Berliner Wirtschaft Juni 2022

Melina Hanisch, IHK-Fachreferentin Start-ups und Finanzierung Tel.: 030 / 315 10-527 melina.hanisch@ berlin.ihk.de viel investiert. Wir hatten einen Topf, und daraus haben wir einen ziemlich großen Teil des Gelds in unser erstes Unternehmen investiert.“ Angels sollten stattdessen mindestens zehn Investments tätigen. Schon wegen der Risikostreuung. „Außerdem sollte bei einem gut laufenden Investment auch das Pro-rata-Recht genutzt werden“, erklärt Miczaika. Bedeutet: Hält eine Investorin zum Beispiel fünf Prozent der Anteile an einem Start-up, kann sie sich bei einer neuen Finanzierungsrunde entsprechend erneut betei- ligen. Dafür sollten Business Angels laut Miczaika weiteres Kapital vorhalten, mindestens 50 Prozent der investierten Summe. Gemeinschaftlich und überlegt vorgehen Gemeinsammit anderen Business Angels lassen sich bessere Entscheidungen treffen. Daher ist es ratsam, nicht alleine zu investieren, sondern sich mit anderen zusammenzuschließen. Ähnlich wie bei einer Tippgemeinschaft. So wird das eigene Know-how durch andere Expertise ergänzt. Der vierte Punkt betrifft die Tendenz uner- fahrener Business Angels, sich zu schnell für ein Investment zu entscheiden. Das weiß auch Torsten Meyer, Business Angel und Gründer von Books- 4memories. Der Unternehmer hatte sich bei sei- nem ersten Investment im Rückblick betrachtet zu sehr von seiner Begeisterung für das Start-up mitreißen lassen. Das Phänomen heißt auch „Fear of Missing out“ – kurz: FOMO. „Es sollte definitiv genug Zeit für die Prüfung der Investmentthemen und die Due Diligence bleiben“, sagt Meyer. Hand- lungsdruck oder die Angst, eine große Chance zu verpassen, seien dagegen schlechte Berater. Kenntnis und Due Diligence müssen passen Man sollte nur in Themen investieren, die man versteht. Das wird häufig vergessen, wenn große Erfolgschancen versprochen oder vermutet wer- den. Einsteiger sollten sich vor Investments meh- rere Pitchdecks anschauen, um ein Gefühl für die Branche zu bekommen. ImZweifel sollten Angels Risiken besser beurteilen als die Gründer, denn dann können sie Risiken auch rechtzeitig erken- nen und entsprechend gegensteuern. Der sechste Tipp betrifft die Due Diligence, dafür sollte man genug Zeit einplanen. „Ich habe die Due Diligence anfangs zu stark vernachläs- sigt, weil mir bekannte Angels bereits an Bord waren“, erinnert sich ein erfolgreicher Business Angel. Damit seien viele Fehler verbunden, etwa der sogenannte Confirmation Bias oder gegenläu- fige Geschäftsinteressen. Bei der Due Diligence werden die Kennzahlen eines Start-ups streng geprüft, zum Teil über mehrere Wochen. Diese Phase sollte im Investmentprozess keinesfalls vernachlässigt werden, auch nicht, wenn Grün- der oder Angels Druck machen. Finanzielle Reserven und Referenzgespräche Ein Teil des Investments sollte als Reserve vorge- halten werden. Ein Beispiel: Bei einer Investition von insgesamt 50.000 Euro sollten zunächst nur 40.000 Euro an das Start-up gehen. Der restli- che Betrag sollte fließen, wenn das Unternehmen kurzzeitig auf Liquidität angewiesen ist – Wor- king Capital heißt das imFachjargon. Unabhängig davon sollte wie erwähnt auch Kapital für Fol- low-on-Investments vorhanden sein. Business Angels sollten sowohl mit bestehen- den Kunden als auch ehemaligen Vorgesetzten der Gründerinnen und Gründer, relevanten Teammit- gliedern oder anderen Investoren Referenzgesprä- che führen. Dies gehört zu einer umfangreichen Due Diligence dazu und ermöglicht beiden Sei- ten, festzustellen, ob es ein guter Fit ist. Wichtig ist, dass solche Gespräche erst später stattfinden, sodass nicht bereits beim ersten Intro die Kapazi- tät des ganzen Start-ups eingefordert wird. Team kennen lernen, Reportings einfordern Angels sollten immer den ganzen Mitarbeiter- kreis kennen und sicherstellen, dass sie dem Team sowohl das operative Tagesgeschäft als auch richtige Personalentscheidungen zutrauen. Dies ist einer der kritischen Punkte in der Frühphase eines Start-ups. Auch sollte ein regelmäßiges Reporting mit Geschäftszahlen eingefordert wer- den, wobei die Erwartungshaltung an ein Repor- ting von Anfang an definiert seinmuss. Die Grün- derinnen und Gründer sollten genau wissen, was kommuniziert werden soll. Geklärt sein müssen auch die Kosten für das Reporting, denn es sollte Mehrwert generieren und nicht Mehraufwand. Zu guter Letzt rät Business Angel Tina Dreimann von Better Ventures: „Investorinnen und Investorensolltensich ihrerRolle sehr bewusst sein: Sie sind Förderer – und nicht die Gründe- rinnen selbst. Sie sollten unterstützen, aber nicht micromanagen. Sie sollten mit Rat und Tat zur Seite stehen, aber sich auch ihrer Schwächen bewusst sein und nicht ihre Expertise mit ihrer Meinung verwechseln. Am Ende geht es um die Gründerinnen und ihren Erfolg – nicht um die Egos der Business Angels.“ ■ Link zur Website der Gründerszene Die vollständige Version des Textes unter: gruenderszene.de (kostenpflichtig). Experten-Tipps In mehr als 400 Videos geben erfahrene Business Angels Tipps: addedval.io Die Autorin Susanne Zinth ist seit Anfang 2021 für AddedVal.io als Start-up-Analystin tätig. Sie verbindet Start-ups im Fund- raising mit Business Angels. Zinth studierte International Finance an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin. FOTOS: VALERIYA SIMANTOVSKAYA/STOCKSY UNITED, FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG 61 IHK BERLIN | BERLINER WIRTSCHAFT 06 | 2022 SERVICE | Gründerszene

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