Berliner Wirtschaft Juni 2021

A n der Steglitzer Schloßstraße 94 fir- miert ein ungewöhnlicher Discoun- ter. Bei Sirplus gibt es alles, was auch andere Supermärkte imSortiment haben: Lebensmittel, Kühlwaren, Obst, Gemüse, Back- waren oder Kosmetik – nur viel günstiger. Denn in den Regalen und Auslagen finden sich fast aus- schließlich Produkte, derenMindesthaltbarkeits- datum bald oder bereits überschritten ist. „Bevor wir abgelaufene Lebensmittel zum Verkauf anbieten, werden sie von unserem Qua- litätsmanagement sorgfältig auf ihre Genieß- barkeit geprüft“, sagt Sirplus-Geschäftsführer Raphael Fellmer. Zu den internen Kontrollen zählten beispielsweise regelmäßige sensorische Tests nach gängiger HACCP-Praxis. „Neben Hun- derten geretteten Lebensmitteln bieten wir auch Kosmetikprodukte an, die entweder nicht mehr so lange haltbar sind oder aus diversen Gründen ausrangiert wurden“, so Fellmer. „Und Obst und Gemüse können wir retten, auch wenn es schon zu reif ist oder Schönheitsfehler hat.“ Für seine fünf Berliner Sirplus-Rettermärkte und den Online-Shop bezieht das 2017 gegrün- dete Start-up mit mehr als 150 Beschäftig- ten seine Waren vor allem von Großhändlern, Produzenten und Landwirten. „Wenn die ihre überschüssigen Produkte kostengünstig an uns abgeben, reduzieren sie Entsorgungskosten“, sagt Fellmer, „und im Gegenzug sparen unsere Kun- den im Schnitt rund 30 Prozent, teilweise sogar 90 Prozent.“ Bis heute habe man schon rund 4.000 Tonnen noch genießbare Lebensmittel retten können. Über den Online-Shop verkauft Sirplus derzeit knapp 300 unterschiedliche Produkte. „Der Ren- ner sind unsere Boxen-Abos – aktuell bekom- men über 5.500 Kunden monatlich eine von uns zusammengestellte Box.“ Schritt für Schritt soll in den nächsten Jahren das komplette Sortiment der Rettermärkte per Lieferservice erhältlich sein. Profitabel arbeitet das Unternehmen noch nicht. Mit mehrerenMio. Euro sind Investoren eingestie- gen, und knapp eine Million kam im Zuge einer Crowdinvesting-Kampagne zusammen. Per App zu weniger Müll Immer mehr Start-ups und Initiativen tra- gen dazu bei, Lebensmittelverschwendung und Müllaufkommen einzudämmen. Denn Jahr für Jahr landen allein in Deutschland über 18 Mil- lionen Tonnen Lebensmittel im Müll: Essens- reste aus der Gastronomie, vermeintlich abge- laufene Ware, unästhetisches Obst und Gemüse. Die einst in Berlin gegründete Initiative Foodsha- ring zumBeispiel vernetzt über ihre Online-Platt- formBetriebe, die übrig gebliebeneWaren loswer- den wollen, mit Privatpersonen, die diese dann abholen, selbst verbrauchen oder verteilen kön- nen. Über eine Smartphone-App führt das däni- sche Unternehmen Too good to go mit Deutsch- land-Sitz in Berlin seine Nutzer zu Restaurants, Cafés, Hotels oder Bäckereien, die zu festgeleg- ten Zeiten überschüssige Mahlzeiten verkau- fen – mindestens um die Hälfte günstiger als der Originalpreis. Verpackungs- und Plastikmüll vermeiden will Fandli (demnächst: Alpakas), ein Berliner » Links: Teilnehmer der Initiative Marktschwärmer können online regionale Produkte bestellen Rechts: Sirplus verkauft geprüfte Waren, deren Mindeshaltbar- keitsdatum abgelaufen ist FOTOS: MARKTSCHWÄRMER, JOASIA FIDLER-WIERUSZEWSKA Raphael Fellmer Geschäftsführer Sirplus Obst und Gemüse können wir retten, auch wenn es schon zu reif ist oder Schönheitsfehler hat. 18 Mio. Tonnen Lebensmittel landen jährlich in Deutschland im Müll, darunter Speisreste aus der Gastronomie und abgelaufene Ware. 41 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 06 | 2021 BRANCHEN | Nachhaltigkeit

RkJQdWJsaXNoZXIy MzI1ODA1