Berliner Wirtschaft Juni 2022

Jürgen Stegger Geschäftsführer Nach dem Studium des Maschinenbaus an der RWTH Aachen und ersten Berufserfahrun- gen bei der Preussag AG wechselte Jürgen Stegger 1999 zur Borsig GmbH und übernahm den Bereich Membran- technik. Seit 2018 ist er Geschäftsführer der Borsig-Gruppe und einzelner Tochterunter- nehmen. B orsig ist ein 185 Jahre altes Traditionsunter- nehmen, das einst der größte europäische Hersteller von Lokomotiven war. Heute bie- tet das Unternehmen weltweit Produkte für vielfältige industrielle Anwendungen. Eine eigene Ausbildung ist für Borsig wichtig, um über gut qua- lifizierte Fachkräfte für den Bau der Hochpräzisi- onsapparate verfügen zu können. Geschäftsführer Jürgen Stegger will jetzt noch konsequenter daran arbeiten, dass sein Unternehmen als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen wird. Berliner Wirtschaft: Finden Sie noch genug Auszubildende? Jürgen Stegger: In den vergangenen Jahren ist es uns nicht immer gelungen, alle offenen Stellen zu beset- zen. Wir wollen am Standort Berlin jährlich sieben Azubis einstellen, zwei Industriekaufleute und fünf Anlagenmechaniker für Apparate- und Schweiß- technik – früher bekannt unter der Bezeichnung Schlosser und Schweißer. Bei den Anlagenmecha- nikern konnten wir früher aus 600 Bewerbungen auswählen, heute läuft der gesamte Auswahlpro- zess ganz anders und hat sich faktisch umgedreht. Zuletzt konnten wir uns bei 200 Kandidaten bewer- ben, die ihr Interesse an den Berufsfeldern auf Por- talen hinterlegt hatten. Mit acht Interessenten konn- ten wir Termine für Bewerbungsgespräche verein- baren. Davon sind drei gekommen, einen konnten wir schließlich einstellen. Woran liegt das? Das hat viele Gründe. Zumeinen gibt es aufgrund des demografischenWandels einfach weniger Jugendli- che, die die Schule jedes Jahr verlassen. Zum ande- ren machen immer mehr Schülerinnen und Schü- ler Abitur und wollen anschließend studieren. Das Interesse an technischen Ausbildungsberufen ist – so sehenwir das – in den letzten Jahren stetig gesunken. Hinzu kommt, dass viele Jugendliche mit den Beru- fen des Anlagenmechanikers Einsatzgebiet Appa- ratebau oder Schweißtechnik nichts anfangen kön- nen. Sie verwechseln das mit demAnlagenmechani- ker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik. Daher glaube ich, dass unsere Ausbildungsberufe generell klarer und einfacher kommuniziert werdenmüssen. Das gilt auch für die Ausbildungsprofile, da müssen wir schärfer und verständlicher werden. Welche Rolle spielt bei Ihnen die Ausbildung? Wir wollen in diesemBereich mit unseremEngage- ment eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Wenn nicht ausgebildet wird, werden später natürlich auch die Fachkräfte fehlen. Und » „Viele Jugendliche sind heute überfordert“ Auch für Mittelständler aus der Industrie ist es mittlerweile schwer, Auszubildende zu finden. Jürgen Stegger, Geschäftsführer der Borsig GmbH, nimmt die Herausforderung an von Michael Gneuss Jürgen Stegger in der Produktions­ halle seines Unter­ nehmens Wenn nicht ausgebildet wird, werden später natürlich auch die Fachkräfte fehlen. Jürgen Stegger FOTO: AMIN AKHTAR SCHWERPUNKT | Interview 26 IHK BERLIN | BERLINER WIRTSCHAFT 06 | 2022

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