Berliner Wirtschaft Juli/August 2023

recht groß geworden sind, ist es trotzdem noch so, dass wir füreinander da sein wollen. Das heißt: Wir versuchen auch zu helfen, wenn die Auszubildenden mal Stress zu Hause haben. Haben Sie eine Idee, wie man das Niveau in puncto Lesen, Schreiben, Rechnen verbessern kann? Dorothee Frankenstein: Ich glaube, dass Schule neu gedacht werden muss. Wir können nicht einfach nur auf die neue Generation schimpfen. Die Frage ist, ob wir uns auf die Neuen richtig einstellen. Mich stört die Haltung, dass nur wir richtig sind und die neue Generation komplett falsch ist. Wir müssen verstehen, was junge Menschen brauchen, um gut lernen zu können. Sie sind mit dem Handy aufgewachsen. Ihre Synapsen sind anders vernetzt. Sie brauchen ein anderes Lernen. Es gibt Schulen, die das während Corona sehr innovativ und toll gemacht haben, indem sie – wenn auch nur online – die Schüler abgeholt und Schule spannend gestaltet haben. ■ arbeiten, sind total coole, tolle, junge Menschen, die viele und vor allem ganz neue Potenziale haben. Die brauchen wir, um die Herausforderungen, die auf uns zukommen, zu bewältigen. Wie unterstützen Sie konkret die Auszubildenden, wenn Sie Defizite aufspüren? Dorothee Frankenstein: Wir unternehmen sehr viel, um auf die Prüfungen vorzubereiten. Für alle, die Nachhilfe in Deutsch oder Mathematik benötigen, suche ich die richtigen Institutionen, damit die Lücken behoben werden können. Im technischen Bereich sind unsere Meister sehr engagiert. Für die Prüfungen im Dezember organisieren wir mit ihnen ab September eine intensive Vorbereitung mit Theorie- und Praxis-Trainings ein- bis zweimal pro Woche abends nach der Arbeit. Wie werden diese Angebote angenommen? Dorothee Frankenstein: Das ist sehr gemischt. Manche finden das ganz toll und nehmen das sehr begeistert an. Andere meinen, dass sie das nicht brauchen. Da machen wir auch erst Druck, wenn wir sehen, dass die Prüfungen gefährdet sind. Wir setzen grundsätzlich auf Eigenverantwortung. Hilfe leisten wir auch, wenn es zu persönlichen Problemen kommt. Wenn die für uns zu groß sind, suchen wir geeignete Ansprechpartner. Wenn aber jemand einen Coach nicht in Anspruch nehmen möchte, können wir ihn nicht zwingen. Matthias Frankenstein: Wir schaffen außerdem einen finanziellen Anreiz: Unsere Auszubildenden verdienen sich bei guten Leistungen 50 Euro im Monat dazu. In die Beurteilung fließt zum Beispiel der Notendurchschnitt in der Berufsschule, die Benotung des jeweiligen Ausbilders und die Pünktlichkeit ein. Das Resultat Ihrer Bemühungen ist eine sehr hohe Quote an Mitarbeitenden, die in der Firma ausgebildet wurden. Wie hoch ist diese Quote heute? Dorothee Frankenstein: Sie ist sehr konstant bei etwa 30 Prozent. Das ist tatsächlich sehr hoch, und darauf legen wir auch großen Wert. Sehr stolz sind wir auch darauf, dass einige Mitarbeitende bei uns schon in dritter Generation arbeiten – sowohl im kaufmännischen als auch im technischen Bereich. Also schon deren Großväter waren bei uns tätig. Matthias Frankenstein: Darin spiegeln sich auch unsere Werte als Familienunternehmen wider, die uns sehr wichtig sind. Wir leben das auch in der Unternehmensführung vor. Mit meinem Sohn Mark steht schon der Nachfolger aus der dritten Generation fest. Auch wenn wir mit 170 Mitarbeitern schon Yvonne Meyer IHK-Expertin für Ausbildungspolitik Tel.: 030 / 315 10-547 yvonne.meyer@ berlin.ihk.de Dorothee Frankenstein hilft der Auszubildenden Anja Diehl bei ihrer Arbeit Interview | 27

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