordnet sind wie die seiner echten Vorlage. Alles Wesentliche aus einer Hand Allein ist Cellbricks mit seiner Idee, funktionstüchtige Organe aus körpereigenen Zellen im 3-D-Drucker herzustellen, nicht. Weltweit gibt es etwa eine Handvoll Mitbewerber, erzählt von Arnim. In Deutschland sind sie aber das einzige Unternehmen, das daran forscht. Das Besondere an Cellbricks ist laut von Arnim, dass seine Firma von der Software über die Hardware und die Herstellung der Bio-Tinte bis hin zum Tissue Engineering alle wesentlichen Schritte selbst beherrscht. Hilfreich für die Weiterentwicklung des Startups ist die Nähe zu Bayer. Der Pharmakonzern sei mehr als nur der Vermieter, vielmehr profitiere Cellbricks vom regelmäßigen Austausch, aber auch von den Strukturen, zum Beispiel in der Beschaffung von Ausgangsstoffen für die Drucke, erzählt von Arnim. Außerdem stellt Bayer unter seinem Life-Science-Inkubator-Netzwerk „Bayer Co.Lab“ sicherheitszertifizierte Laborflächen zur Verfügung – in solcher Lage wohl einzigartig in Berlin. Für Cellbricks geht es jetzt darum, die Funktionalität der Organ-Patches in klinischen Studien nachzuweisen. In einigen Jahren könnten dann erste Implantate zum Einsatz kommen. Und dann könnte aus einer spannenden Innovations-Story eine spektakuläre Wachstumsgeschichte werden. ■ Joachim von Arnim Chief Strategy Officer Wir bauen mit Zellen menschliche Strukturen nach, die der Körper als Organgewebe erkennt und selbstständig fertigstellt.“ Lars Mölbitz, IHK-Key-Account- Manager Gesundheitswirtschaft Tel.: 030 / 315 10-439 lars.moelbitz@ berlin.ihk.de FOTOS: CHRISTIAN KIELMANN Biotechnologie | 41 Berliner Wirtschaft 07-08 | 2024
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