Ende des 19. Jahrhunderts boomte in Berlin die Fleischwirtschaft. Kredithäuser und Kommissionäre bestimmten zunehmend den Handel von Björn Berghausen (BBWA) Zwischen Vieh und Mensch Z umEndes des 19. Jahrhunderts vergrößerte sich der allgemeine Wohlstand, was sich in wachsendem Fleischkonsum zeigte. Bis zu 400 Schlachthöfe unter zum Teil haarsträubenden hygienischen Bedingungen erregten Rudolf Virchows Kritik, der die Einrichtung eines Vieh- und Schlachthofes außerhalb der Stadt empfahl. 1881/83 wurde an der Ringbahn am heutigen Bahnhof Storkower Straße der Berliner Central-Vieh- und Schlachthof eröffnet. Mit dem enormen Umsatz an Schlachtvieh wuchs auch die finanzielle Komplexität des Fleischgeschäftes: Zwischen die Landwirte und die städtischen Verbraucher – Fleischer wie Endverbraucher – schaltete sich ein Handel, dem immer wieder Preis- treiberei vorgeworfenwurde. Gerade handwerkliche Einzelfleischer hatten oft nicht genug Kapital, um etwa ein Rind zu erwerben. In diese Lücke sprangen Viehkommissionäre und Kreditinstitute, wie August Sponholz und Franz Ehestädt, die 1884 die „Central-Viehmarkts-Wechsel-Bank Sponholz, Ehestädt und Co. KG“ gründeten, mit Hauptsitz am Alexanderplatz. Die Kunden dieser Bank waren Vieh- agenten, Groß- und Ladenschlachter, Darm- und Innereienhändler, Butter-, Käse- und Fetthandlungen, Eiergroßhandel und Lebensmittelhandlungen. Bis zu acht Zweigniederlassungen regelten den Verkehr mit den Kunden direkt in den Schlachthöfen, wo Sponholz und Ehestädt sich als „Spezialbank“ etabliert hatten. Oft waren die Bankiers mit ihremCompagnon Arthur Schröder imBörsensaal des Central-Viehmarktes zu sehen. Sponholz kam aus einer reichen Händlerfamilie – sein Vater hatte amAufbau von Friedenau mitgewirkt, und ihm gehörte zum Beispiel das „Haus Sommer“ neben demBrandenburger Tor am Pariser Platz 1. Franz Ehestädt besaß Grundstücke rund um die Bismarckstraße und in Steglitz, zumBeispiel Teile des Baugrunds für den Steglitzer Kreisel. Nach dem Tod von Ehestädt 1933 und Schröder 1935 verkauften die Sponholz’schen Erben das Geschäft mit mehr als 80 Mitarbeitern 1936 an die Dresdner Bank. Der Central-Viehhof vergrößerte sich bis 1930 kontinuierlich und war ab 1963 in der DDR als VEB Fleischkombinat Berlin einwichtiger Teil der Nahrungsversorgung, ehe der Betrieb 1991 eingestellt wurde. ■ Links: Lageplan des Berliner Central-Vieh- und Schlachthofes am heutigen S-Bahnhof Storkower Straße Unten: Viehkommissionär Franz Ehestädt Zugang zum Wirtschaftsarchiv Die Bestände des Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftsarchivs (BBWA) können nach Vereinbarung eingesehen werden. Kontakt und Infos: bb-wa.de FOTOS: BBWA 43 IHK BERLIN | BERLINER WIRTSCHAFT 07-08 | 2022 BRANCHEN | Historie
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