Berliner Wirtschaft Juli/August 2024

ILLUSTRATION: GETTY IMAGES/DIGITAL VISION VECTORS/MATHISWORKS, GETTY IMAGES/MOMENT/OLGA SILETSKAYA FOKUS | Fachkräftesicherung | 24 Berliner Wirtschaft 07-08 | 2024 „Hier sind Maßnahmen erforderlich, die zielgerichtet zum Berufsabschluss führen“, stellen die Verbände in ihrer Erklärung fest. Weiteres Potenzial sehen sie bei den 122.000 Berlinerinnen und Berlinern, die bislang noch ausschließlich einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen, oder bei den knapp 508.500 Teilzeitbeschäftigten, denen Vollzeitbeschäftigung ermöglicht werden soll. Aber auch bei den rund 200.000 Studierenden, von denen gut 46.000 aus dem Ausland kommen – möglichst viele sollen nach dem Studium langfristig in Berlin gehalten werden. Vom Fachkräftemangel sind in der Hauptstadt insbesondere die Branchen Gesundheitswesen und Pflege, Informationstechnologie und Digitalisierung sowie Tourismus und Gastronomie betroffen. „Unter dem Mangel leidet aber so gut wie jedes Berliner Unternehmen, wenngleich natürlich in sehr unterschiedlicher Ausprägung“, sagt Nicole Korset-Ristic, Vizepräsidentin der IHK Berlin. „Dies wird vor allem dadurch deutlich, dass zwei von drei Unternehmen den Fachkräftemangel derzeit als größtes Geschäftsrisiko überhaupt bewerten.“ Jobmessen und Weiterbildung Mit einer Vielzahl an Initiativen und Maßnahmen hilft die IHK Berlin mit, die Fachkräftelücke zu schließen. Wie vielfältig die Angebote sind, verdeutlicht Vizepräsidentin Korset-Ristic an drei Beispielen: „Regelmäßig veranstalten wir Jobmessen für Geflüchtete, gemeinsam mit der Handwerkskammer und den Berliner Jobcentern. Wir setzen uns für ein zeitgemäßes und innovatives Weiterbildungsangebot sowie eine gute diesbezügliche Beratung ein – nicht zuletzt über unsere Plattform weiterbildung.berlin. Und zudem ermitteln und evaluieren wir durch Umfragen stetig die Bedarfe und konkreten Herausforderungen unserer Mitgliedsunternehmen, um deren Interessen bestmöglich gegenüber den politisch verantwortlichen Akteuren zu vertreten.“ So kam bei der jüngsten IHK-Umfrage heraus, dass der Mangel an Fachkräften bei den meisten Unternehmen – 43,7 Prozent von 590 befragten Berliner Firmen – durch das Ausscheiden von Mitarbeitenden in die Rente entsteht. 56,6 Prozent der Teilnehmenden wollen betriebliche Abläufe umstellen, damit weniger Personal benötigt wird. Unkonventionelle Methoden Um an dringend benötigte Fachkräfte zu kommen und sie zu halten, setzen Berliner Unternehmen sowohl auf bewährte als auch auf unkonventionelle Methoden – auf die Erhöhung ihrer Ausbildungsaktivitäten zum Beispiel, die Schaffung von inklusiven Arbeitsplätzen für Menschen mit Behinderung oder die gezielte Suche nach ausländischen Talenten. Die Charité Universitätsmedizin etwa, mit rund 20.000 Beschäftigten einer der größten Arbeitgeber Berlins, hat eine Stabsstelle Integration Pflege eingerichtet, um Fachkräfte für Gesundheitsfachberufe aus verschiedenen Ländern zu rekrutieren. „Vor Ort arbeiten wir mit Kooperationspartnern, Sprachschulen und Universitäten zusammen“, sagt Carla Eysel, Vorstand Personal und Pflege. „Unsere Stabsstelle begleitet die Rekrutierung, organisiert Interviews, unterstützt bei der Dokumentenbeschaffung, vermittelt Sprachkurse – der Integrationsprozess beginnt somit schon im Heimatland.“ In Berlin kümmere sich die Stabsstelle dann um sämtliche behördliche und administrative Prozesse, einschließlich Deutsch-B2-Kurs, Kenntnisprüfung oder Anpassungsqualifizierung. „Pro Jahr“, so Eysel, „rechnen wir mit 550 bis 600 Einreisen.“ Andere Unternehmen lassen Fachkräfte aus dem Ausland über spezialisierte Personalvermittlungsagenturen suchen. Zu den Leistungen solcher Agenturen gehören in der Regel das Recruiting, die Qualifizierung und die Integration der ausländischen Talente. Für Arbeitgeber aus dem Gesundheitswesen sind in Berlin zum Beispiel der Start Placement Service von Startcon oder die Agentur Careloop tätig, die Jobsuchende aus fernen Ländern mit hiesigen Unternehmen zusammenbringt. Einen anderen Ansatz verfolgt die Agentur Terratalent, die deutsche Auftraggeber mit Fachkräftepools in Schwellenländern vernetzt (s. S. 26). Geschäftsführer Burkhard Volbracht arbeitete vorher bei der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Berlin Partner, an der auch die IHK beteiligt ist. Sebastian Stietzel Präsident IHK Berlin Ohne qualifizierte Zuwanderung werden wir der massiven Herausforde- rung nicht begegnen können. ? 56,6 % der Teilnehmenden kündigen in der IHK-Umfrage an, betriebliche Abläufe so umzustellen, dass weniger Personal gebraucht wird. 43,7 % der Unternehmen geben in einer IHK-Umfrage das Ausscheiden in die Rente als Hauptgrund für Fachkräftemangel an.

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